Die Wiener Albertina: das Werk eines Freimaurers
Albert Kasimir August Herzog von Sachsen Teschen: So hieß der Freimaurerbruder, dem Wien das weltweit bekannte Kunstmuseum Albertina zu verdanken hat. Durch die Namensgebung haben die Wiener den Stifter bis heute nicht ganz vergessen. Dass er ein Freimaurer war, ist jedoch kaum bekannt. Im Frühjahr 2014 erinnerte die Ausstellung ‚Dürer Michelangelo Rubens – Die 100 Meisterwerke der Albertina’ daran. Die Schau war eine Hommage an den Gründer der Sammlung und seine Zeit. Sie ging auch ausführlich auf den Herzog als Freimaurer ein. Von Rudi Rabe
Der Freimaurerteil der Ausstellung wurde von Rüdiger Wolf mitgestaltet: dem ehemaligen Direktor des österreichischen Freimaurermuseums Rosenau. Im Katalog beschäftigte er sich mit Herzog Alberts maurerischem Netzwerk. Teile des Wiki-Artikels basieren auf diesem Text.
Inhaltsverzeichnis
Wie kam der Sachsenspross nach Wien?
Ganz einfach: durch die Liebe. Was heute ganz normal klingt, war damals im Hochadel nicht selbstverständlich. In diesem Fall wurde es durchgesetzt von Marie Christine, Erzherzogin und Tochter von Maria Theresia, der Herrscherin über das Habsburgerreich und Gemahlin des Römisch-deutschen Kaisers Franz Stephan von Lothringen.
Herzog Albert lebte von 1738 bis 1822. Er war das dreizehnte Kind von Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen und König von Polen, und damit ein Enkel von August dem Starken.
Marie Christine war das fünfte Kind Maria Theresias. Von deren 16 (in Worten: sechzehn) Kindern erreichten zehn das Erwachsenenalter. Marie Christine war die einzige, die sich ihren Ehepartner selbst aussuchen konnte: Sie war die Lieblingstochter der Kaiserin. Die anderen Kinder wurden vom Herrscherpaar dynastisch verheiratet; oder sie blieben ledig.
Ausnahmsweise eine Liebesheirat
Die Eheschließung Marie Christines mit Albert war also eine Liebesheirat. Das war im Jahr 1766. Abgesehen von einem Baby, das ein Jahr nach der Hochzeit nur einen Tag alt wurde, blieben sie ohne Nachkommen.
Albert und Marie Christine waren beide in der Erbfolge ihrer Familien weit hinten, also wurden sie von der Brautmutter anders versorgt. Wieder war Maria Theresia, die inzwischen zur Witwe geworden war, großzügig: Nach dem kleinen habsburgischen Ländchen Teschen (zwischen dem heutigen Polen und Tschechien) verlieh sie dem Schwiegersohn den Titel Herzog von Sachsen-Teschen; und die Tochter bedachte sie mit einer hohen finanziellen Mitgift.
Darüber hinaus beauftragte die Regentin das Paar mit der wichtigen Statthalterei von Ungarn in Pressburg (heute Bratislava in der Slowakei; die Stadt war damals die Hauptstadt von Ungarn). Dort blieben Marie Christine und Albert bis 1780. Danach übernahmen sie die Statthalterei der Österreichischen Niederlande in Brüssel (etwa das heutige Belgien und Luxemburg). Von französischen Revolutionsheeren bedroht kehrten sie 1792 zurück nach Wien. Marie Christine starb 1798. Albert überlebte sie 24 Jahre.
Schon in Pressburg hatten die beiden begonnen, eine hochwertige Kunstsammlung aufzubauen: zuerst Druckgrafiken, später auch Zeichnungen. Daraus wurde im Laufe der Jahrzehnte eine der bis heute bedeutendsten grafischen Sammlungen der Welt mit 65.000 Zeichnungen und über einer Million druckgrafischen Blättern.
Der Herzog als Freimaurer
Aufgenommen wurde er 1764 im Alter von 26 Jahren in der sächsischen Hauptstadt Dresden in die Loge Zu den drei Goldenen Schwertern (Mitgliedsnummer 254). 1738 gegründet war und ist diese Loge die älteste von Dresden und nach der Loge d’Hambourg (später Absalom zu den drei Nesseln) die zweitälteste Deutschlands. Sie stand damals unter dem Einfluss der ‚Strikten Observanz’, einem streng hierarchisch geführten Freimaurersystem. Dieses widersprach dem egalitären englischen Modell, und so wurde es 1782 nach dem Tod des Gründers Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau beim Wilhelmsbader Konvent entsorgt.
Herzog Albert war ab Beginn seiner Mitgliedschaft eine wichtige Freimaurer-Persönlichkeit. Er beeinflusste die masonische Entwicklung nicht nur in Dresden, sondern auch in Prag, Pressburg und Wien. Eine Prager Loge benannte sich nach seinem zweiten Vornamen ‚Casimir zu den drei gekrönten Sternen und drei gekrönten Säulen’ und ein Wiener schottisches Kapitel ‚Albert zum Goldenen Helm’.
Das Geld der Gemahlin und das Netzwerk der Logenbrüder
Albert hatte ursprünglich kein Einkommen: als ‚pauvre cadet’ bezeichnete er sich selbst. Das änderte sich durch den Herzogtitel, mit dem mehrere Güter verbunden waren, und durch die der Heirat folgenden Beauftragungen und Beförderungen. Vor allem aber unterstützte ihn jetzt seine Frau aus ihrem Vermögen: Kunst sammeln kostete ja auch damals Geld.
Darüber hinaus half ihm sein freimaurerisches und mit diesem oft identes militärisches Netzwerk mit Rat und Tat beim Zusammentragen der Grafiken. Der Herzog revanchierte sich, wenn Logen bei der damals freimaurerkritischen habsburgischen Obrigkeit in Schwierigkeiten gerieten; durch seine hohe Stellung war ihm das möglich. Auch hier stand ihm Marie Christine bei: Im Gegensatz zur sehr katholischen Maria Theresia war sie gegenüber der Freimaurerei ebenso offen wie mehrere ihrer erzherzoglichen Schwestern.
Als Teil von Alberts masonischem Netzwerke nennt Rüdiger Wolf unter anderen die Adjutanten Alexander von Miltitz und Alexander von Seckendorff; außerdem seine Kunstfreunde Giacomo Conte Durazzo (Botschafter in Venedig), Jacob Matthias Schmutzer (Direktor der Kupferstichakademie), Adam von Bartsch (Kupferstecher und Kustos der Grafiksammlung in der Wiener Hofbibliothek) und last but not least der große Lessing.
Bruder Lessing besucht Bruder Albert
Gotthold Ephraim Lessing wurde 1771 in Hamburg aufgenommen. Sein ‚Nathan der Weise’ und sein Freimaurergespräch ‚Ernst und Falk’ gehören zu den wichtigsten Werken deutschsprachiger Freimaurerliteratur.
Rüdiger Wolf zu Lessings Begegnungen mit Herzog Albert: „Anlässlich einer Reise Lessings nach Wien zu seiner Verlobten Eva König im Frühsommer des Jahres 1775 trafen einander die Freimaurer Herzog Albert und Lessing in Wien und Pressburg. Im Juni gewährte Josef II. Lessing eine Audienz. Von Wien reiste Lessing nach Italien, und auf der Rückreise nach Wolfenbüttel machte er nochmals Halt in Wien und darf Herzog Albert vor dessen Abreise nach Italien am 28. Dezember 1775.“
Als Witwer sammelt er weiter und weiter
Sechs Jahre nach der Rückkehr des Paares aus Brüssel nach Wien starb Marie Christine. Die Ehe war bis zum Schluss glücklich.
Die beiden hatten sich in einem wenig attraktiven Ausläufer der Hofburg einquartiert und diese zum Mittelpunkt ihrer Sammlung ausgebaut. Albert lebte noch fast ein Vierteljahrhundert. In diesen Jahren als Witwer konzentrierte er sich voll auf die Sammlung. Er blieb in dem Trakt, den er mit seiner Marie Christine übernommen hatte. Heute ist das die Albertina.
Siehe auch
- Rezension: Rüdiger Wolf – Die Protokolle der Prager Freimaurerloge „Zu Den Drei Gekrönten Säulen“ 1783-1785
- Österreich