Rezension: Hans-Hermann Höhmann - „Zwischen Aufklärung und Esoterik“

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Rezension: Hans-Hermann Höhmann - „Zwischen Aufklärung und Esoterik

„Humanistische Freimaurerei als Projekt
für das 21. Jahrhundert“

Salier Verlag Leipzig, 2013. Siebzig Seiten: schmaler Umfang, reicher Inhalt. Gelesen von Rudi Rabe

Dies ist mein zweites Buch von Hans-Hermann Höhmann: Und wieder hat sich die Lektüre gelohnt. Ein führender Denker der deutschen Freimaurerei, ein ebenso leidenschaftlicher wie mit der Performance seines Bundes nicht rundweg zufriedener Freimaurer macht sich Gedanken darüber, was die Freimaurei im 21. Jahrhundert leisten sollte. Wobei er sich ausdrücklich auf die „humanistische“ Richtung bezieht: Diese ist “nicht voll identisch mit der humanitären Freimaurerei der AFuAM“ (Vorbehalte wegen der Ritualgestaltung). Viel stärker grenzt er sich jedoch ab von einer hierarchiesüchtigen Hochgradmaurerei und von der christlich-protestantischen Richtung (Große Landesloge von Deutschland).

Die aktuellen Mängel der deutschen Freimaurerei

Eine sinnvolle Perspektive sieht Hans-Hermann Höhmann nur für die humanistische Freimaurerei. Doch für das 21.Jahrhundert braucht diese ein Update. Die aktuelle deutsche Freimaurerei, auch die der AFuAM, leidet nämlich an mehreren Mängeln: Sie steckt zum Beispiel in einer „Esoterikfalle“. Schon in der Vergangenheit sei zusammengewachsen, was oft nicht zusammengehört, nämlich Esoterik und aufgeklärter Humanismus: „Nach außen treten die Freimaurer gern als Erben von Humanismus und Aufklärung auf ... im Inneren – in der Welt der Rituale – geht es dagegen bis in die Gegenwart hinein vielfach hermetisch-esoterisch, ritterromantisch-hierarchisch oder gnostisch-christlich zu." Die Folge: eine "Identitätskonfusion" im Selbstbild und in der Außenwahrnehmung.

Verschärft wird das Problem durch eine Mittelmäßigkeitsfalle: „Zu wenig konzeptionelle und personelle Substanz“, zitiert er einen ausländischen Kenner der deutschen Freimaurerei. Alles Gründe, warum die Mitgliederzahlen „bestenfalls langsam“ zunehmen. „Vor allem Vertreter von Eliten ... halten sich fern.“ Die internen Diskurse darüber müssten „viel offener und engagierter geführt werden als gegenwärtig, wo sie – durch Tabus und administrative Kontrolle gebremst – nur allzu oft ins Steril-Langweilige“ abdriften.

Aufriss einer humanistischen Freimaurerei für die Gegenwart

Keine Sorge: Hans-Hermann Höhmann bleibt nicht in der Kritik stecken. In seinem Hauptteil ist das Buch ein Zukunftsentwurf für eine den Menschen dienende Freimaurerei des 21. Jahrhunderts.
Deren Formel lautet: Geselligkeit x Ethik x Ritual = Lebenskunst.

Geselligkeit und Freundschaft:
„Freimaurerei will ein Freundschaftsbund sein, der über alle weltanschaulichen, politischen, nationalen und sozialen Grenzen hinweg Menschen miteinander verbindet. Die Freimaurer folgen damit ihrer speziellen Tradition, Trennendes zu überwinden ... sowie Menschen zu verbinden, die sich nach Herkunft und Interessenlage sonst nicht begegnen würden.“ In unserer komplexen Gesellschaft werden wieder viele Segmente vereinzelt. Dadurch entsteht eine „Tendenz zu diffuser Anonymität und Aggressivität“, so dass Stätten menschlicher Begegnung wie die Freimaurerei noch wichtiger werden. Und so sind auch die neuen Frauenlogen eine Bereicherung für die ganze Freimaurerei. Diese würde durch Kooperationen zwischen Männern und Frauen zusätzlich gestärkt.

„Allerdings: Lebendig sind die Logen nur dann, wenn die Brüder sich und Ihren Bund als Freimaurer ernst nehmen. Freimaurerei ist, was Freimaurer tun – nicht weniger und nicht mehr.“

Ethik der Einübung:
„Als ethisch orientierter Bund ist Freimaurerei seit jeher wertverpflichtet, und zwar in Sinne einer wirklich praktizierten Moral. Der Bund entwickelt zwar kein eigenes ethisches System und versucht nicht, ethische Überzeugungen in politische Programme zu übertragen. Dennoch gibt die Freimaurerei mit ihren Wertpositionen ... Orientierungen für das Denken und Handeln ihrer Mitglieder vor.“ Die freimaurerische Ethik ist keine Ethik der Verkündigung sondern eine 'Einübungsethik': „Das Spezielle im Freimaurerbund ist die Methode in der Umsetzung. Dabei kommt den brüderlichen Gesprächen große Bedeutung zu, denn ‚Nichts geht über das laut Denken mit einen Freunde’ (Lessing).“

Die ethische Orientierung nimmt den einzelnen Freimaurer in die Pflicht: „Einfaches Prinzip, aber mühsam in der Durchführung“. Sie wendet sich aber auch an die Freimaurerei als Ganzes: Große Toleranz, aber die Freimaurerei darf kein „Bund der Ungleichgesinnten“ sein. Vor allem: Kein Rassismus und keine fundamentalistische Gewalt.

Rituale als spiritueller Erfahrungsraum:
Die Loge ist ein „ritueller Werkbund“. „Das Ritual ist keineswegs die ganze Freimaurerei, doch es ist das, was Freimaurerei von anderen Bünden unterscheidbar macht.“ Das Ritual hat keinen Offenbarungscharakter, keine magische Qualität, es ist keine Heilslehre, sondern ein „spezifisches Medium der Kommunikation“. Als „Moratorium des Alltags“ (Odo Marquardt) ordnet es die Zeit. Es schafft keine „heilige Zeit“ sondern einfach nur Heimat: „Die Riten sind in der Zeit, was das Heim im Raum ist.“ (Antoine de Saint-Exupéry). „Indem der Mensch in diesen Pausen ganz aus der immer nur vorwärtsdrängenden Hast zurücktritt, gewinnt er Kontakt mit einem tieferen, im Zeitlosen sprudelnden Lebensgrund und kehrt aus ihm nicht nur ausgeruht, sondern wirklich verjüngt in den zeitlichen Ablauf des Alltags zurück.“

Aber das Ritual ist nichts Eingefrorenes: „Auch im Rituellen muss die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft Vorrang haben vor der Verwaltung oft recht unreflektiert weitergetragener Vorstellungen.“

Fazit: Freimaurerei als Lebenskunst:
„Durch die Zusammenfassung der drei vorgenannten Elemente in einem ganzheitlichen ... Konzept wird Freimaurerei zu einer Lebenskunst der Praxis ... im Sinne ... einer selbstbestimmten, als sinnvoll empfundenen Lebensführung“. Dadurch kann der Mensch ein grundsätzliches Lebensdilemma bewältigen, nämlich: Leben will leben, aber das ist nur begrenzt möglich! „Der Mensch muss aus dieser Situation das Beste machen. Er muss gleichsam das Leben innerhalb des Lebens verlängern.“ Das ist vor allem wichtig, „wenn die Daseinsbedingungen neu und unsicher sind“, womit wir endgültig im 21. Jahrhundert angelangt wären.

Kann die humanistische Freimaurerei das schaffen?

Hans-Hermann Höhmann: „Mein Naturell macht mich zum Optimisten, Nachdenken und Erfahrung fügen freilich eine gehörige Portion Skepsis hinzu.“ Aber H.-H.H. schließt sein Buch dann doch mit einem Zitat von Johann Gottlieb Fichte: „Freue Dich, dass noch nicht alles ist, wie es sein sollte, dass Du Arbeit findest und zu etwas nütze sein kannst.“

Ankündigung: Dieses 70-Seiten-Bändchen ist nur eine Art Zwischenbericht für ein größeres Werk, an dem Hans-Hermann Höhmann gegenwärtig arbeitet. In diesem will er für die Freimaurerei des 21. Jahrhunderts ein Konzept „in all seinen Facetten mit den jeweiligen praktischen Konsequenzen ausarbeiten“. Alles Gute!

Publiziert wurde das Buch vom Salierverlag Leipzig; dieser pflegt innerhalb seines Programms eine eigene Freimaurerreihe.

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