Traktat: Freimaurerei und Gesellschaft. Zur Wirkungsgeschichte der Freimaurerei seit dem 18. Jahrhundert in den USA

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Freimaurerei und Gesellschaft

Zur Wirkungsgeschichte der Freimaurerei seit dem 18. Jahrhundert in den USA

Von Helmut Reinalter

Es gibt noch immer relativ wenige wissenschaftliche Untersuchungen über den Einfluss der Freimaurerei auf die Entwicklung der Gesellschaft. Auch viele Biografien über bedeutende Freimaurer klammern häufig die politische, kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung der betreffenden Persönlichkeit aus. Es steht zweifelsohne außer Diskussion, dass neben politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen in der Freimaurergeschichte auch einzelne Persönlichkeiten eine zentrale Rolle spielen.

Allerdings ist es, wie die moderne Freimaurerhistoriografie betont, nicht einfach, die Wirkungsgeschichte der Freimaurerei im gesellschaftlichen Entwicklungsprozess seit der Frühen Neuzeit zu erklären. Ein direkter Einfluss der Freimaurerei auf Staat, Politik und Gesellschaft lässt sich eben nur schwer nachweisen, weil die Freimaurerei nach wie vor den Charakter eines Geheimbundes aufweist. Die Gegner der Freimaurer haben die Wirkung und Bedeutung immer dämonisiert und auch als politische Macht missverstanden.

Eine einigermaßen seriöse und realistische Einschätzung der gesellschaftlichen Wirkung der Freimaurerei müsste sich in erster Linie auf die Selbstbildung als Persönlichkeiten und die Kongruenz ihres Selbsterziehungsprogramms sowie ihrer Ziele mit den wichtigen Denkströmungen der jeweiligen Zeit beziehen.

Dabei zeigt sich bei aller Vorsichtigkeit in der Beurteilung und Einschätzung der Wirkungen, dass die freimaurerischen Persönlichkeiten bei der Auflösung der frühneuzeitlichen Dogmen, in der Aufklärung und Säkularisierung im Modernisierungsprozess sowie in den bürgerlichen Revolutionen und Reformen eine gewisse Rolle gespielt haben. Diese war zweifelsohne nicht als tragende Wirkung zu bezeichnen, wenngleich die freimaurerischen Ideen der Aufklärung, der Humanität und der Toleranz in den geistesgeschichtlichen und politischen Entwicklungen seit der Frühen Neuzeit bedeutsam waren.

Die Freimaurer traten nicht als Beweger und Auslöser in Erscheinung, wohl aber als Ermutiger und Verstärker, gleichsam wie Katalysatoren. Ein konkretes Beispiel dafür wäre der komplexe Zusammenhang zwischen Freimaurerei, Aufklärung und Revolution. Die Logen in der Aufklärung und am Beginn der Französischen Revolution waren weder Zentren der Konspiration noch ideologische Kommissionen oder „Generalstäbe des Umsturzes, sondern in erster Linie Treffpunkte, Diskussionsrunden und Kommunikationszentren, Orte des persönlichen Kontakts, Umschlagplätze für Ideen und Schriften, Anlaufstellen und Transmissionen für die Ideen der Aufklärung und Revolution. In diesem Sinne war die Freimaurerei mit ihren Ideen und Handlungen bei den geistigen Vorbereitungen von gesellschaftlichen Entwicklungen durch das kulturelle, humanitäre und ethische Engagement ihrer Mitglieder beteiligt, wie auch deren Wirken in den verschiedenen aufgeklärten und gelehrten Gesellschaften bzw. Akademien im 17. und 18. Jahrhundert zeigt. Diese Beteiligung an der Entwicklung der Gesellschaft steigerte sich vor allem dann, wenn die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im Gegensatz zu den freimaurerischen, humanitär-ethischen Anliegen standen.

Katalysatorische Wirkung

Diese erwähnte katalysatorische Wirkung lässt sich im Zusammenhang mit wichtigen historischen Knotenpunkten wie der Humanismus, die Aufklärung, die westlichen Demokratien, die Herausbildung des modernen Parlamentarismus, die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte und des modernen Sozialstaates zumindest ansatzweise feststellen. Die Freimaurer traten auch für die Verbreitung der Menschenrechte, für den Weltfrieden und die Lösung von Konflikten in einem humanitären und toleranten Sinne ein und waren in diesen Bemühungen nicht erfolglos. Dies trifft selbstverständlich auch auf die Freimaurerei in den USA zu, wobei dort die Bedeutung des humanitären Bundes für Politik und Gesellschaft vielleicht etwas stärker war als in Europa.

Dieser Einfluss manifestiert sich in den USA besonders in der Amerikanischen Revolution und Bürgerkrieg. Michael Hochgeschwender charakterisiert die Amerikanische Revolution als ein einschneidendes Erlebnis nicht nur für die amerikanische Geschichte: „Die Amerikanische Revolution war ein komplexes, mitunter widersprüchliches historisches Ereignis, genauer: eine epochale Kette von Ereignissen, ein Prozess, der lange vor dem Ausbruch der Gewalttätigkeiten 1774 begann und erst Jahrzehnte nach dem Frieden von Paris 1783, der den USA die Unabhängigkeit brachte, allmählich zu einem Ende kam. Historische Ereignisse sind beständig interpretationsbedürftig. Nicht umsonst haben sich Historiker, Politikwissenschaftler und Publizisten seit den 1780er Jahren über den Charakter der Amerikanischen Revolution gestritten.“ Natürlich war der amerikanische Bürgerkrieg auch von zahlreichen Mythen begleitet, insbesondere auch von der Erklärung, dass die Revolution ein unumkehrbarer Weg zu liberalen Fortschritts- und Freiheitsidealen war.

Amerikanische Revolution

Zeigt es sich schon vor dem amerikanischen Bürgerkrieg der große Einfluss der amerikanischen Freimaurerei auf das gesellige Vereinsleben, so wurde der politische Einfluss durch die Amerikanische Revolution noch stärker. Washington D.C. war im 18. Jahrhundert nicht nur die Bundeshauptstadt der Vereinten Staaten von Amerika, sondern auch der Mittelpunkt der Freimaurerei und hier besonders das Capitol, zu dem Präsident George Washington unter maurerischem Ritus den Grundstein legte. 1769 kam es zur Vereinigung der St. Andrews Lodge in Boston mit mehreren englischen Militärlogen der Ancients zur Großloge von Massachusetts.

Als Großmeister für Boston, Neu-England und einen Umkreis von 100 Meilen fungierte Joseph Warren, der später im Unabhängigkeitskrieg in der Schlacht von Bunkerhill fiel. 1773 verlieh ihm der Schottische Großmeister den Titel eines Großmeisters für den amerikanischen Kontinent. 1872 verlegte die Südliche Jurisdiktion des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus ihren Sitz nach Washington in das House of the Temple. George Washington profilierte sich als hervorragender Kämpfer für die amerikanische Unabhängigkeit und wurde der erste Präsident der Vereinigten Staaten. Freimaurer wurde er 1752 in der „Fredericksburg Lodge No. 1“ in Virginia. Im Jahre 1778 übersiedelte er nach Philadelphia und nahm dort an der berühmten Johannistagprozession der Großloge von Pennsylvania teil. Er soll während der ganzen Amerikanischen Revolution sehr viele Logen besucht haben, was auf sein freimaurerisches Engagement hinweist. 1788 wurde er Stuhlmeister der Loge „Alexandria“ in Virginia und blieb dies auch in seiner Zeit als Präsident der Vereinigten Staaten. Bei seiner Übernahme des Präsidentenamtes leistete er 1789 den Eid auf die Bibel der St. John’s Lodge No. 1 in New York. Den Eid nahm der Kanzler und gleichzeitige Großmeister der Großloge von New York, Robert R. Livingston ab, und General Jakob Morton, der bei der Zeremonie als Marshall fungierte, war Großsekretär und Stuhlmeister der St. John’s Lodge.

Einer der Biografen Washingtons, Sidney Hayden, verglich das öffentliche und private Leben des amerikanischen Präsidenten mit den Zielen der Freimaurerei und betonte, dass er von der freimaurerischen Übung sehr geprägt wurde: „Die Tugenden, die den Menschen veredeln, werden in der Freimaurerei gelehrt, geehrt und gepflegt; sie fördern das häusliche Leben und sind die Normen für die höchsten Pflichten des Staatsmannes.“ Nach Washington waren noch weitere Präsidenten auch als Freimaurer tätig, wie Andrew Jackson (1829-1837), Theodore Roosevelt (1901-1909), William Howard Taft (1909-19013), Warren Gamaliel Harding (1921-1923) und Harry S. Truman (1945-1953).

Andrew Jackson wurde vor 1800 Mitglied der St. Tammany Lodge No. 1 in Nashville/Tennessee, die später ihren Namen auf Harmony Lodge No. 1 änderte. Regulär wird Jackson in den Akten der Großloge von North Carolina und Tennessee 1805 als Mitglied erwähnt. 1813 wurde er Großmeister der Freimaurer von Tennessee. Theodore Roosevelt, der auch den Friedensnobelpreis als Vermittler im Russisch-Japanischen Krieg bekam, wurde 1900 in der Loge Matinecocke Lodge 806 in Oyster Bay auf Long Island rezipiert, und gleichzeitig wurde er auch Ehrenmitglied der Loge „Rienzi“ in Rom. William Howard Taft profilierte sich als hervorragender Richter und leistungsfähiger Verwaltungsbeamter. Er wurde 1909 Mitglied der Killwinning-Loge No. 365 in Cincinnati im Bundestaat Ohio.

Warren Gamaliel Harding berief als Präsident die Washingtoner Abrüstungskonferenz ein und wurde in die Marionlodge No. 70 in Marion/Ohio als Freimaurer aufgenommen. Er engagierte sich auch ganz im freimaurerischen Sinne um die Gleichheit der Rassen und trat auch für Friedensverträge ein. Harry S. Truman galt als besonders aktiver Freimaurer und war von den freimaurerischen Zielen stark beeinflusst. Rezipiert wurde er in der Belton Lodge No. 450 in Grandview/Missouri. 1911 gründete er mit einigen Freimaurerbrüdern die Grandview Lodge No. 618 und war dort erster Stuhlmeister. Im Jahre 1940 erfolgte seine Wahl zum Großmeister der Großloge von Missouri.

Benjamin Franklin

Der amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin, Buchdrucker, später Buchhändler, Schriftsteller und Erfinder des Blitzableiters, war nicht nur überzeugter Aufklärer, sondern auch einer der Hauptbegründer der amerikanischen Unabhängigkeit. Mit den Ideen der Freimaurerei wurde er in London konfrontiert, von denen er sofort begeistert war. Seine Chancen, in eine Loge aufgenommen zu werden, waren zunächst gering. 1731 wurden jedoch die Widerstände aufgegeben, sodass seine Rezeption erfolgen konnte. Dort widmete er sich sehr intensiv der Königlichen Kunst. In den USA erschienen aus seiner Feder in der „Pennsylvania Gazette“ verschiedene Logennachrichten, und 1734 gab er dort eine Ausgabe der Konstitution von James Anderson heraus. Schon vorher 1732, wurde er Zweiter Großaufseher. Zwei Jahre stand er als Provinzial-Großmeister an der Spitze der Bruderschaft.

Als er nach dem Unabhängigkeitskrieg als Gesandter der 13 Vereinigten Staaten nach Paris reiste, schloss er sich dort der berühmten Loge „Les neufs sœurs“ an. 1778, erst sehr spät, wurde der französische Philosoph Voltaire im ehemaligen Noviziat des aufgehobenen Jesuitenordens, dem Sitz der Großloge von Frankreich, feierlich in diese Eliteloge aufgenommen.

Das Aufnahmezeremoniell wurde wegen des hohen Alters und der Gebrechlichkeit Voltaires verändert. Auf Franklin gestützt, wurde er mit unverbundenen Augen in den Tempel geführt. Er beantwortete Fragen zur Philosophie und Moral, ehe er zum Meister vom Stuhl der Loge Lalande geführt wurde, der ihm den Eid abnahm und Zeichen, Griff und Wort des Lehrlings mitteilte. Von 1779-1782 war Franklin Stuhlmeister. Als amerikanischer Politiker und Patriot wurde ihm in Paris große Verehrung zuteil, und die beiden Enzyklopädisten Diderot und d’Alembert nannten ihn sogar die Verkörperung praktischer Weisheit. Sein freimaurerischer Einfluss ist nicht nur in den USA, sondern auch im Vorfeld der Französischen Revolution in Paris von einiger Bedeutung gewesen.

Die Amerikanische Revolution, die mit der Boston Tea Party 1763, einem Aufstand gegen die britische Kolonialherrschaft, begann, führte dann in mehreren Schlachten zur Geburt der amerikanischen Nation. Freimaurerische Ideen flossen vor allem in die Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 ein. Erst im Zeitraum von 1812-1815 fand dann die Revolution im britisch-amerikanischen Krieg ihr Ende. Die Geschichte der Amerikanischen Revolution ist gekennzeichnet von zahlreichen Widersprüchen, sodass die neuere Forschung davon ausgeht, dass es sich bei ihr um ein Mosaik handelt, das kein geschlossenes Bild entwickelt.

Dies hängt natürlich mit der Janusköpfigkeit von Revolutionen allgemein zusammen, „die auf der einen Seite ganz dem frühneuzeitlichen, partikularistischen und rückwärts gewandten Denken verpflichtet war, auf der anderen Seite aber das Potential zu einem der Zukunft zugewandten, folgenreichen Universalismus in sich barg, eine Revolution also, die sich historisch präzise in der Zeit des Übergangs zur Industriemoderne verorten lässt.“ Zweifelsohne entfalteten die Ideen der Revolution, insbesondere die Freiheitsideale und die Menschen- und Bürgerrechte nicht nur in den USA, sondern auch darüber hinaus eine globale Wirkung.

Unabhängigkeitserklärung

In der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika wurde von den 13 britischen Kolonien in Nordamerika am 4. Juli 1776 die Trennung von Großbritannien und ihr Recht, einen eigenen souveränen Staatenbund zu gründen, proklamiert. Dieser Text war eigentlich die Gründungsurkunde der USA und stellt heute eines der wirkungsmächtigsten Dokumente der demokratischen Staatsphilosophie dar. Der Erfolg der Amerikanischen Revolution war nicht zuletzt in der Tatsache begründet, dass die Bevölkerungsmehrheit in den 13 Kolonien im Zeitraum von 1760 bis 1790 den liberalen Staatstheorien John Miltons, John Lockes, James Harringtons und Algernon Sydneys die Zustimmung erteilte.

Die unveräußerlichen Rechte des Menschen wurden als Grund des Staatsrechtes zuerst 1776 in der von Freimaurern beeinflussten Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika festgeschrieben: „Wir erachten es als selbstoffenbare Wahrheit, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind; dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehöre; dass, diese Rechte zu sichern, Regierungen unter den Menschen eingesetzt sind, welche ihre gerechten Befugnisse von der Einwilligung der Regierten ableiten, dass, sooft eine Regierungsform gegen diese Zeile zerstörend wirkt, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen, eine neue Regierung einzusetzen und sie auf solche Grundsätze zu bauen, ihre Befugnisse solchergestalt einzurichten, als sie ihn am meisten geeignet erscheint, seine Sicherheit und sein Glück zu bewirken“.

Erklärung der Menschenrechte der Französischen Revolution

In der „Erklärung der Menschenrechte der Französischen Revolution vom 13. September 1791, stark beeinflusst von der amerikanischen Erklärung und auf Initiative des Freimaurers Lafayette angenommen und zuerst in der Loge in Aix-en-Provence konzipiert, heißt es: „Alle Menschen sind von Natur frei und unabhängig. Jede Regierungsgewalt gehört allein dem Volke, die Behörden sind weiter nichts als die Bevollmächtigten und Diener desselben und ihm zu jeder Zeit verantwortlich.“ In der Revolutionsparole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ sind die Menschenrechte und deren Ausprägungen enthalten und besonders stark in der französischen Freimaurerei verankert. Die Großloge von Wien gründete die österreichische Liga für Menschenrechte.

Die Menschenrechte

Die tschechische Liga für Menschenrechte ist z. T. auch von Freimaurern konstituiert worden. Die Vereinten Nationen haben die Menschenrechte 1948 in ihre Satzungen aufgenommen und am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte erlassen.

Die Menschenrechte sind heute trotz unterschiedlicher Menschenbilder zur grundlegenden und weltweit gültigen politischen Idee geworden. Sie bieten die Mindeststandards für die rechtliche, politische, soziale und ökonomische Lage von Menschen. Allerdings sind sie nicht überall auf der Welt tatsächlich respektiert bzw. durchgesetzt, aber kaum ein Regierungsvertreter oder Staat wagt es noch, die Menschenrechte prinzipiell infrage zu stellen. Natürlich gibt es in Bezug auf die Menschenrechte entgegengesetzte Positionen und verschiedene Deutungen der Menschenrechtsidee, wie z. B. eine asiatische „Interpretation“ gegenüber der dominierenden westlichen „Deutung“, die weniger individualistisch orientiert ist, oder eine islamische „Interpretation“, die die Begründung der Menschenrechte in der Scharia für unverzichtbar hält. Trotzdem sind die Auseinandersetzungen für Menschenrechte zu einem global bestimmenden politischen Emanzipationsmodell geworden.

Die Menschenrechte gehen in der Geschichte relativ weit zurück. Sie sind von Philosophen, Juristen und Theologen bereits im 17. Jahrhundert als Kern eines neuzeitlichen Naturrechts bezeichnet und von der Amerikanischen Revolution und den späteren bürgerlichen Revolutionen feierlich proklamiert worden. Die Landesfreiheiten, die in vielen Ländern des Mittelalters gewährt wurden, waren nicht Freiheiten des Menschen, sondern der Stände und der Korporationen. Dies trifft auch auf die Magna Charta von 1215 zu, mit der die Geschichte der englischen Freiheit einsetzte und die ihre Freiheiten nur der ständischen Korporation gab. Sie ist aber eine Basis zur späteren Entwicklung der individuellen Menschenrechte. Zu erwähnen wären hier vor allem die „Petition of Rights“ von 1628 und die berühmte „Habeas-Corpus-Akte“ von 1679. Zehn Jahre später brachte die Glorreiche Revolution in England die „Bill of Rights“ hervor.

Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Menschenrechte war zweifelsohne die berühmte Erklärung der Unabhängigkeit von 1776 in den USA, in der ausdrücklich betont wurde, dass die Menschen mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet seien. So hat die Kolonie Virginia ihrer Verfassung eine besondere „Bill of Rights“ vorangestellt, „die vom gleichen Grundgedanken der natürlichen Freiheit und Gleichheit und vom unveräußerlichen Recht des Menschen auf Leben, Freiheit, Eigentum und Glück ausgehend im Einzelnen festlegt, auf welche Weise diese Rechte gesichert werden sollen“.

Im 19. Jahrhundert werden die Menschenrechte ergänzt durch die sozialen Grundrechte im Einflussfeld der Industriellen Revolution. Im Verlauf dieses Jahrhunderts werden sie in den Verfassungen der europäischen Nationalstaaten zunehmend nationalisiert. Die historische Entwicklung der Menschenrechtsidee erfolgte in drei aufeinanderfolgenden Phasen: Die erste Etappe wird markiert durch das bereits erwähnte philosophische Naturrecht des 17. und 18. Jahrhunderts, die zweite Phase setzt ab Mitte des 18. Jahrhunderts ein und ist eng verbunden mit den Menschenrechten der Philosophen und der bürgerlichen Revolutionen, und die dritte Etappe beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg, womit die Menschenrechte einen grundlegend anderen rechtlichen Status annehmen, in dem sie nach 1945 zum Gegenstand eines international gültigen Rechtssystems werden.

Die Grundlage dieses Rechtssystems bildet die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ von 1948, die, zunächst eine zwischenstaatliche Absichtserklärung war, in den folgenden Jahrzehnten eine Serie von völkerrechtlich verbindlichen Pakten bringt. Zusätzlich etablieren sich schrittweise völkerrechtliche Instanzen und Mechanismen oberhalb der einzelnen Staaten, deren Aufgabe es ist, die Menschenrechtslage innerhalb der Staaten zu kontrollieren. Die Standarderzählung der Menschenrechte sieht den Rechtsstaat als neutrales Instrument zur Realisierung menschenrechtlicher Ideen.

Menschenrechte sind heute berechtigte Ansprüche an die öffentliche politische Ordnung. Kern ist die Berechtigung jedes Menschen „in einer politischen Ordnung zu leben, die ihre Mitglieder als Gleiche berücksichtigt und ihnen damit gleichermaßen gewährleistet, dass ihre grundlegenden Ansprüche erfüllt werden“. Zwei Konzeptionen sind dabei von Bedeutung, die moralische und die politische. Der Unterschied zwischen diesen beiden Konzeptionen der Menschenrechte bezieht sich auf den Grundbegriff, der die Menschenrechte erklärt, einerseits gleiche moralische Achtung oder freie politische Selbstbestimmung. Die traditionellen Begründungsformen für Menschenrechte haben sich heute in drei Modellen verdichtet: das Modell des Gesellschaftsvertrags, das Vernunft- und das soziale Modell. Über die moralische und der politische Konzeption der Menschenrechte gibt es verschiedene Kontroversen, die noch nicht ausgeräumt sind und weiter bestehen.

Menschenwürde

Eng mit den Menschenrechten ist auch die Menschenwürde verbunden, die dem ethischen Wert der menschlichen Persönlichkeit entspringt, die jedem Menschen wegen seines Menschentums zukommt. Die Menschenwürde bildet auch die Basis der ethischen Freiheit, die sich darin manifestiert, dass der Mensch keinem anderen Gesetz verpflichtet ist, als seinem eigenen. „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Dieser Imperativ von Immanuel Kant hat sehr viel mit der Idee der Menschenwürde zu tun. Jeder Mensch ist würdig, als Zweck des moralischen Handels zu dienen. Zur eigenen Würde zählen Eigenschaften wie die Tugend der Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung und Selbstveredelung. Alles auch freimaurerische Tugenden und Verhaltensweisen. Auch die Würde des Mitmenschen, die Tugend der Gerechtigkeit und Liebe zählen wesentlich dazu. Die Freimaurerei achtet die Menschenwürde entsprechend ihres humanen Menschenbildes, die jedem Menschen zukommt, ohne Rücksicht auf seine Weltanschauung und seinen Glauben. Systematisch betrachtet, weisen die Menschenrechte drei wichtige Merkmale auf: die politisch rechtlichen Standards, der universale Geltungsanspruch und die Durchsetzung gleicher Freiheit bzw. gleichberechtigter Partizipation, die in der Anerkennung der Würde des Menschen wurzeln. Menschenrechte stellen in diesem Sinne eine politisch-rechtliche Kategorie dar. Ihr Geltungsanspruch ist nicht auf einen humanitären Appell begrenzt, sondern nimmt in politisch-rechtlichen Institutionen und Verfahren konkrete Gestalt an. Im modernen Verfassungsstaat finden die Menschenrechte eine Verankerung als einklagbare Grundrechte. Ein erfolgreiches Beispiel für die regional-völkerrechtliche Normierung von Menschenrechten ist die Europäische Menschenrechtskonvention, die im Rahmen des Europarates 1950 entstand. In Kraft trat sie 1953. Der Begriff der Menschenrechte inkludiert auch einen universalen Geltungsanspruch. Weil die Menschenrechte für jeden Menschen gleichermaßen Gültigkeit haben, verstehen sie sich auch als Gleichheitsrechte. „Die menschenrechtliche Gleichheit meint allerdings nicht Uniformität, sondern gleiche Freiheit, und zwar nicht nur gleiche persönliche oder private Freiheit, sondern auch gleichberechtigte Mitwirkung an den Belangen der Gemeinschaft, vor allem der politischen Gemeinschaft“.

Die Menschenrechte stellen nicht nur eine Form des gemeinsamen Nenners aller Grundwerte dar, die man in den unterschiedlichen Religionen oder Kulturen findet, sondern sie fordern auch einen universalen und zugleich eigenständig modernen Freiheits- und Gleichheitsanspruch. Dieser Anspruch kann mit religiösen Traditionen durchaus in Konflikt geraten, wie viele Beispiele zeigen. Die Anerkennung der Menschenrechte vonseiten der Weltreligionen erfordert daher Bereitschaft zur Selbstkritik und zu Reformen. „Nur dadurch ist es möglich, den humanen Anspruch der Menschenrechte – konzentriert im Bekenntnis zur unantastbaren Würde jedes Menschen – als Chance für die (Neu-)Erschließung freiheitlicher Sinnpotentiale in religiösen Traditionen wahrzunehmen und religiösen Glauben gleichzeitig als Motiv für menschenrechtliches Engagement einzubringen“.

Heute wird die Modernität der Menschenrechte stark hervorgehoben, was allerdings nicht die Propagierung einer fortschrittsideologischen Zivilisationsmission zu Lasten religiöser Traditionen und Vielfalt bedeutet. Was die Verbreitung und Propagierung der Menschenrechte betrifft, hatten die Freimaurerlogen eine tragende Funktion, weil sie mit dem humanitären Wirken der Freimaurerei in enger Verbindung standen. Die Freimaurerei wirkte primär nicht als Organisation und macht ihren Einfluss auch nicht über Großlogen oder Logen geltend, sondern über die einzelnen Brüder in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich.

Sie hatten eine katalysatorische Wirkung bei ihrer Verbreitung und waren ein wichtiger Weg für den Weltfrieden.

Aufklärung

Die Grundideen der Aufklärung, die von der englischen Entwicklung des 17. Jahrhunderts ausgingen, erfassten nicht nur Kontinentaleuropa, sondern insbesondere auch die Vereinigten Staaten. Diese beeinflussten, wie bereits angedeutet, nicht nur die Amerikanische Revolution, sondern auch den Liberalismus und die Demokratie im 19. Jahrhundert. Die Grundlagen des Liberalismus waren mit der Aufklärung sehr eng verbunden. Zu einem Hauptanliegen des Liberalismus wurde die Entfaltung des Individuums, die so umfassend sein sollte, wie es der Handlungsraum anderer Individuen und die Allgemeinheit überhaupt zulassen. Daher versuchte der Liberalismus generell, diese individuelle Entfaltung gegen alle formellen und informellen Eingriffe sowie Behinderungen zu schützen. Die wichtigsten politischen Grundsätze des Liberalismus, wie Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, die schon im 19. Jahrhundert in den USA ausgeprägt waren, finden sich heute in allen Verfassungen westlicher Demokratien als fester Bestandteil. Die Universalisierung liberaler Ideen geht zurück auf die Folgen der Amerikanischen Revolution, die europäische Aufklärung und die Französische Revolution. In diesem Zusammenhang ist die historische Entwicklung liberaler Positionen und Argumentationszusammenhänge seit der Amerikanischen Revolution, der Aufklärung und Französischen Revolution für die Herausbildung politischer Richtungen von besonderer Bedeutung.

Die erwähnten liberalen Forderungen steigerten sich später zu liberalen Vorstellungen über die politische und gesellschaftliche Ordnung, wobei es vor allem um die Gestaltung einer Ordnung der Freiheit nach liberalen Grundsätzen ging. Vorbild waren hier immer die Vereinigten Staaten. Zu den entscheidenden liberalen Forderungen zählte vor allem eine schriftliche Verfassung, die dem Staat gewährt werden sollte und in der die Organisation der politischen Herrschaft sowie die Rechte und Partizipationsmöglichkeiten der Bürger festgelegt sind.

Wichtige Impulse gingen hier auch von den Freimaurern aus, die größtenteils diese Grundlagen förderten und ihre Logen selbst als Demokratie im Kleinen betrachteten. Den Orientierungsrahmen dazu bildeten die freie, ungehinderte Entfaltung des Individuums, die Möglichkeit allgemeiner und umfassender Bildung und eine ökonomische Betätigung bis hin zum Manchester- und Neoliberalismus. Durch die Entwicklung politischer Durchsetzungskraft zur Gestaltung einer gesamtgesellschaftlichen Ordnung ergaben sich für den Liberalismus erhebliche Probleme. So wurde es zunehmend fraglicher, ob die besitzende und gebildete Gruppe gegenüber den nachdrängenden Schichten noch dominieren und die für die gebildeten und besitzenden günstige Ordnung verteidigen konnte.

Der Liberalismus wurde sich auch in der sozialen Frage als strukturelle Folgewirkung einer nach liberalen Grundsätzen gestalteten Gesellschaft mit freier Entfaltung des Kapitals im 19. Jahrhundert bewusster. Während im ursprünglichen Liberalismus die Unterschiede von Armut und Reichtum als natürliche Folge verschiedener eingesetzter Fähigkeiten und Arbeitsintensitäten bei vorausgesetzter Chancengleichheit galten, wird im sozialen Liberalismus diese Rechtfertigungsposition aufgehoben. So wurde der Staat gefordert, zugunsten der sozial Schwachen, die ohne eigenes Verschulden grundsätzlich benachteiligt waren, kompensierend einzugreifen. In England wurde dieser Positionswechsel des Liberalismus am stärksten bei Mill sichtbar, in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts bei Naumanns national-sozialem Liberalismus.

Sozial war der Liberalismus eng mit der Entwicklung des Bürgertums verbunden. Er wurzelte in der Interessenslage und Lebensführung der ökonomisch sich entfaltenden und an Bildung interessierten Mittelschichten. Liberales Gedankengut fand sich zwar auch – zumindest partiell – bei Angehörigen der Oberschichten, prägend war aber die Einstellung und Interessenslage des Wirtschafts- und Besitzbürgertums. Der zentrale Kernbestand des Liberalismus – freie Entfaltung des Individuums, verstanden als Ausbildung aller seiner Fähigkeiten – war zunächst interessanterweise unpolitisch, aber rasch politisch abzusichern, womit er politische Folgen provozierte. Liberales Denken war zwar nicht genuin demokratisch, aber die repräsentative Demokratie stellte einen Kompromiss zwischen der liberalen und demokratischen Position dar. Die Freimaurer waren in ihrer gesellschaftspolitischen (nicht parteipolitischen) Einstellung oft an diesem Kompromiss in ihrem Denken beteiligt.

Die neuzeitliche Geschichte der Demokratie hat ihren geografischen Schwerpunkt zweifelsohne im angloamerikanischen Raum. Sie ist eng mit dem Aufstieg der nordamerikanischen Kolonien zur Nation verknüpft. Andererseits beinhaltet der moderne Begriff der Demokratie einiges, das nicht vorwiegend mit der amerikanischen Entwicklung erklärt werden kann. Bekanntlich umfasst der Demokratiebegriff nicht nur den modernen Staatstypus, sondern auch eine gesellschaftliche Organisations- und Lebensform. Im Hinblick auf die Entwicklung des Gleichheits- und Solidaritätspostulats belegen französische Quellen schon sehr früh und stärker als in anderen Räumen, dass sich mit dem Aufkommen des Revolutionsgedanken die radikale Forderung nach Freiheit und Gleichheit in starkem Ausmaß verbindet. Es steht heute außer Zweifel, dass die politische Spätaufklärung in Europa und die Französische Revolution neben der Amerikanischen Revolution die entscheidenden Grundlagen der frühen Demokratieentwicklung schufen.

Wie schon am Beginn erwähnt, ist die Wirkungsgeschichte der Freimaurerei nicht einfach zu erforschen, weil die Bruderkette sich nur indirekt und seltener direkt am Entwicklungsprozess der Geschichte beteiligt hat. Sicher ist, dass die Freimaurer – wie bereits betont - an der Herausbildung der westlichen Demokratien und des modernen Parlamentarismus, des Liberalismus und des modernen Sozialstaats wenigstens ansatzweise beteiligt waren.

Die Freimaurerei trat auch für die Verbreitung der Menschenrechte und für den Weltfrieden ein und war in diesem Bemühen nicht erfolglos. Heute arbeitet sie weltweit an einer Weiterentwicklung ihrer zentralen Ideen, wie Humanität, Aufklärung, Freiheit und Toleranz weiter. In den geistigen Strömungen der Gegenwart ist sie bemüht den geistigen Ort ihres Bundes im Spannungsfeld zwischen Moderne, Postmoderne und Postdemokratie näher zu bestimmen.

Im Verhältnis zwischen dem heutigen Vernunftdiskurs und seinen Gegenwelten orientiert sich die geistige Arbeit der Freimaurerei nicht am Gegensatz zwischen Moderne und Gegenmoderne, sondern an der Entsprechung zwischen den verschiedenen Wertsphären der Moderne, die sich im Diskurs über Moderne und Gegenmoderne heute herausgebildet haben.

Siehe auch