Rede von Rudolf Mühlhausen 1930

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Minerva zu den drei Palmen

Wer sind wir deutschen Freimaurer?

von Pfarrer Rudolf Mühlhausen zg. MvSt der Loge Minerva in Leipzig

Vortrag gehalten am 24. März 1930 in der Loge Minerva zu den 3 Palmen vor geladenen Gästen von Bruder Rudolf Mühlhausen.

Transkribiert von Rolf Ohler

Die Geburtsurkunde der Freimaurerei

Die Geburtsurkunde der Freimaurerei in ihrer heutigen Organisation lautet auf das Jahr 1717 damals taten sich in London die dort bestehenden 4 Logen zu einer Großloge zusammen und von hier aus verbreitete sich die Mauerei in erstaunlich kurzer Zeit über alle Kulturnationen der Erde. Dieses Datum ist aber so ziemlich das Einzige, was wir über die Entstehung der Bewegung wissen. Aus den ersten Jahren der Londoner Großloge ist nichts Schriftliches erhalten, so dass wir von der Art ihres Lebens und etwaigen Arbeiten keine Vorstellung haben. Bekannt sind uns nur die Namen der ersten Großmeister nebst einigen dürftigen biographischen Notizen. Auch ist die Frage unbeantwortet, was die 4 Logen vor ihrem Zusammenschluss waren und wollten. Das Jahr 1717 war ja doch kein absoluter Neubeginn, sondern nur die Schaffung einer neuen Lebensform für bestehende Lebensgemeinschaften. So einfach darf man sich die Freimaurerische Geschichtsschreibung nicht machen. dass man aufgrund der Tatsache, dass die Zusammenkünfte in Tavernen stattfanden, die erste Großloge für einen besseren und raffinierteren Amüsements Club erklärt, in den dann -wer weiß wie und wann- der Heilige Geist hineingefahren sei.

Wie sollte man sich dann den schnellen Siegeszug der Freimaurerei begreiflich machen, ebenso die Tatsache, dass schon nach wenigen Jahren der englische Hof Wert darauf legte, führende Stellung in der jungen Gemeinschaft innezuhaben? Es muss schon etwas Geistiges vorhanden gewesen sein. das in die Großloge zusammenströmte. Nun verweisen und die freimaurerischen Symbole und Rituale ganz zwingend auf einen Zusammenhang mit der Werkmaurerei der Steinmetz- Zünfte, jener Bauhütten, in denen die Dombauer die Geheimnisse ihrer Baukunst hüteten und von Mund zu Mund weitergaben. Es ist zwar nicht gelungen, das ganze Formtum dieser Zünfte zu rekonstruieren, aber wesentliche Züge stehen fest, und manche von ihnen finden sich in unserem Brauchtum wieder. Die Werkmaurer erkannten einander am Gruß, am Schritt, am Handschenk, das heißt einem besonderen Griff und an dem Passwort. Auch erhielt jeder Losgesprochene ein Steinmetzzeichen, das er in seinem Gesellenbuch mitnahm und in jeden von ihm fertigt behauenen Stein einmeißeln musste. Niemand, dem der Ausweis fehlte, der die Füße nicht vorschriftsmäßig in den rechten Winkel zu stellen wusste, wurde in die Bauhütte eingelassen. In der Symbolik spielten die Geheimnisse der Zahl eine große Rolle, weil ja auf den von Alters her heiligen Zahlen sich die Proportionen der Dome aufbauten. Sinnbilder waren der Zirkel, das Instrument des Kreises, das heißt der geometrischen Figur, in der jeder Punkt vom Mittelpunkt gleich weit und gleich nahe ist; also Sinnbild der Brüderschaft. Ferner Senkblei, Zollstab, Spitzhammer und Kelle, die auch heute noch freimaurerische Symbole sind.

Sinnbild der Verschwiegenheit

Als Sinnbild der Verschwiegenheit galt die Rose. mit der wir Freimauer noch heute das höchste Fest des Jahres, das Johannesfest schmücken.

(Der Vortrag erhebt nicht den Anspruch, neues Material in die gegenwärtige Kampffront vorzubringen; vielleicht aber ist er in der Hand der Brüder ein nicht unwillkommenes Hilfsmittel zu eigener Orientierung und zur Orientierung solcher, die guten Willens sind, sich ein objektives Urteil über uns zu bilden. Der geschichtliche Teil lehnt sich eng an Lennhoff „Die Freimaurer“ an.)

Bauhütten

Aber die 4 Logen die sich 1717 zusammenschließen, sind nicht mehr bloß Bauhütten werktätiger Maurer. Wie hat sich der Übergang vom Werkmaurer zum Freimaurer vollzogen? Wir wissen, dass die alten Bauhütten in England schon lange vor der Gründung einer Großloge Nicht-Mauer in ihren Reihen hatten, sogenannte angenommene Maurer. in Aberdeen waren im Jahre 1670 von 950 Logenmitgliedern nur noch 7 Werkmauer, 7 weitere waren Schieferdecker und Zimmerleute. Die übrigen aber Geistliche, Adelige, Kaufleute, Ärzte ,Professoren usw. Es vollzog sich also eine eigenartige Umstellung: Die Arbeit am Werk deren Behälter die Logen ursprünglich gewesen waren, trat in den Hintergrund, die symbolische Arbeit am unsichtbaren Tempelbau bereitete sich vor.

Für diese Umschichtung bringen die Historiker 2 Erklärungen bei. Die einen meinen, dass im Zusammenhang mit den Gilden sich ausgebreitete Genossenschaften bildeten, zu denen Adlige, Priester, Bürger und Bauern gehörten, deren Aufgabe die Beschaffung und Heranbringung der aus weiter Ferne geholten Baustoffe war. Auch den hochgestellten Protektoren, den Bauherren und anderen Liebhabern der Kunst, den Ortsgeistlichen, den Söhnen der Mauer, wenn sie das 22. Lebensjahr erreicht hatten, wurden bereits im 15. Jahrhundert der Zutritt zur Bauhütte gestattet. Dadurch bildete sich ein „äußerer Ring“, eine Bruderschaft um die eigentliche Organisation herum. Eine Loge neben der Gewerkschaft, die dann später als das eigentliche Bauhandwerk niederging, zunächst zum „inneren Ring“ wurde, ohne besonderen geistigen Hintergrund, die alten Traditionen hochhielt und sich nach 1717 in neuer Gestalt fortbestehen ließ. Rätselhaft bleibt nur bei dieser Erklärung das rege geistige Leben, dass sie schon bald in der Londoner Großloge feststellen lässt.

Orden der Rosenkreuzer

Hier kommen die anderen Historiker zu Hilfe mit der Hypotheke, dass der „Orden der Rosenkreuzer“ zeitlich mit den Bauhütten in Berührung gekommen sei. Dieser Orten, so sagenhaft auch sein Ursprung ist, war ein Mysterien Bund mit dem Ziele, ein Reich der Tugend, der Gerechtigkeit und Sühne schon auf dieser Welt zu errichten, eine Vermählung von Antike und Christentum herbeizuführen, unter dem schönen Symbol, das auch Goethe in seinem religiösen Humanitäts-Epos, dem Fragment „Die Geheimnisse“ aufgerichtet hat:

Es steht das Kreuz mit Rosen dicht umschlungen.
Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?
Es schwillt der Kranz, um recht von allen Seiten
das schroffe Holz mit Weichheit zu begleiten.
Und leichte Silberhimmelswolken schweben,
mit Kreuz und Rosen sich emporzuschwingen,
und aus der Mitte quillt ein heilig Leben
dreifacher Strahlen, die aus einem Punkte dringen.
Von keinem Worte ist das Bild umgeben,
die dem Geheimnis Sinn und Klarheit geben.

Berufsgeheimnisse

Es wäre denkbar, dass, wie August Horneffer annimmt, die Berufsgeheimnisse (Astrologie, Alchemie, Magie und Medizin). die den Weisheitsbünden zu Trägern tieferer Geheimnisse wurden, mit dem Werksbünden zusammenführten, weil dort auf anderem Wege ähnliche Wahrheiten gefunden waren, die nun mit Mysterien Mitteln gepflegt und fortgepflanzt wurden. Die rosenkreuzerische Arbeit symbolisierte das unbewusste Wachsen in der Natur, das vegetative Hinstreben alles Werdens zu größerer Vollkommenheit; die freimaurerische Arbeit das planvolle Wirken des Menschen, die bewusste sittliche und soziale Tätigkeit, die ebenfalls Vollkommenheit zum Ziel hat. - All das Ausgeführte ist möglich, meinethalben auch wahrscheinlich, aber nicht historisch sicher.

Sicher ist nur, dass bereits unter dem dritten Großmeister Désaguliers, einem geborenen Franzosen, einem außerordentlich fähigen Geist und Freunde Newtons, das Leben geistig-sittlicher Art in den Logen blühte. Er war es auch, der Herzog Franz Stephan von Lothringen, den späteren Kaiser Franz des Ersten, in die Loge einführte. Desgleichen im Jahre 1737 das erste Mitglied des Königshauses von England, Friedrich Prinz von Wales. Ein großer Aufschwung begann mit der Großmeisterschaft des Herzogs von Montagu, des ersten Hocharistokraten, der die Führung der Großloge übernahm. Es war, wie August Horneffer es ausspricht, förmlich so, Als ob eine unsichtbare Macht die besten Männer aller Geistesrichtungen In das Gehege dieser rätselhaften Arbeitsgilde trieb und eine noch weit stärker Macht sie in ihr festhielt und bei allen Gegensätzen der Auffassung zu einer treuen Gesinnungsgemeinschaft zusammenschmiedete. Überall gründeten sich Logen: Noch in den 20er Jahren in Spanien, in Indien, in Frankreich, in Böhmen. In England umfasste die Großloge schon 1732 nicht weniger als 109 Bauhütten. Die Freimaurer zeigten sich an der Öffentlichkeit mit Schurzfell und symbolischen Zeichen, und es war nicht selten, dass die Grundsteinlegung von Kirchen und öffentlichen Gebäuden von Freimaurern vorgenommen wurde.

Als das Freimaurertum nach Deutschland kam

Als das Freimaurertum nach Deutschland kam, hatte sich neben dem englischen Typ, der freundliche Geselligkeit mit Selbstvertiefung und Abkehr von dem Getümmel der Welt verband, bereits der französische Typ herausgebildet der so ganz anders war. Durch die dortigen Bauhütten ging alles hindurch, was damals die Gemüter in Frankreich bewegte. In einer Zeit, da das staatliche Leben schon anfing, alle Zeichen der Zersetzung zu verraten, die breitere Front der Angriffe denen das Freimaurertum dort ausgesetzt war, die Ritterromantik, der wieder aufblühende Mystizismus, die Sturzwellen der neuen philosophischen Ideen, das Grollen und Gären der Politik, all das warf seinen Glutschein in die Freimaurertempel hinein.

Die deutsche Freimaurerei deren Anfangsjahren das Jahr 1737 ist, hat zunächst mit glühender Gier alles Neue aufgegriffen, nur das Politische nicht. Man berauschte sich an allem Seltsamen und Geheimnisvollen, trieb Dinge,die mit der alten schlechten Art der Maurerei gar nichts mehr zu tun hatten, um dann durch mancherlei Irrungen und Wirrungen den freimaurerischen Gedanken vorbildlich für alle Nationen zu vertiefen. Jene Zeit, von der ich ohne Bedenken sage: Es war die dunkle Zeit der deutschen Logen, war vor allem von 2 Mächten beherrscht: von der fixen Idee der Freimaurerbund sei die Fortsetzung des Tempelritterordens. Die Legende erzählte, Tempelritter, die vor der Verbrennung des Großmeisters Jakob von Molay, dem Untergang entronnen sein, hätten 1314 vom letzten Großmeister des hohen Ordens vom Heiligen Tempel, dessen wichtige Geheimnisse als köstlichstes Vermächtnis mitgeteilt erhalten. Diese Geheimnisse seien dann nach Schottland gerettet worden und hätten sich in den dortigen Logen der Freien Maurer durch 4 Jahrhunderte fortgepflanzt. In Deutschland war der Freiherr von Hund und Altengrotkau, der behauptete, von „unbekannten Oberen“ als Heermeister für Deutschland eingesetzt zu sein. Er errichtete ein ganz neues, vom Rittergedanken beherrschtes System ein, das durch seinen Pomp starke Anziehungskraft ausübte.

Das magische und alchimistische Treiben jener Zeit

Neben der fixen Idee des Ritterspiels wurde die damalige deutsche Freimaurerei unheilvoll beeinflusst durch das magische und alchimistische Treiben jener Zeit. Man suchte Elixiere, suchte den Stein der Weisen, das verlorene Wort und diese Geister wussten sich alle an die Freimaurerei heranzumachen. Man war auch in den Bauhütten angekränkelt von dem Gedanken, das Maurertum nicht ein Können und Wollen, sondern ein wunderhaftes Wissen um allerlei Zaubermittel. Ich nenne den Schwindler Graf von Cagliostro, einen Gauner von imponierenden Ausmaßen, der auch in die Zeit der Freimaurerei sich einschlich und mit seiner Erfindung der ägyptischen Freimaurerei mit ihrem 90 Graden das Tollste aufgestellt hat, was an Phantastik je dagewesen ist.

Die dunkle Zeit des Irrtums

Ich nannte jene Tage die dunkle Zeit des Irrtums und bleibe dabei. Es war ein hässliches Zerrbild dessen, was die ganze Bewegung ursprünglich hatte sein wollen. Außerdem aber ist die Geschichte jener Zeit immer wieder die beliebte Fundgrube für die Gegner der Freimaurerei bis in die jüngste Zeit hinein. Mit Recht fragte man, wie es möglich sein konnte, dass geistig selbstständige Männer auf diesen Humbug hineinfielen; wie eine so innerlich begonnene Bewegung soweit sich verirren konnte. Darauf ist zu antworten, dass alle die geschilderten Richtungen, als sie in Deutschland zuerst auftraten, in einem Mantel von edlem Wollen gehüllt waren und vielfach von Idealisten reinsten Wassers getragen wurden. So träumten romantische Gemüter davon, in der strikten Observanz, so nannte sich das System des Freiherrn von Hund, den Tempelherren Orden in seinem einstigen Glanze wieder auferstehen zu sehen, ein neues Kreuzrittertum gegen alles Schlechte in der Welt. Dabei übersahen sie vielfach das veräußerlichte Treiben der ganzen pomphaften Aufmachung. Von der Freude an dem Okkulten aber, waren wie von einem Fieber, auch viele andere bedeutende Leute außer dem Freimaurertum erfasst. Und es ging damals wie heute: Gerade die klügsten Köpfe krochen den Scharlatanen am sichersten auf den Leim und schenkten allerlei Schwindeleien Gehör, die den Glauben an die wahren Geheimnisse zu selbstsüchtigen Zwecken nährten.

Die Großen des Geistes und der Nation

Es wäre nun aber doch irrig, wollte man meinen, dass in diesen verworrenen Zeiten der Quelle freimaurerischen Geistes versiegt wäre. Gerade in dieser Zeit wurden die Großen des Geistes und der Nation Freimaurer. Ich hole hier nach, das Friedrich der Große schon als Kronprinz im Jahre 1739 durch den Grafen Lippe und Graf Kielmannsegg in den Bund aufgenommen war. Er gründete in Berlin eine eigene Loge, aus der später die große National Mutterloge zu den 3 Weltkugeln hervorging und hat sich als König in erfrischender Deutlichkeit zu den Freimaurern bekannt. Um diese Wende des 18. Jahrhunderts sehen wir in der Bruderkette stehen: Lessing, Herder, Wieland, Johann Heinrich Voß, Matthias Claudius, Gottfried August Bürger, Goethe, Fichte, Freiherr vom Stein, Blücher, Scharnhorst, Fürst Hardenberg und andere. Auch manche von ihnen im Tun und Treiben der jeweiligen Loge keine Befriedigung finden konnten, worauf unsere neuzeitlichen Gegner so geflissentlich hinweisen, so ist doch festzustellen, dass jene Männer der Idee der Freimaurerei treu blieben mit allen Fasern des Herzens. Zu klassischen Apologeten unserer Sache wurden Lessing mit seinen Dialogen „Ernst und Falk - Gespräche für Freimaurer“; Herder in seinen „Briefen zur Beförderung der Humanität“ und Fichte in seinem Werke „Philosophie der Freimaurerei, Briefe an Constant“.

Die Reformbewegung der gründlichen Säuberungsaktion

Alle diese Männer waren Wegbegleiter der großen Reformbewegung der gründlichen Säuberungsaktion, die nun einsetzte und die deutsche Freimaurerei zu dem machte, was wir heute ist: zum schlichten, aber ernsten Dienst am Inneren Leben. Man warf beherzt und endgültig allen Aberglauben, die Astrologie, den ganzen Obskurantismus zum Tempel hinaus baute die Hochgrade ab und gab den Symbolen wieder einen klaren Sinn. In der deutschen Maurerei von heute sind grundlegend die 3 Johannesgrade des Lehrlings, des Gesellen und des Meisters. Darüber hinaus wird in einigen Großlogen Einzellogen noch ein vierter Grad bearbeitet, der aber nicht, wie böswillige Gegner immer wieder behaupten, das Vorrecht der freimaurerischen Juden ist, sondern im Gegenteil ausschließlich eine Verherrlichung des Meisters von Nazareth ist. Nur die große Landesloge von Deutschland, in der noch etwas nachklingt von der Tempelritterzeit, baut über den 3 Johannisgraden noch 2 Andreasgrade und 4 Kapitelgrade auf, aber doch auch so, dass diese Grade nicht willkürlich aneinandergereiht werden, sondern ein geschlossenes System bilden, dem eine einheitliche Idee zugrunde liegt.

Die beiden Männer, die dieses Reformwerk des äußeren und inneren Logenlebens vollbrachten, mögen wenigstens dem Namen nach hier genannt sein: Friedrich Ludwig Schröder, Schauspieldirektor in Hamburg, und Ignaz Aurelius Feßler, ehemaliger Kapuziner dann Gelehrter in Berlin.

Der neue Geist

Der neue Geist, der so in die deutschen Logen einzog, äußerte sich als mitbestimmender Faktor an der Wiedergeburt Preußens und der Befreiung vom Joche Napoleons. Die Logen als solche haben auch damals nicht in der in den Verlauf der Dinge eingegriffen, aber sie haben dem Staate Männer geliefert, die dank ihrer sittlichen Schulung in der Loge wertvollste Mitarbeiter waren. Allerorten wirkten Freimaurer an der Aufrichtung des Deutschen Nationalidealismus mit, der freilich etwas anderes war als der Patentpatriotismus mancher heutigen Geister, die an der Phrase sich berauschen und stillere aber echtere Liebe zum Vaterland verdächtigen als nationale Unzuverlässigkeit. Auch die Mauer jener Zeit hatten den Blick auf Welt und Menschheit gerichtet, aber darin lösten sie sich unter Fichte Führung von dem unhistorischen Sinn des 18. Jahrhunderts los, dass sie nicht über das Volk und Vaterland hinweg die Menschheit wollten, sondern durch das eigene Volk. Nationalsein war ihnen nicht mehr wie den großen Geistern der vorhergehenden Epoche Schranke und Hindernis in der Menschwerdung sondern ein wesentliches Mittel dazu. Man erkannte, dass man dem Menschheitsganzen gar nicht besser dienen kann, als indem man die Sonderanlagen des eigenen Volkes ausbildet und so in das Menschheitsgemälde eine bestimmte Farbe hineinzeichnet, die ihm zu Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit verhilft. Man war auch durch die Erfahrungen der napoleonischen Zeit geheilt von dem alten deutschen Irrtum, als ob man ideelle Güter auf die Dauer erhalten könne, wenn nicht die Machtmittel vorhanden sind, sie zu schützen. Einfacher ausgedrückt: Man hatte erkannt, dass es töricht und gefährlich ist, sich des Geistes von Weimar zu freuen, wenn nicht der Geist von Potsdam da ist, der jenem die Existenz sichert. Fichte hat diesen ganzen Gedankenkomplex in die klassische Form gegossen: Weltbürgertum ist meine Idee, Vaterlandsliebe meine Tat.- Ich schließe diesen Abschnitt mit dem Zeugnis eines russischen Offiziers, der in der damaligen Feldloge „Zum Eisernen Kreuz“ die 1813 in der preußischen Armee gebildet worden war, freundliche Aufnahme gefunden hatte.

Kampfplatz der katholischen Kirche gegen unseren Bund

Als letzten bemerkenswerten Abschnitt der deutschen freimaurerischen Geschichte habe ich noch die Zeit der Tarif-Affäre zu zeichnen. Damit betreten wir den Kampfplatz der katholischen Kirche gegen unseren Bund. Über die Ursachen dieses erbitterten Kampfes wird nachher zu sprechen sein. Es genüge hier nur die Bemerkung, dass der Gedanke der Toleranz, der von Anbeginn an zu den Heiligtümern der Freimaurerei gehörte, die Hierarchie auf den Plan rief. Von der Bulle Clemens XII „In eminenti“ vom Jahre 1738 bis zur Enzyklika Leos XIII „Humanum genus“ vom Jahre 1884 hat kein Papst versäumt, die freimaurerische Pest zu verfluchen und ihre Ausrottung zu fordern. Man beschränkte sich nicht darauf, um das Gegensätzliche der ganzen Weltanschauung zu streiten, kein Verbrechen war so gemein, keine Handlung so schmutzig, dass sie nicht den unheimlichen Satansdienern nachgesagt wurden. In katholischen Ländern, wo der Staat sich bereit finden ließ, die Befehle Roms auszuführen, kam er zu grausamen Verfolgungen: das war der Fall besonders in den romanischen Ländern, wo sich auch die viel aggressivere Haltung des dortigen Freimaurertums erklärt, die noch heute zu spüren ist und die sich wesentlich von der Einstellung der deutschen Logen unterscheidet. In dieser Hetze gegen die verruchten Freimaurer seitens der katholischen Kirche schien nun am Ausgang des vorigen Jahrhunderts der entscheidende Schlag der Vernichtung sich anzukündigen.

Leo Taxil

Der damalige Freimaurertöter hieß Leo Taxil. Er war Franzose und hieß eigentlich Gabriel Jogand. In einer Korrektionsanstalt der Jesuiten erzogen, durchgebrannt, Herausgeber frivoler Witzblätter und leidenschaftlicher Bekämpfung des Klerikalismus, freidenkerischer Radikalist - das war der Werdegang des Mannes. Nun kommt das Wunder. Der Mann dieser Vergangenheit wird reumütig und bußfertig, bekehrt sich zur katholischen Kirche und wird getreuester Sohn in der Verfolgung der Freimaurerei. Es erschienen aus seiner Feder eine Menge antifreimaurerische Bücher, in denen er die unglaublichsten Schauergeschichten über das Treiben in den Logen verbreitete. Nach dem Erlass Leo XIII wurden die Bücher begreiflicherweise in Massen verschlungen. Schon in seinem ersten Buch „Die 3 Punkte Brüder“ behauptete er, dass die Freimaurer Teufelskult trieben, dass ihr ganzer Kult nichts anderes sei, als eine Verherrlichung Luzifers. Namentlich die Areopage und Kapitel stehen unter dem Einfluss des Bösen, Luzifers und Eblis, des angeblichen Lichtengels, mit dem die Ritter Kadosh, das heißt Freimaurer des 30. Grades durch Teufelsbeschwörungen Schwarzkünste in direkter Gemeinschaft stehen.

Fantastisches erzählt Taxil auch von unzüchtigen Vorgängen in Frauenlogen und von Meuchelmord, dem er ein eigenes Buch widmet. Katholische Blätter füllen täglich ganze Seiten mit seinen Angaben. Der Papst empfängt ihn in feierlicher Audienz und gibt ihm seinen Segen. In seinem nächsten Werk 1891 schreibt er, in den Satanslogen werden wahre Unzuchtsorgien gefeiert. Luzifer wird aus Prinzip des Guten verehrt, der Gott der Christen als Geist des Bösen geschmäht. Hier beginnt der Kult und die direkte Anbetung des Teufels, die progressive Vertiefung durch die schwarze Kunst, endlich Ehrenbezeigung an den Satan in Gestalt einer Schlange. Der Adept wiederholt die Schwüre des unbedingten Gehorsams gegen die Logenbefehle, was und wann auch immer befohlen wird. Er ruft hierbei Satan als seinen Gott an, er ruft ihn an nach dem Ritual der schwarzen Kunst, er betet ihn an in der Gestalt von Baphomet, einem infamen Götzenbild mit Bocksfüßen, Frauenbrüsten und Fledermausflügeln.

Höhepunkt der Orgien bietet jedes Mal eine Hostienschändung. Hohe Geistliche, besonders der Bischof von Grenoble, wurden die begeisterten Anhänger Taxrils und Unzählige glaubten, dass der amerikanische Freimaurer Pike, der damalige Führer des schottischen Ritus, in Wahrheit der Teufelspapst sei, das in Frankreich 60% aller Logen unter dem Titel einer Frauenloge einen Harem als Anhängsel hätten, dass Satan selbst oft bei den sakrilegschen Orgien den Vorsitz führte und dass er sich bei solchen Gelegenheiten darin gefalle, ein lebendiges Ebenbild Gottes im Kot herumzuziehen. Den Höhepunkt erreichte die ganze Bewegung, als Taril und seine Freunde die Miß Diana Baughan auftreten ließen, ein mysteriöses weibliches Wesen, das angeblich im Jahre 1874 als Tochter des Teufels Bitru geboren wurde.

Diese Dame trat als Schriftstellerin auf. Zunächst gab sie ihre Erinnerung heraus, im Alter von 10 Jahren sei sie dem Satan geweiht, in eine amerikanische Loge aufgenommen worden und dem Teufel Asmodeus angetraut, der ihr als Hochzeitsgeschenk einen mit wunderbaren Kräften ausgestattet gestohlenen Schwanz das Markuslöwen mitbrachte, der um den Hals gelegt, lebendig wurde und Diana küsste!! Allmonatlich veröffentlichte diese mystische Miß Baughan lange Artikel, in denen sie authentische Teufelsurkunden reproduzierte und selbst die Unterschrift des Teufels Bitru vorführte. Alles wurde geglaubt. Die „Civlita Cattolica“, das führende römische Jesuitenorgan rühmte die edle Miß und die anderen mutigen Kämpfer, die oft mit Lebensgefahr als die Ersten den glorreichen Kampfplatz betreten hätten. Von allen Seiten gingen der Miß Baughan begeisterte Briefe zu. Und als sie gar dem Kardinal Parocchi in Rom für einen in Trient abzuhaltenden Anti Freimaurerkongress eine Spende übermittelte, sandte ihr dieser im Auftrag des Papstes dessen Segen.

Besagter Anti-Freimaurerkongress fand dann statt, nicht ohne das deutsche Kleriker ihre Zweifel an der Zuverlässigkeit Taxils und an der Echtheit der Miß Baughan geäußert hätten. Sie wurden niedergestimmt. Der Kongress war ein ungeheurer Triumph für Tarif und seine Entlarvung der Freimaurerei. Da - am Ostermontag 1897 platze die Bombe. Für diesen Tag hatte Taxil eine große Versammlung in den Saal der geographischen Gesellschaft zu Paris einberufen, in der wieder neue Schandtaten der Freimaurer zum Besten gegeben werden sollten. Stattdessen teilte er dem aufhorchenden riesigen Auditorium mit, dass ihm die großartigste Mystification der neueren Zeit gelungen sei, das Miß Baughan niemals existiert, alle Schilderungen über die Untaten der Freimaurerei frei erfunden seien und dass er die Spitzen der katholischen Kirche 12 Jahre lang in der fürchterlichsten Weise an der Nase herum geführt habe. Der Eindruck, den diese Enthüllung hervorrief, war fast noch gewaltiger als der der durch die Mystifikation selbst. Nicht nur in der Versammlung, die mit wüstem Lärm endete, sondern in der gesamten Öffentlichkeit. Von Luzifer, von den Teufeln Bitru und Asmodeus wurde ist eine Zeitlang sehr stille. Die Blamage war zu groß. Aber nur eine Zeitlang. Man soll nicht annehmen, dass der Glaube an den Satanskult der Freimaurer endgültig erledigt sei. Es geht in gewissen Kreisen noch heute um. Und es sind nicht nur etwa die Einfältigen, die sich derlei Dinge einreden lassen.

Es ist noch kein Jahr her, das in der „Semaine religieuse“ von Grenoble das Zeugnis eines französischen Geistlichen abgedruckt war, der erklärte er habe persönlich in einem Freimaurertempel den Satan gesehen.

Diejenigen aber, die die gewaltige Blamage empfanden, der sie sich ausgesetzt hatten, stürzen sich umso intensiver auf die anderen Schandtaten, die in der Enzyklika Leo XIII vom Jahre 1884 angeführt worden waren. Man darf wohl sagen, dass alle die Erdichtungen und Verleumdungen der Freimaurerei auf rein auf politischem, kulturellem und sozialem Gebiet, die heute wieder gegen uns vorgebracht werden, au der Rüstkammer des Klerikalismus stammen; keine schmeichelhafte Feststellung für die Großmächtigen von heute, die sich aus solchen Arsenalen ihre Waffen holen!

Das eigentliche Wesen der Freimaurerei ?

So viel über die wichtigsten Epochen aus der Geschichte der freimaurerischen Bewegung, besonders der deutschen Freimaurerei. Es ist die Geschichte einer Bewegung, die nach einem anfänglichen gesunden Ansteigen sich verirrt in Dinge, die ihr wesensfremd sind, um dann nach der deutschen Maurerei ihre ganze Vertiefung zu erfahren. Bleibt nur die Frage: was ist letzten Endes das eigentliche Wesen der Freimaurerei, so wie die deutschen Klassiker es herausgearbeitet haben?

Die Beantwortung dieser Frage machen uns unsere alten und neusten Gegner leicht, indem sie haarscharf feststellen, was wir nicht sind. Und da bekanntlich der Weg zur klaren Position durch die Negation geht, so sei er von uns beschritten.

Da steht als erste Behauptung der Satz, wir seien ein „Geheimbund“ der entgegen den allgemeinen Gesetzen über Vereine und Organisationen einen Staat im Staate bildete und der wohl Grund haben müsse, sich zu verstecken.

Dem ist zu entgegnen, dass wir gar nicht daran denken, Geheimbund zu sein oder sein zu wollen. Unsere Verfassung und Satzung ist nach den geltenden Vorschriften des Vereinsrechtes eingereicht. Organisation und Geschichte unseres Bundes ist bekannt; eine reiche freimaurerische Literatur über Wesen und Wollen des Bundes ist jedem Außenstehenden leicht zugänglich. Wir versammeln uns nicht im Verborgenen, Ort und Zeit unserer Zusammenkünfte sind bekannt.

Wir führen gedruckte Mitgliederverzeichnisse, die gegebenenfalls staatlichen Organen zur Verfügung stünden. Ja, ich für meine Person wäre dem Manne, der uns zur Zeit am verbittertsten befehdet, recht von Herzen dankbar, wenn er die Mitgliederlisten sämtlicher Bauhütten - so nennen wir die Einzellogen- veröffentlichen wollte; ich würde ihm gerne die Mühe, sie auf unfeine Weise sich zu verschaffen ersparen, und den Antrag stellen, dass wir sind ihm alle zustellen; er würde staunen, wie viele Namen von solchen er finden würde, die, statt für eine Wahnidee redend durch die Lande zu ziehen, dort zu sehen sind, wo die schweigende treue Arbeit an Volk und Vaterland geleistet wird.

Kein Geheimbund

Nein wir sind durchaus kein Geheimbund und wüssten auch gar keinen Grund, warum wir es sein möchten. Wir sind rechtlich nichts anderes, als was jede geschlossene Gesellschaft ist. Will sagen, wir wollen unter uns sein, wenn wir uns zu unseren Arbeiten, das heißt, zu unseren Feiern zusammenfinden. Nicht weil, was wir sagen und treiben, das helle Licht des Tages scheuen müsste, sondern aus demselben Grunde, der die Mysterien Bünde aller Zeiten in die Abgeschiedenheit getrieben hat: Der Wunsch in den Stunden hohen seelischen Erlebnis, fern vom Getümmel und der Neugier der Straße, als Bruder unter Brüdern als Vertrauter unter Vertrauten zu sein. Das wird übrigens jedem befindlichen Menschen in seinem Einzelleben ebenso ergehen. Auf den Gipfelpunkten des Glücks und in den dunkelsten Zeiten des Leids, zieht er sich in die warme Enge der nächststehenden Freundschaft zurück: Nur die Seelenlosen feiern derartige Dinge mit der großen Menge. Was wir im Zusammenhang damit geheim zu halten versuchen, waren lediglich die Formen unseres Brauchtums. Aber auch das ist ja durch Verräter Schriften jedem für billiges Geld zugänglich gemacht worden. Wen die Neugier nicht ruhen lässt, der lese es. Wer aber je mit der Möglichkeit rechnet, Freimaurer zu werden, der unterlasse es, um sich nicht den großen Eindruck dieser Formen und dessen, was sie vermitteln, zu beeinträchtigen.

Geheime Obere

Aber damit lassen uns die Gegner nicht los. Sie nennen uns Geheimbund, weil wir geheime Obere hätten, denen wir blind zu gehorchen hätten. Dieses unglückliche Wort von den „Geheimen Oberen“ ist -das bekenne ich offen- ein schmerzliches Erbe aus jener Zeit, die ich die dunkle Zeit des Freimaurertums nannte. Das war die Zeit der Fantasterei, in der Wohlmeinende und Betrüger, um sich zu legitimieren und ihrer Sendung Gewicht zu geben, sich aus das mirakelhafte Nichtexistierende beriefen. Für jeden Kenner freimaurerischer Geschichte, ist es eine längst erwiesene Binsenweisheit, das es Geheime Obere nicht gibt und nie gegeben hat. Ich bin nunmehr sechs Jahre zugeordneter Meister vom Stuhl dieser Loge. Mir ist aber noch nie dieses Gespenst irgendeines Großkopferten erschienen, nicht einmal im Traum. Ich habe mit meinen Brüdern nur einen Oberen, der aber wirklich nicht geheim aussieht. Er sitzt neben mir und ist uns nicht etwa von irgendwelchen Drahtziehern auf die Nase gesetzt worden, sondern von uns Brüdern jeweils für 2 Jahre gewählt worden. Unser Vertrauen macht ihn zum Führer dieser Loge und hat ihn zum Führer unserer Großloge „Deutsche Bruderkette“ gemacht, nichts weiter und niemand weiter. Dementsprechend ist auch das Verhältnis zwischen dem Führer und den Brüdern durchaus auf Vertrauen aufgebaut und nicht, wie immer wieder behauptet wird auf Kadavergehorsam. Ich habe den Eindruck, dass ich für Kadavergehorsam ganz der rechte Mann wäre!

Sagt man uns: wenn ihr auch nicht von fremden Oberen geleitet werdet - die ganze Bewegung eurer Freimaurerei ist etwas Fremdes, ist englische Erfindung und Importe. Worauf zu erwidern ist, dass die Herkunft aus England nicht notwendigerweise den Wert der Sache herabzusetzen braucht. Ich wünsche unserem Volke noch eine andere englische Importe als sehr notwendig und heilsam: Das ist der selbstverständliche phrasenlose, nationale Stolz den wir nicht haben!

Aber abgesehen davon ist zu bemerken, dass wir eine in allen Nationen gleichmäßige Freimaurerei, etwa nach dem englischen Einheitsmuster, gar nicht haben. Gemeinsam ist allen die Freimaureridee, die aber hat in jedem Volke ihre ganz eigene Ausprägung erfahren.

Die Verschiedenheiten sind etwa so groß wie die zwischen dem Christentum einer modernen protestantischen Großstadtgemeinde und dem einer griechisch-orthodoxen Kathedrale.

Ich darf vielleicht auch die Gewissensfrage stellen: Würde jemand in Leipzig den Mut haben, unsere alten hiesigen Hugenottenfamilien, unter denen übrigens die Familie Dufour-Feronce bei der Gründung unserer Loge im Jahre 1741 beteiligt war, - Würde jemand den Mut haben, diese Familien als französische Importen gering zu schätzen-, also mit der Herkunft einer Sache und eines Menschen ist gar nichts über deren Wert gesagt. Dann müsste ja alles Urdeutsche um deswillen gut sein, eine logische Folgerung. Urdeutsch ist, was ein Mann mit großem Namen in der Gegenwart tut, indem er 70 000 Männer in Deutschland, die ebenso ehrenhaft sind wie er, als Gesinnungslumpen oder als Trottel hinstellt. Das ist jener „Furor teutonicus“, von dem Tacitus sagt, dass er, dieser blinde Hass auf den anderen Volksgenossen von jeher dem äußeren Feind den Sieg in die Hände gespielt habe, der ihm einem geeinten Volke gegenüber unmöglich gewesen sein würde. Urdeutsch ist das, aber leider noch immer eine Todsünde an der nationalen Einheit!!

Aber halt! Wir sollen doch die Totengräber der nationalen Einheit, ja des nationalen Gedankens überhaupt sein, weil wir das Wort „Humanität“ auf unserer Fahne stehen haben, sollen wir für vaterländische Belange weder Sinn noch Herz haben, sind wir die vaterlandslosen Gesellen. Ja mehr noch; Wir haben uns dem Juden mit Haut und Haar verkauft und wollen ihm helfen, auf den Trümmern der Nationen eine alte jüdische Weltrepublik aufzurichten. Das ist ein Konglomerat von Vorwürfen und Anklagen, über dessen Sinnlosigkeit ich am liebsten lauthals lachen würde. Aber da in unserer so aufgeklärten Zeit nichts zu dumm ist, um nicht geglaubt zu werden, so muss man das Dumme immerhin mit Ernst behandeln. Der Jude hat es ja dem Volksbeglücker von heute überhaupt angetan; Er bildet den wesentlichen Punkt in den heißatmigen Programmen der nationalen Erlösung. Nun ich bin gewiss kein Philosemit und bin durchaus dafür, dass die jüdische Vorherrschaft auf gewissen Gebieten, namentlich in der Presse abgebaut und ihr Einfluss auf das Maß zurückgeschraubt wird, das dem Juden nach seiner Bevölkerungszahl zusteht.

„Judaitis“

Wenn sich aber die „Judaitis“ zur Epidemie auswächst, die das Sehvermögen bedenklich trübt oder ganz aufhebt, so dass man andere Schuldige überhaupt nicht mehr sieht, am allerwenigsten eine Schuld bei sich selbst, so gehört das als Epidemie eben aufs pathologische Gebiet. Wie oft soll man wiederholen, dass die drei altpreußischen Logen überhaupt nur Christen aufnehmen und dass die Zahl der jüdischen Mitglieder in den anderen, den sogenannten humanitären Großlogen, nicht ganz vier von Hundert beträgt. Unsere Loge Minerva, eine der ältesten deutschen Logen und zu dem zu den Humanitären gehörig, hat trotzdem unter ihren 500 Mitgliedern nicht einen einzigen Juden!

Von irgendwelchem maßgebenden Einfluss der Juden kann unmöglich die Rede sein. Nun aber weißt man auf unser Ritual hin und fragt höhnisch: Ist das nicht alles jüdisch, was ihr da sagt und tut? Der Tempel Salomonis ist das Sinnbild eures Bundes, eure geheimen Worte sind der Geschichte Israels entlehnt. Und man höre und schaudere bei diesen Worten des Gegners, der den großen Namen trägt - der Schuz, den ihr tragt, das ist der Aarons Schurz des jüdischen Hohepriesters, und wenn euch bei der Beförderung zum Meister der Schurz plötzlich abgerissen wird, das ist die Beschneidung zum künstlichen Juden!! - Es ist nicht ganz leicht, solchen Anwürfen gegenüber ruhig zu bleiben; Wir wollen es trotzdem sein. Dass wir im Ritual und Symbolik mancherlei Alttestamentliches haben, ist durchaus richtig, aber alttestamentlich und „jüdisch“ wie unsere Gegner es meinen, ist wahrlich nicht dasselbe. Wir müssten alle, die alttestamentliche Namen tragen, auch natürliche oder künstliche Juden sein, und dazu gehören nicht bloß die Moses und Isaak sondern auch die Jakob und Adam und Sofias (von Heringen!), ja auch die Joachim und Jochen und Ruth und Eva! Gerade aus dieser Namensgebung ergibt sich der wahre Sachverhalt. In früheren Zeiten, noch in unserer Kindheit, stand das Alte Testament als Vorstufe des Neuen in ganz anderer Wertschätzung, den alten Steinmetzgilden zumal war der Tempel Salomos als der erste monotheistische Tempel etwas besonders Heiliges. In reformierten Landen, wie in Holland, ist auch heute noch die Schätzung des Alten Testamentes weit höher als bei uns, und der gute Abraham Dürninger, dessen Zigarren jeder kennt und mancher gerne raucht, war nicht Jude, sondern Herrnhuter Christ. Es ist eben eine böswillige Taschenspielerei, alttestamentlich mit jüdisch in Eins zu setzen. Was aber den Aarons Schurz betrifft, so hat außer dem Mann mit dem großen Namen, noch niemand in der Bibel etwas von einer einem solchen Schurze entdeckt. Die Bibel weiß nur von einem Schulterkleid Aarons und seiner hohenpriesterlichen Nachfolger. Das Abreißen eine Schulterkleides aber mit einer Beschneidung in Beziehung zu bringen, dürfte wohl aus anatomisch räumlichen Gründen ausgeschlossen sein. Nein nein, verehrte Herren Gegner, wir tragen nicht den Schurz Aarons, auch nicht sein Schulterkleid, noch weniger werden wir beschnitten zum künstlichen Juden, vielmehr tragen wir den Schurz der alten Werkmaurer. Übrigens hat meines Wissens nur eine Großloge die Sitte, dem werdenden Meister den Schutz abzunehmen. Er wird ihm aber nicht weggerissen, sondern von einem Logenbeamten abgefordert mit der Begründung, der Betreffende müsse sich ihn erst neu verdienen (Zur Sonne). Also mit der Beschneidung ist es auf der ganzen Linie nichts! Wenn man uns nun sagt, wir möchten doch, um den eben angegebenen Verdächtigungen den Boden wegziehen, auf die alttestamentlichen Bräuche verzichten und uns neuzeitliche zulegen, so antworte ich darauf: Ich lasse mir nicht von unbelehrbaren Gegnern das Gesetz meines Handelns vorschreiben; das verbietet mir mein maurerischer Stolz!

Wie aber steht es mit jenem Vorwurf, wir Maurer könnten, weil wir dem Humanitätsgedanken huldigen, nicht vaterländisch gesinnt sein. Nun war der große Preußenkönig ein schlechterer Patriot als die privilegierten Vaterlandshüter von heute? Oder wagt es einer, an der nationalen Zuverlässigkeit eines Blücher, vom Stein, Hardenberg oder Hippel zu zweifeln, der damals den „Aufruf an mein Volk“ verfasst hat? Gibt es wirklich nur ein Entweder - Oder zwischen Humanität und Nationalismus? Das würde ja bedeuten, dass uns zwischen Christentum und Nationalismus nur die bittere Wahl bliebe. Denn dass das Christentum Humanität zum Ziele hat, dürfte unter allen denen feststehen, die sich die Mühe gemacht haben, durch das Christentum der festlichen Gelegenheit durchzudringen zu dessen innerstem Wesen.

Der Geist des Christentums sucht den Menschen; darüber kann kein Zweifel sein. Ist es darum in der Gefolgschaft dieses Geistes verwehrt oder unmöglich, das Nationale zu lieben und zu fördern? Die Antwort darauf hat uns, wie ich vorhin schon erwähnte, der größte Philosoph des deutschen Freimaurertums Fichte gegeben. Er hat die große Synthese gefunden: Weltbürgertum ist meine Idee, Vaterlandsliebe meine Tat. Er hat also gemeint, gerade durch die Tat einer echten Vaterlandsliebe dem Menschheitsganzen am besten dienen zu können. Ja, wäre das nicht ein Ziel, des Schweißes der Besten wert, dass in jeder Nation ein Edeltrupp solcher gebildet und erzogen würde, in denen das Beste der betreffenden Nation sich sichtbar darstellte, das Beste nicht im Sinne der Eigenheiten, sondern der Eigenart des betreffenden Volkes? Glaubt man nicht, dass durch eine solche Erziehung der Menschheit tausendmal mehr genützt würde, als mit dem Völkerbund, diesem ominösen Mittel zur Verewigung des letzten Krieges? Erzogene Völker sind die beste Gewähr für vernünftiges Zusammenleben. Früher hat man geglaubt, durch Wissen die Völker zu befrieden, ein bedenklicher Irrtum. Wir meinen nicht Wissen, sondern Bildung, die durch Erziehung erworben wird. Wenn es der Freimaurer gelänge, in jedem Volk auf diese Weise mit ihren Mitteln einen Edeltrupp geistig selbstständiger, sittlich vollwertiger Menschen zu erziehen, ich möchte wissen, wer das tadeln wollte! Dabei würden Sie alle doch ihrer Nation geben, was sie ihr schuldig sind. Wir haben keine politischen Weltbeherrschungsgelüste internationaler Art; wer das für möglich hält, misst dem Freimaurertum eine Aktionsfähigkeit bei, die es gar nicht hat; man könnte beinahe sagen „leider“. Was wir wollen, ist nur geistiger, sittlicher Art, und das kann unmöglich im Widerspruch zu Vaterlandsliebe und nationaler Treue stehen.

Wie sinnlos die Behauptung von internationalen politischen Machenschaften der Freimaurerei ist, lässt sich an einem Beispiel aus der neuen Geschichte dartun: Englands und Frankreichs Maurer sollen den Sieg gegen uns gemacht haben, so behauptet Wichtel, einer der Freimaurertöter der vorigen Jahre. Er, bei seinem Spürsinn in freimaurerischen Dingen, hätte wissen müssen, dass die englischen Logen schon seit 1872 die Beziehungen zum Großorient von Frankreich abgebrochen haben, und zwar wegen einer Differenz auf religiösem Gebiete. Dagegen waren die seit dem Siebzigerkrieg aufgehobenen Verbindungen zwischen französischen und deutschen Großlogen im Jahre 1909 wieder aufgenommen worden. Wenn also Freimaurer die Kriegsmacher gewesen wären, hätten die Gruppierung der Mächte ein wenig anders ausfallen müssen. Dann mussten Frankreich und Deutschland zusammen stehen. Man sieht, bis zu welcher Verblendung das Vorurteil gegen die Freimaurerei ganz gescheite Leute führen kann.

Was übrigens an internationalen Beziehungen der Freimauer vorhanden ist, ist durchaus unpolitischer Natur und beschränkt sich im Wesentlichen auf gegenseitige Anerkennung und Höflichkeitsakte, wie sie auch in anderen Organisationen üblich sind, die über Landesgrenzen hinaus greifen, wie in Kunst und Wissenschaft, nicht zu vergessen in der ökonomischen Kirchenbewegung und im Sport, der jetzt ja jetzt das Internationalste vom Internationalen ist! Das seit dem Ausbruch des Krieges die Beziehungen zu den Feindstaaten und ihrer Freimaurerei ruhen, brauche ich kaum zu erwähnen. Die Großlogen haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass von irgendwelchen Verhandlungen keine Rede sein könne, solange noch ein einziger fremder Soldat auf deutscher Erde stehe. Der Schritt, den im vorigen Jahre einige deutsche Freimaurer ohne Auftrag unternommen haben, indem sie sich aus Fühlungsnahme mit französischen Maurern suchten, ist offiziell missbilligt worden. Übrigens haben Sie damit nichts anderes getan, als was der Jungdeutsche Orden auch versucht hat, und ich habe nicht gehört, dass man sich darüber sonderlich aufgeregt hätte. Wenn zwei dasselbe tun, ist es eben doch nicht dasselbe.

Ich schließe diesen Abschnitt über unsere Einstellung zu vaterländischen Dingen, mit der ganz selbstverständlichen Bemerkung: Wenn ich, dessen nationale Einstellung Ihnen allen bekannt sein dürfte, in den zehn Jahren meiner Zugehörigkeit zur Loge auch nur irgendetwas entdeckt hätte, was mit der Ehre eines bewusst deutschen Mannes nicht zu vereinbaren ist, ich hätte fünf Minuten nach der Entdeckung meinen Austritt erklärt. Denn um es einmal zu erwähnen -auch das ist möglich, dass man aus der Loge austritt. Und wer das aus irgendwelchen Gründen tut, braucht nicht etwa, wie die Märchenerzähler fabeln, zu befürchten, dass er von den Drei Punkte Brüdern aus Rache gemeuchelt oder mit heimlichem Gift beseitigt werde. Dieses letztere hat noch vor zwei Jahren der bekannte Schriftsteller Lhotzky behauptet. Diesem Verleumder habe ich damals geschrieben, dass solange er kein Beweis für seine unerhörten Anschuldigungen bringe, ich ihn in der Öffentlichkeit, als das hinstellen müsse, was er ist, als ein Brunnenvergifter schlimmster Art und gewissenlosen Lügner, was ich hiermit auch in dieser Versammlung getan haben möchte, nachdem bis heute jeder Versuch eines Beweises ausgeblieben ist!!

Wäre nun noch über unsere Stellung zur Religion und Kirche zu reden. Zur Entkräftigung des Vorwurfs, der uns von katholischer und orthodox- protestantischer Seite gemacht wird, dass wir Feinde der Religion oder doch wenigstens religiös indifferent seien, müsste eigentlich die Tatsache genügt, das unserem Bunde trotz päpstlicher Bannflüche hohe geistliche Würdenträger angehört haben und dass ihm in der Gegenwart eine Reihe evangelischer Geistlicher, zum Teil mit bekannten Namen angehören. – Aber wir müssen uns vergegenwärtigen, woher dieser Vorwurf ursprünglich stammt, um ihn verstehen zu können. Die Bulle des Papstes von 1738 erhebt ihn zuerst an der Öffentlichkeit unter Berufung auf den Satz der ältesten freimaurerischen Urkunde, der das religiöse Programm des Bundes enthält. Er besagt, dass die Freimaurer sich zu der Religion bekennen, in der alle Menschen übereinstimmen, und damit meinte man, wie es auch stets aufgefasst worden ist, die allgemeinen Grundsätze der monotheistischen Religionen. Dass hierbei die Aufklärung Pate gestanden, haben wir zu leugnen nicht den mindesten Anlass. Uns ist das Zeitalter der Aufklärung nicht bloß die Zeit gemütsarmer Seichtigkeit, wie sie in gewissen Kreisen pharisäerhaft dargestellt wird, sie ist uns auch und vor allen Dingen jene Zeit, die belehrt durch die Gräuel der Religionskriege, die Reformation des 16. Jahrhunderts fortführte und vollendete, die auf halbem Wege steckengeblieben war.

Die Aufklärung hat uns das hohe Gut der Gewissensfreiheit und der Toleranz gebracht, das sollte ihr bei Anerkenntnis aller ihrer Schwächen nicht vergessen werden. Damit aber ist etwas Antikatholisches, nein, besser gesagt, etwas Antiklerikales gesagt. Die klerikale Weltanschauung ist die der Alleinigkeit und Ausschließlichkeit, nicht der Mannigfaltigkeit: „extra ecclesiam et eius doctrinam nulla salus“. Rom musste uns bekämpfen, wenn es sich nicht selbst verleugnen wollte, und Rom wird uns bekämpfen, solange es einen einzigen Freimaurer auf Erden gibt. Und soweit die protestantische Kirche im obigen Sinne klerikal eingestellt ist, wird sie das gleiche tun. In Wirklichkeit liegt die Sache so, dass gerade die deutsche, ebenso wie die angelsächsische Freimaurerei stark religiös untermauert ist; und von unseren Führern wird immer wieder mit allem Nachdruck erklärt, dass ohne dieses Fundament Freimaurerei im besten Sinne gar nicht möglich sei. Ich wusste wohl aus der freimaurerischen Literatur, schon ehe ich in die Loge eintrat, dass dort das Frommsein eine bedeutende Rolle spielte, habe mich aber mit Freuden überzeugt, dass das gesamte Leben und Treiben in den Bauhütten religiöses Gepräge hat. Freilich pflegen wir keine lehrhafte Frömmigkeit, stehen im Dienste keiner Dogmatik. Die religiöse Gesinnung ist uns das Bindende; wie der Einzelne für sich über diese Gesinnung hinaus lehrhafte Anschauungen und Vorstellungen schafft, ob er sie sich überhaupt schafft, das bleibt ihm überlassen. Unsere sittlichen Grundsätze, die sich am besten immer wieder in den drei Imperativen ausdrücken: Erkenne dich selbst! Beherrsche dich selbst! veredle dich selbst! - führen uns hin zu der sittlichen Macht, die wir in unserer Maurersprache nennen: den „Allmächtigen Baumeister aller Welten“. Mit dieser symbolischen Bezeichnung, die ich für das Schönste unserer Symbole halte, wollen wir von Gott aussagen, dass er die ewig aufbauende Macht des Universums ist, nicht bloß in der natürlichen, sondern auch in der geistig-sittlichen Welt, und dass wir uns von ihm auf den Bauplatz gerufen fühlen, um in der Richtung und nach dem Plane seines Schaffens an unserem bescheidenen Teile zu wirken und zu bauen, ganz im Sinne des Pauluswortes aus dem Römerbrief: Wir Menschen sind Gottes Mitarbeiter bei diesem Streben ist uns Jesus von Nazareth, auch uns humanitären Logen, Der große Meister, aus dessen Weisheit und Reinheit wir schöpfen. Gerade der Gedanke des Bauens verpflichtet uns Maurer immer wieder, nicht sentimentale Spielereien in unserem Logenfeiern zu treiben, sondern die in der Feier gewonnene Seelenkraft in Arbeit umzusetzen in Familie, Beruf, Kirche und Staat. Damit hängt freilich auch das andere zusammen, dass unsere Frömmigkeit im Allgemeinen eine stärkere Diesseitigkeit besitzt, als das wohl sonst üblich ist. Wir hoffen nicht erst hinter diesem Leben wertvolle Bauarbeit leisten zu können, sondern auch in ihm. In dieser Auffassung liegt auch unsere religiöse Wertung der Freude, des Schönen in der Welt, begründet, gewiss kein unwesentlicher Zug, wenn man erst einmal begriffen hat, das es frommer ist, in hohen, freien leuchtenden Stunden beglückenden Erlebens in anbetender Dankbarkeit die göttlichen Spenderhände zu küssen, als sich von der quälenden Angst an Gott erinnern zu lassen. Im hohen Erleben wir denken wir des Jesuswortes: Was ihr den Geringsten tut, das habt ihr mir getan. Dass wir Wohltätigkeit üben, um dieses etwas abgegriffene Wort zu gebrauchen, so ist das nicht, wie unsere Gegner behaupten, die hohe Geste mit der wir Eindruck machen wollen, sondern einfach eine selbstverständliche Äußerung unseres inneren Lebens. Aus diesem Grunde wird es mir auch schwer zu sagen, was doch einmal gesagt werden muss. Es ist eine bewusste Unwahrheit, die in dem Vorwurf liegt, wir sorgten nur für unsere Brüder und trieben eine systematische Protektionswirtschaft. Dass wir uns zunächst unseren Nächsten verpflichtet fühlen, darin unterscheiden wir uns von keinem anderen Verband; auch darin nicht, dass wir bei gleichen Voraussetzungen in geistiger und sittlicher Eignung den Bruder empfehlen, wenn er uns darum angeht. Aber es ist eine arge Verkennung der wirklichen Verhältnisse, wenn man die Loge für eine Versicherung auf Gegenseitigkeit, oder für eine Versorgungsanstalt erklärt. Wer mit solchen Gedanken in die Loge kommt, wird ein bösen Katzenjammer erleben. Nein, unser Helfen bezieht sich auf jede wirkliche Not, der wir abhelfen können, leider Gottes ist das Helfen zur Zeit allgemein eine verzweifelt schwere Sache.

Doch zurück zum Religiösen in der Freimaurerei! Dass wir den Kirchen feindlich gesinnt seien, ist so irrig, dass vielmehr das Gegenteil richtig ist. Ich weiß von manchem Bruder, dass er sich erst durch die Loge zum Religiösen und auch zur Kirche wieder zurückgefunden hat. Auch ist es eine bekannte Tatsache das in den Kirchenvorständen die freimaurerischen Mitglieder nicht die schlechtesten und faulsten sind. Wenn nun aber gelegentlich ein Freimaurer das vielgescholtene Wort ausspricht, dass ihm die Loge seine Kirche sei, so braucht die Schuld daran nicht ohne weiteres bei ihm zu liegen; sie könnte ja auch bei der Kirche liegen, die es vielleicht nicht mehr versteht, zum Menschen unserer Zeit zu reden.

Und nun stellt sich im Logentum diese ganze religiöse und sittliche Arbeit des Maurers an sich und den Brüdern in symbolischen Worten, Dingen und Handlungen dar und in rituellen Ordnungen. Diese Symbolik der Arbeitsweise unterscheidet unsere Gesinnungsgemeinschaft von allen anderen. Wir sind der Meinung, dass diese alten schlichten Symbole, gerade dann, wenn sie sich fernhalten von, überspöniger Deute Sucht, wenn sie nicht ins Kraut wuchern, imstande sind, unmittelbarer und eindringlicher zu wirken, als das in der Abstraktion der Rede möglich ist. Freilich muss man dafür das innere Organ mitbringen, das erfahrungsgemäß nicht allen Naturen eigen ist. Ich glaube zwar, dass von Haus aus Jeder damit begabt war, dass es über diesem und jenem, unter der Plackerei des Alltags, unter dem Jagen nach griffigen Werten, in der Spielerei mit Albernheiten, verloren gegangen ist. Willst du uns kommen will, muss noch mehr lebensfähig sein. Blasierte und Verbrauchte werden sich vom ersten Augenblick an fremd unter Fremden fühlen. Wer aber kommt mit einer zu Ehrfurcht und zu großem Erleben fähigen Seele, der wird Sonntagsstunden, nein Gipfelstunden in diesen symbolisch bestimmten Feiern finden. Wenn der Träger des großen Namens, der uns jedes Halbjahr für endgültig vernichtet erklärt, die Symbolik als öde oder lächerlich verspottet, so kann ich darauf am besten mit den Worten eines zeitgenössischen freimaurerischen Schriftstellers antworten, der gesagt hat: Das Brauchtum ohne das Erlebnis seiner ethischen Bedeutung, ohne schöpferisches Mitschaffen, muss den nicht Eingeweihten so leer anmuten, wie das Lesen einer Partitur denjenigen, in dessen Seele sich die Notenbilder nicht sofort zu Akkorden und Harmonien formen. Ich wende mich an die Akademiker unter ihnen, soweit Sie Farbenstudenten sind, und frage Sie: Was musst du ein Nichteingeweihter denken, wenn sie ihm den Hergang des Landesvaters erzählen? Den Landesvater muss man sehen ,nein, man muss ihn mitstechen, dann erst hat man ihn verstanden. Darum ist es ja auch nicht von ungefähr, dass der Träger des großen Namens auch gegen diese studentische Symbolik Sturm gelaufen ist und sie glücklich zum Gegenteil dessen gemacht hat, was sie sein will: Der Landesvater ist nach seinen Forschungen die Verhöhnung der landesherrlichen Gewalt, ist eine jüdische Erfindung! Die Fähigkeit hat der Mann jedenfalls nicht, von der jenes Zitat sprach; ihm formen sich nicht beim Lesen der Partitur die Notenbilder zu Akkorden und Harmonien; er sieht hin auf die Bilder, die er nicht begreift, starrt auf sie hin, bis er izwischen die Notenköpfen den unausbleiblichen Kopf des ewigen Juden heraus grinsen sieht.

Meine Herren! Ich darf alles bisher Gesagte zusammenfassen in die Sätze: Wir deutschen Freimaurer sind Männer, die sich zu einem Gesinnungsbund zusammenschließen, der auf religiöser Grundlage an der Vervollkommnung des sittlichen Charakters arbeitet und sich dabei wesentlich symbolischer Mittel bedient. Er hat die Erziehung des Menschheitsganzen als Ziel vor Augen, bekennt sich aber mit ganzer Liebe zum eigenen Volkstum und Vaterland im Sinne Fichtes. Innerhalb des Volkes glaubte er, ein Vorbild einer Einigung zu sein, die, den dogmatischen und konventionellen Schranken entwachsen, Männer verschiedener Konfessionen und verschiedener Berufe zu gegenseitiger Ergänzung zusammenführt. Gerade angesichts der heillosen Zerrissenheit unseres Volkes möchte man darum fragen: Wenn es noch keine deutsche Freimaurerei gäbe, so müsste sie erfunden werden!!

Meine Herren! Ich hatte mir vorgenommen, Ihnen neben dem geschichtlichen und dem grundlegenden Teil meiner Ausführungen über das Wesen unseres Bundes in einem dritten Teile Einiges aus der Praxis unserer Arbeitsweise zu bieten, vielleicht auch ein paar Daten aus der fast 200-jährigen Geschichte unsere engeren Kette der Loge Minerva zu den 3 Palmen, die übrigens die Mutter der ihn allen bekannten „Harmonie“ (angesehener geselliger Klub in Leipzig) ist. Ich muss es mir versagen um der Kürze der Zeit willen, bin aber gern bereit ,falls diesbezügliche Wünsche geäußert werden, nachher im Rahmen unseres geselligen Beisammenseins zwanglos ein wenig darüber zu plaudern. Ich schließe meinen Vortrag mit einem persönlichen Bekenntnis, das ich unserer Sache schuldig zu sein glaube. Dies ist mein Bekenntnis: Sowohl als Nehmender wie als Gebender, liebe ich meine Loge und ihre freimaurerische Kunst wie man etwas liebt, ohne dass man nicht mehr leben kann. Die beiden Tage meine Aufnahme in die Loge und meine Meister Beförderung gehören zu den ganz großen, meines gewiss nicht ereignisarmen Lebens. Die ganze Welt unseres maurischen Wollens und Wesens, ist meiner Seele eine Heimat geworden, was der kein noch so ein erbitterter Kampf gegen die Freimaurerei sie zu vertreiben vermag. Ich habe mir in unserer Bauhütte so viel echte Freude das Herzens geholt, die wir brauchen, um nicht im Sklaventum mechanischen Arbeitens unterzugehen, habe auch so viel seelische Kraft mir von dort geholt, für Zeiten schweren Leides, dass ich mir mein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen kann. Und die Freundschaften, die auf dem gemeinsamen Grunde unserer sittlichen Idee geschlossen worden sind, mit diesem und jenem einzelnen Bruder, sind Blutsbrüderschaften, die durchhalten bis ans Ende unserer Tage. Als Gebender aber freu ich mich, meiner Bauhütte als einer Seitenkapelle meiner Kirche, wo freie, von Vorurteilen unbeschwerten Geister sich willig und dankbar hinführen lassen zu den ewigen Brunnen, aus denen wir schöpfen müssen, wenn unser Menschsein nicht zu seiner eigenen Karikatur werden soll.

Und wüsste ich nicht aus eigenem innerstem Erleben, wie etwas Großes es ist um unsere Sache, die Zahl und die verbissene Wut unserer Feinde müssten es mir sagen. Wohlan, mitten in Tagen die durchtost sind vom Kampfgeschrei gegen das freimaurerische Verbrechen:

Sei mir aus Herzensgrund gegrüßt, du königliche Kunst!