Rezension: Robert A. Minder - Auf den Spuren der Freimaurer in Wien

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Das Buch enthält nicht nur Text, sondern auch mehr als hundert Illustrationen aus Geschichte und Gegenwart der Wiener Freimaurer.
Dieser Stich zeigt das seinerzeitige kaiserliche Naturalienkabinet (eine naturwissenschaftliche Sammlung), dessen Dachboden in den Revolutionswirren 1848 abbrannte. In diesem Dachboden hatte die kaiserliche Obrigkeit auch die ausgestopfte Haut des Schwarzafrikaners Angelo Soliman deponiert, eines Freimaurers aus dem späten 18. Jahrhundert. Schon damals waren solche „exotischen Konservierungen“ sehr selten, und heute empfinden wir: dank des revolutionären Feuers hat Bruder Angelo endlich seine ewige Ruhe gefunden.

Die Vermessung Wiens:
Ein masonischer Stadtführer

Es gibt im deutschen Sprachraum Städte, die auf eine reichhaltigere und vor allem auch kontinuierlichere freimaurerische Vergangenheit zurückschauen als Wien; nicht zuletzt deswegen, weil die Habsburger, die in Österreich bis 1918 herrschten, Freimaurerlogen während des ganzen 19. Jahrhunderts und bis zum Ende des Ersten Weltkriegs verboten haben. Es wird sich aber kaum eine Stadt mit einem so akribisch bis ins letzte Detail recherchierten freimaurerischen Stadtführer schmücken können, wie das in Wien durch dieses Buch jetzt möglich geworden ist. Von Rudi Rabe.

Der Autor Robert Minder war vor einigen Jahren Chef des Archivs der Großloge von Österreich. Spätestens damals begann er, die vielen Unterlagen zu sammeln, die ihm schließlich zum Rohstoff für dieses Werk wurden: ein Buch über die vielen großen und kleinen Spuren des Freimaurerlebens in der österreichischen Hauptstadt seit dem frühen 18. Jahrhundert bis heute.

Drei Führungen durch die Innenstadt

Das Herzstück des Buches sind drei auch als solche bezeichnete Stadtführer: drei Wege durch die Wiener Innenstadt vorbei an vielen Örtlichkeiten und Adressen, die etwas mit Freimaurern oder Logen zu tun hatten oder immer noch haben; natürlich jedesmal angereichert mit den für das Verständnis notwendigen Informationen.

✔︎ Der erste Weg bezieht sich auf das 18. Jahrhundert, dessen letztes Drittel oft als das Goldene Zeitalter der frühen Wiener Freimaurerbewegung bezeichnet wird. Auf dieser Route werden mehr als ein Dutzend Örtlichkeiten angesteuert: vom großen Denkmal der Regentin Maria Theresia, die von Beratern umgeben ist, von denen manche Freimaurer waren, bis zum Mozarthaus hinter dem Dom.

✔︎ Der zweite Weg widmet sich singulär Mozarts Wohnungen. Er führt entlang seiner sage und schreibe vierzehn Adressen, die der Komponist in seinen nur zehn Wiener Jahren 1781 bis zu seinem frühen Tod 1791 angemeldet hatte. 1784 wurde er in die Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen. In den wenigen Jahren, die ihm dann noch blieben, schrieb er seine Freimaurermusiken und schließlich die Zauberflöte.

✔︎ Der dritte Weg konzentriert sich auf das 20. und das 21. Jahrhundert, ein Zeitraum, den man ab dem Zweiten Weltkrieg als zweite Blüte der österreichischen Freimaurerei bezeichnen könnte. In dieser Zeit gab es zwei wesentliche Logenhausadressen: zuerst in der Dorotheergasse und dann ab Mitte 1985 in der Rauhensteingasse. Robert Minder beschreibt diese "Grätzl" (wienerisch für die unmittelbare Umgebung) bis ins anschauliche Detail.

Kurzbiographien, Straßennamen
und masonische Domizile

Diese drei Anleitungen für Rundgänge in der Innenstadt werden dann in einem umfangreichen Anhang durch weitere Informationen ergänzt:

✔︎ Kurzbiographien von 78 Wiener Freimaurern: historische Namen und Namen aus der jüngeren Geschichte. Auch mit kleinen Überraschungen - etwa: Max Kreisky und dessen Bruder Otto, also der Vater und der Onkel des früheren österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky; sie waren Freimaurer.

✔︎ Alle 157 Gassen, Straßen, Plätze und Parks, die nach österreichischen oder ausländischen Freimaurern benannt sind: von Aignerstraße bis Zwillinggasse; und damit das Sinn macht natürlich jedesmal mit einer Mikrobiographie des Namensgebers.

✔︎ Eine alphabetische Sammlung von 33 ganz kurzfristigen oder auch längerfristigen masonischen Domizilen: beginnend 1742/43 mit der ersten Wiener Loge Aux Trois Canons, deren Brüder sich jedesmal woanders trafen, bis zum heutigen Sitz der ‘Großloge von Österreich’, die inzwischen seit mehr als drei Jahrzehnten in der Rauhensteingasse beheimatet ist. Die mit großem Aufwand recherchierte Liste ist eine persönliche Gabe des 2014 verstorbenen österreichischen Freimaurerforschers Günter Kodek an Robert Minder für dessen damals langsam im Werden befindliches Buch.

Die österreichische Freimaurergeschichte
von 1742 bis 2019

Wie jeder gute Führer enthält natürlich auch dieser eine fundierte Einführung in das Thema. In dem Buch mit gut 200 Seiten ist dies die erste Hälfte. Darin behandelt Robert Minder nach einer kurzen Klärung der Frage, was Freimaurerei ganz allgemein ausmacht (als Gastbeitrag geschrieben von Großmeister Georg Semler), die Geschichte der Freimaurerbewegung in Wien von den Anfängen 1742 bis in die Jetztzeit.

Die Gegenwart der Wiener Freimaurerei wird dominiert von der 1918 gegründete Großloge von Österreich mit mehr als 3.600 Mitgliedern und 80 Logen (2019), davon zwei Drittel in Wien. Aber auch die fünf kleineren bis viel kleineren sogenannten Obödienzien werden vom Autor angeführt.

Dieser geschichtliche Teil zeichnet sich nicht nur durch eine gute Chronologie aus, sondern auch dadurch, dass Robert Minder nicht wenige Originaldokumente zitiert, von denen auch kundigen Lesern zweifellos nicht alle bekannt sein werden.

Im Vorwort zum Buch vergleicht Robert Minder das Selbstverständnis der zeitgenössischen österreichischen Logen mit anderen freimaurerischen Kulturen:

"Die österreichische Freimaurerei war immer schon anders und ist es bis heute geblieben.
Sie ist nicht wie die deutsche, die von der herrschenden Klasse bestimmt war: beinahe alle Regierenden der Fürstenhäuser waren Freimaurer, wie auch alle preußischen Könige bzw. Kaiser mit Ausnahme des letzten.
Sie ist nicht wie die französische, die eine politische ist, tagespolitisch Stellung bezieht und Politik mitbestimmen will.
Sie ist nicht wie die italienische, eine antikatholische und revolutionäre, die aktiv gegen Rom und für eine Einigung Italiens gekämpft hat.
Die österreichische Freimaurerei war und ist obrigkeitskritisch, aber nie revolutionär, sie ist auf Ausgleich bedacht, nie antireligiös, sondern in einem großen Ausmaß verbindend.“

Robert A. Minder:
Auf den Spuren der Freimaurer in Wien
Ein masonischer Stadtführer
Verlag Erhard Löcker GesmbH, Wien 2019

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