Traktat: Welchen Sinn macht es, heute Freimaurer zu sein?
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Traktat: Welchen Sinn macht es, heute Freimaurer zu sein?
Zeichnung anlässlich einer Tempelarbeit in I in der 3WK Loge zum Silbernen Schlüssel im Orient Bremen von Bruder Kai Stührenberg.
Heute möchte ich darüber schreiben, welchen Sinn es macht, heute Freimaurer zu sein.
Warum sind wir Freimaurer geworden?
Beginnen wir mit der Frage warum wir Freimaurer geworden sind. Auf diese Frage wird es wahrscheinlich so viele Antworten ergeben, wie es Freimaurer gibt.
Wenn wir uns unter unseren Brüdern umschauen, dann sehen wir sehr viele unterschiedliche Männer und jeder hat seine eigene Geschichte, sein eigenes Umfeld und wahrscheinlich auch seine eigene Motivation, Mitglied in unserem Bund geworden zu sein.
Vielleicht gibt es aber doch ein paar Kategorien, die uns helfen, ein Bild von der Motivation zu zeichnen. Ich kann mir vorstellen, dass es für viele der Wunsch nach einer Gruppe von Menschen war, zu denen man absolutes Vertrauen habe konnte.
Für manch einem mag die Neugier nach geheimen Wissen eine Rolle gespielt haben und für andere das Gefühl, dass es mehr geben muss auf dieser Welt als Arbeit, Familiäre Verpflichtungen, Konsum und zweifelhafte Vergnügungen. Andere waren vielleicht auf der Suche nach Menschen mit gleichen Werten und wiederum andere wollten vielleicht etwas für mehr Humanität in der Welt tun. Ich bin nicht sicher, wie viele Männer aus dem expliziten Wunsch nach Selbsterkenntnis zum Bund gekommen sind aber auch davon wird es einige geben.
Welche Bedeutung haben unsere Werte in der Welt?
Jetzt sind wir alle hier im Tempel Brüder Freimaurer und die Frage ist, was das bedeutet. Was bedeutet es für uns und was bedeutet es für die Welt? Wenn wir unsere Grundwerte nehmen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität dann wird schnell offensichtlich, dass die Welt davon heute mehr denn je gebrauchen könnte. Schauen wir uns die gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA oder in der Türkei, in Tschetschenien, Ungarn und vielen andern Ländern an, dann sehen wir Menschen an der Macht, die keine dieser Tugenden auf ihre Agenda geschrieben haben.
Wir stellen aber auch fest, dass diese Menschen nicht unbedingt durch Gewalt an die Macht gekommen sind, sondern gewählt wurden von Menschen, die ebenfalls nur bedingt erfüllt waren von Werten, wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität.
Es scheint fast so zu sein, dass die Freimaurerei zur Zeit eine Antithese zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung darstellt. Anders als in Zeiten der Aufklärung rennt sie der Gesellschaft nicht voraus, sondern vielmehr hinterher. Ist sie damit überflüssig geworden? Ist sie ein Relikt der alten Zeit und ein gelebter Anachronismus alter Männer?
Nun ich glaube, das Gegenteil ist der Fall.
Die Werte der Freimaurerei sind von großer Bedeutung für unsere Gesellschaft, sie sind sogar essentiell und deshalb ist es gut, wenn wir dieses Jahr den 300sten Geburtstag feiern und der Idee der Freimaurerei damit eine größere Öffentlichkeit beschert wird. Es ist gut für eine Gesellschaft ohne Orientierung wenn sie hört, dass es Männer gibt, die für etwas stehen. Denen Werte wichtig sind und die bereit sind dafür etwas zu tun.
Nicht für Geld und nicht für Anerkennung sondern alleine dafür, um ihren Teil zum Bau des Tempels der Humanität beizutragen. Man wird uns fragen, warum wir uns nicht mehr einmischen und Stellung beziehen zu den Dingen, die passieren. Und ich gebe zu, es erscheint verlockend, dass wir eine Position beziehen und uns für die humanitären Kräfte in der Welt einsetzen. Aber das tun wir bei allen Wohltätigkeitsaktivitäten der Logen nur in sehr beschränktem Maße und das ist gut so.
Freimaurer verkünden keine Botschaft und das ist gut so.
Das Wesen der Freimaurerei ist weder die Politik noch ist es die Missionierung oder reine Wohltätigkeit. Wenn wir so wirken wollten könnten wir Rotarier, Lions Club Mitglieder oder Politiker werden oder sogar eine Zeitung herausbringen. Unsere Aufgabe ist im Kern eine andere und die ist der profanen Welt nicht so leicht zu erklären.
Unsere Aufgabe ist es, alles dran zu setzen, uns selbst zu veredeln. Unsere Persönlichkeit zu entwickeln, uns selbst zu erkennen und unsere Schwächen auszumerzen.
Denn wenn wir dabei erfolgreich sind, dann werden wir etwas verändern. Zuerst bei den Menschen in unserem direkten Umfeld, dem Ehepartner, der Familie, den Kollegen. Und wie ein Schneeballsystem wird diese Veränderung von Mensch zu Mensch getragen. So wie ein Lächeln ein anderes Lächeln auslöst, wie das Vorlassen in der Schlange den anderen vielleicht dazu ermuntert bei nächster Gelegenheit das gleiche zu tun, so können wir als ernsthafte Freimaurer die Welt verändern und sei es erstmal auch nur in einem überschaubaren Umfeld. Die Zeit die wir im Ritual und mit uns selbst verbringen, um am rauen Stein zu arbeiten ist sicher besser investiert als auf Facebook, im Fernsehen und anderen Medien zu sehen, was vielleicht alles schief läuft in der Welt und darüber zu grübeln.
Im großen Ganzen ist der einzelne vielleicht machtlos aber im direkten Umfeld, da sind wir die Gestalter, da können wir etwas bewirken. Als Freimaurer ist es unsere Aufgabe, dieser Bestimmung nachzukommen. Als Lehrling muss uns das bewusst werden als Geselle können wir das üben aber als Meister sollte uns das auch hier und da gelingen. Dass das funktioniert habe ich vielen Gespräche mit Brüdern aus unterschiedlichen Logen erfahren. Auf die Frage, was sich geändert hat, seit sie Freimaurer sind kam fast immer die gleiche Antwort: „Ich weiß ehrlich gesagt nicht warum aber ich bin ruhiger geworden, ich höre mehr zu und kann anderen Menschen mit viel mehr Toleranz begegnen. Meiner Umwelt ist es auch aufgefallen, dass ich gelassener wirke.“ Dass das so ist verdanken wir der vertrauten Umgebung unserer Brüder aber vor allem unserem, Ritual.
Das Ritual als Quelle für den Freimaurer
Die Tempelarbeit empfindet jeder Bruder anders und nicht jeder versinkt in tiefe Meditation oder die Interpretation der Symbole. Nun, das schöne an unserem Ritual ist, dass dies auch gar nicht nötig ist. Denn ganz egal, wie man es erlebt oder wie man es verarbeitet. Man kann wohl behaupten, dass wenn es gut gemacht ist, das Ritual in jedem Bruder etwas auslöst. Durch die Wiederholung über viele Jahre schult es unseren Geist und verändert unser Bewußtsein. Es regt uns an, über uns nachzudenken und bewegt uns, im freimaurerischen Geist zu handeln.
Wir können die Arbeit, die Brüder viele hundert Jahre vor uns gemacht haben als sie die Rituale entworfen haben, gar nicht genug wertschätzen. Das Erlebnis im Ritual kann man nicht aufschreiben oder erklären. Und die echte Erkenntnis kann man nicht durch lesen oder nachdenken bekommen, sondern nur durch das erleben.
Im Tempel verlassen wir die irdische Zeit und schaffen einen Raum, der losgelöst ist von der Zeit und von der Welt. Zwischen Hochmittag und Hoch Mitternacht ist die Loge geöffnet und damit für diese Zeit auch ein Symbol für den Kosmos. In dieser Zeit werden wir offen für Emotionen und Eindrücke für unsere Seele.
Die Erkenntnis, die wir dabei gewinnen passiert nicht über unser Gehirn sondern über das Herz.
Die Worte des Meisters und der Aufseher berühren uns im inneren und tanken uns auf. Die Symbole auf dem Teppich und die Bruderkette verstärken dieses Gefühl und nach getaner Arbeit geht der Bruder zurück in die profane Welt und kann von dem was in ihm angefüllt wurde zehren und dadurch wirken. Diese Arbeit, die sich so gar nicht nach Arbeit anfühlt sondern uns vielmehr so angenehm erscheint und wohltuend - diese Arbeit ist das freimaurerische Geheimnis und der Sinn der Freimaurerei.
Denn sie macht uns nicht nur zu Menschen, die am Tempel der Humanität bauen und mit Glück auch die Welt ein Stück besser machen. Sie macht uns auch zu Menschen, die sich selber weiter entwickeln, die wahrlich frei werden und die mehr und mehr zum wahren Meister werden - zum würdigen Nachkommen des ersten Baumeisters.
„Gehet raus in die Welt und bewährt Euch als Freimaurer“ hören wir am Ende des Rituals und diese Worte sollten wir beherzigen, denn das ist unsere Aufgabe, die wir für uns selbst gewählt haben.
Es geschehe also…