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== Herodom == | == Herodom == |
Version vom 17. Mai 2011, 15:20 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Strikte Observanz
Quelle: Lennhoff, Posner, Binder (s. Hund, Freiherr von), ein Hochgradsystem, wie zahlreiche andere im 18. Jahrhundert entstanden, das durch eine besonders günstige Verkettung von Umständen einen über seinen geistigen Inhalt weit hinausgehenden Einfluß auf die deutsche Freimaurerei erlangte.
Die Wurzeln des Systems sind in Frankreich zu suchen. Immer wieder wird behauptet, schottische und französische Jesuiten seien die Drahtzieher gewesen, die nicht nur der Partei des katholischen Prätenden in Karl Eduard Stuart in Frankreich eine gegen das protestantische Königshaus von England-Hannover gerichtete freimaurerisch organisierte politische Kerntruppe schaffen wollten, sondern dabei auch auf Stärkung des katholischen Einflusses in Deutschland abzielten.
Karl Gotthelf Reichsfreiherr von Hund auf Altengrotkau
Der einzige, der Genaueres darüber wissen konnte, Karl Gotthelf Reichsfreiherr von Hund auf Altengrotkau, schweigt sich in seinem im Archive der Loge "Minerva" in Leipzig erhältenen Tagebuch darüber aus, vielleicht, weil er sich zum Schweigen verpflichtet hatte, vielleicht, weil er dahintergekommen war, daß er für fremde Zwecke mißbraucht wurde, wahrscheinlich, weil er sich gar keiner solchen Einflusse bewußt war.
In der Freimaurerei hatte der Gedanke des Templertums um 1737 Wurzeln geschlagen. Man setzt den berühmten "Discours" des Chevalier Ramsay von 1737 gerne an den Anfang dieser merkwürdigen Entwicklung.
Der Inhalt der freimaurerischen Templerlegende besagt in Kürze, daß nach dem Pariser Autodafé des Jahres 1314, bei dem der letzte Templer-Großmeister, Jacques de Molay, als Opfer päpstlicher und königlicher Machtgier sein Leben auf dem Scheiterhaufen beendete, die Tempelritter in Schottland im geheimen weitergewirkt und ihre Lehre kommenden Geschlechtern erhalten hatten.
Herodom
So soll in Schottland ein templerisches Kapitel, Herodom - Killwinning, bestanden haben, wobei die Templer, um sich vor Vernichtung zu schützen, ihre Organisation in die der Freimaurerei hüllten. Historischer Kritik halt diese Legende nicht stand. (Schiffmann, Begemannua.) Aber sie wurde bereitwilligst geglaubt. Zahlreiche Hochgradsysteme klammerten sich an sie, und ebenso wie Hiram wurde de Molay ritualistisch Legendenfigur, um die sich das System aufbaute. Die Lehre der Strikten Observanz enthielt angeblich ein streng zu hütendes Kunstgeheimnis, eine Vorspiegelung, die allen möglichen (mit Alchimie usw. operierenden) Schwindlern eine vortreffliche Handhabe bot.
Von Hund hat in Paris mit derartigen, auf das Templertum eingeschworenen Hochgradkreisen Verkehr gehabt. Er erklärte, er sei am Hofe des Prätendenten Karl Eduard Stuart in Gegenwart des Lord Kilmarnock und des Lord Clifford von einem Ritter von der roten Feder (a penna rubra) zum Tempelritter geweiht und gleichzeitig zum Heermeister der in der Freimaurerei wiedererstandenen templerischen VII. Ordensprovinz ernannt worden. Sein Heermeisterpatent trägt im Kopfe den Namen: "George Guillaume Chevalier du Soleil d'Or, Grand maître de tous les Templiers" und redet Hund als Provinzial Großmeister der Lande an Elbe und Oder an. Hierbei erscheint auch zuerst Hunds Rittername: Charles Baron de Hund, Chevalier de l'Epée (Ritter vom Degen, lateinisch: Eques ab ense).
Ordensprovinz
Es sei hier darauf hingewiesen, daß eine durchorganisierte Ordensprovinz anfänglich nur in Deutschland bestand. Von einer französischen Provinz, die Hund als Vorbild hätte dienen können war keine Rede. Hund hat also aus Paris höchstens die Idee— vielleicht auch das Heermeisterpatent mitgebracht, dessen Ausstellung andeutungsweise dem Stuart zugeschrieben wurde. 1775, auf dem Konvent in Braunschweig, drängten die Ritter in Hund, er möge den wirklichen Namen des Eques a penna nennen. Hund brach in Tranen aus und versicherte, das liefe wider seinen Eid und sein Gewissen , worauf der Konvent beschloß, "seiner Hochwürden und Gnaden nie wieder mit dergleichen Fragen beschwerlich zu fallen".
Siebenjahriger Krieg
Hund hat es jedenfalls verstanden, mit dem in Frankreich erhaltenen Pfunde zu wuchern. Sein erstes Kapitel, von Droissig genannt bestand 1751 nur aus ihm und seinem Freunde, von Schönberg (eques a Leone rubro. Erst drei Jahre später wurde der Organisationsplan entworfen. Hier wirkten bereits sieben Brr. mit. Der Lage der Zeit (Siebenjahriger Krieg !) entsprechend, hatte Hund erst nur Sachsen zu Vertrauten: v. Schönberg, Mylius, v. Kiesewetter, Vitztum von Eckstadt, die beiden Bruder Schmidt u. a. Als seinen Antecessor, Vorgänger, von dem er die Ordensmatrikel übernommen habe bezeichnet Hund den Br. C. G. von Marsehall Ritter vom Reißbrette (eques a tabula designatoria). Einen Organisationsplan hat er von diesem aber nicht übernommen, denn man merkt deutlich, wie sich die Strikte Observanz nur langsam aufbaut.
Templeridee
Grundgedanke ist die Templeridee. Man hielt sich für berechtigte Nachfahren der alten Tempelritter, die sich hinter dem Maurerschurz solange gedeckt haben sollten. Die Rituale der ersten vier Grade wurden aus Frankreich eingeführt. Den V. und VI. Grad hat Hund wie Runkel meint, aus dem Gedächtnis niedergeschrieben. Vielleicht hat er sie auch erfunden. Das Beispiel der Weltmacht der alten Templer und ihre Reichtümer wirkten vorbildlich. Man wollte auch materiell fundiert sein. Daher die verschiedenen Projekte ökonomischer Plane (und die Idee durch Errichtung eines "Departements für Arbeiten in chymicis, mechanicis et commercialibus" zu Geld zu kommen.
Freimaurerisch aufgebautes Ritualsystem
Das freimaurerisch aufgebaute Ritualsystem umfaßte die drei Johannisgrade, den IV., schottischen, Grad- als V. Grad das Noviziat (die Loge hieß daher Novizenhaus). Der VI. Grad brachte den für würdig Befundenen die Ritterweihe. Der Kandidat erhielt hierbei die Ordenstracht und wurde mit Helm und Harnisch bekleidet. Später (1770) kam als VII. Grad der eques professus (s. d.) (der Ritter des Großen Gelübdes) dazu.
In Nachahmung des alten Templerbrauchtums wurde die Erde in Provinzen aufgeteilt. Die Kapitel der Ritter wurden Präfekturen, die mit den ältertümlichen Namen belegt wurden:
- Berlin = Templin
- Prag = Rodomskoi
- Dresden = Gommern
- Hamburg = Jvenack
- Wien = St. Pölten u. a.
Die Ordenstracht bestand aus weißer Tunika und einem weißen Mantel mit dem roten Templerkreuz. Außerdem gab es eine Uniform (s. Ordenstracht): purpurner Rock mit goldenen Bändern, hellblaue Weste, Ritterkreuz mit rotem Band, Degen und Federhut. Die Ordensgebieter waren unter dem Heermeister Priore, Subpriore, Großkomture, Präfekten und Commendatoren. Die Loge führte den Namen Hauskommende, der Vorsitzende Meister den Titel Hauskomtur. Die Verpflichtung der Mitglieder geschah durch die sogenannte "Obödienzakte" , in der im Gegensatz zu den Logen "later Observanz" dem "rituali strictae Observantiae" unbedingter, blinder Gehorsam gelobt wurde.
Weiterentwicklung
Die historische Weiterentwicklung möge unter Hund nachgelesen werden. Hier kommt es im Wesentlichen auf Inhalt und Form der Strikten Observanz an. Man kann deren Initiatoren eine große organisatorische Begabung nicht absprechen. Hierher gehört auch, daß die Zentrale durch Sendboten Proselyten suchte. Einer dieser Apostel war Johann Christian Schubart von Kleefeld, der nach dem scharfen Urteile Bodes (a. d.) "die einträgliche Kommission" übernahm, umherzuziehen, um der Provinz kontribuale Menschen zu verschaffen". Dieser Schubart (s. d.) bereiste in Geschäften des Ordens die deutschen Lande und trieb dabei auch wie ein Steuerexekutor die Beiträge ein. Denn man hatte Große Pläne im Orden (s. Labrador) und insbesondere, wie bereits erwähnt, einen "ökonomischen Plan" (s. d.), eine Pensionskasse, die in ihrer Anlage beweist, daß die modernen Templer wohl gute Leute, aber sehr schlechte — Versicherungstechniker waren.
Immerhin mag dieser Plan manchen angelockt haben. Verbindungen derartiger handgreiflicher Vorteile mit dem Freimaurertum lagen im Geiste der Zeit (a. Ludwig von Hessen und die Grünstadter Lehrart). Man errechnete ein Kapital von 2,000.000 Talern und Leibrenten von 500 Reichstalern jährlich für jeden Ritter und dessen Nachkommen! Von Hund, der bereit war, zwei Güter, Unwürde und Kittlitz, zu schenken, war dem ökonomischen Plan nicht gewogen. Er sah darin eine zu materialistische Verwässerung seines idealen Zweckes. Um sich die Fürsten geneigt zu machen, dachte man auch an die Errichtung einer Militärakademie.
Trotz innerer Gebrechen erwies sich die Organisation nach außen hin bald gefestigt. Das beweist nicht zuletzt die Mühelosigkeit, mit der Konkurrenzunternehmungen aufgesaugt werden konnten. Betriebsame Hochstapler wie Rosa und Johnson wurden vom Licht angezogen und verbrannten. Ernster war die Auseinandersetzung mit dem Klerikat. Der Gegenseitigkeitsvertrag, der zustande kam, stellt beiden Teilen, Hund und Starck, ein Klugheitszeugnis aus. Nur mit dem selbstherrlichen Zinnendorf konnte kein Vergleich erzielt werden.
26 deutsche Fürsten
Ein großer äußerer Erfolg war es, als Herzog Ferdinand von Braunschweig 1772 zum Magnus superior ordinis per Germaniam inferiorem gewählt wurde. Als dieser 1775 in feierlicher Prozession zum Konvent von Braunschweig zog, gehörten 26 deutsche Fürsten seinem System an. Aber das System ging schließlich trotz dem äußeren Ritterprunk an seiner Inhaltslosigkeit zugrunde. Runkel (, Geschichte der Freimaurerei in Deutschland" I., 228) meint: "Jedenfalls war die Strikte Observanz in dem Lustrum von 1763—1768 die erfolgreichste Organisation, die geeignet schien, die freimaurerische Sehnsucht der damaligen Zeit zu erfüllen, bis etwas Besseres kam."
Ihr Ende fand sie im Abschied des "General-Orden-Convents gehalten zu Wilhelmsbad bei Hanau, in den Monaten Julius und August 1782", einem neuen, dehnbaren Statut, das allgemein nicht befriedigte. Die Mehrzahl der Großlogen und Logen sagte sich los. Der feudale Gedanke des Rittertums hatte ausgespielt, die Gedanken der bürgerlichen Revolution kundigten sich an. Die Ritter im Harnisch wurden Gespenster der Ahnengalerie, die nur noch mit vagen Vorstellungen von geheimen Oberen und ritterlichem Herkommen verbunden blieben.
Für Lessing war das System stets eine "Träumerei", für Goethe eine "weiß-rote Maskerade" gewesen.
In verschiedenen Atavismen der Deutschen Hochgradsysteme lebt das Rittertum der Strikten Observanz fort. Ihr letzter Ausläufer ist das helvetische Priorat des "Régime Rectifié" (des Rektifizierten Ritus (s. d.)) in Genf, das sich rühmen darf, ihr letzter direkter Sproß zu sein.
Man hat von Hund ungünstig beurteilt. Er war im gewissen Sinne ein "Besessener". Sicher kein Betrüger, wahrscheinlich ein Betrogener. Es fällt schwer, ihn als geistig vollwertig anzusprechen, aber Gewinnsucht lag ihm fern. Das hat sein finanzieller Bankrott genügend erwiesen. Was sich um ihn scharte, weist alle Gradstufen vom Industrieritter bis zum lebensuntüchtigen, weltfremden Idealisten auf.
Die Strikte Observanz ist ein Kapitel der Deutschen Freimaurergeschichte
Man tut ihm nicht Gewalt an, wenn man es als trauriges Kapitel bezeichnet. Vieles ist unklar an diesem Seitenzweig der Deutschen Freimaurerei. Von der Entstehung angefangen bis zu den eigentlichen Zielen. Was wollte von Hund mit einem Ritterspiel? War wirklich jesuitischer Einfluß im Gange?
Wollten die Diplomaten der Societas Jesu diesen kleinen leichtgläubigen Landjunker ihren Zwecken vorspannen, um in den Deutschen Adels- und Intelligenzkreisen den Katholizismus an Stelle des Protestantismus zu setzen? Das wäre immerhin eine ganz Große Konzeption gewesen, die auch viel Menschenkenntnis verriete. Was wollte Starck mit seinem geistlichen Konkurrenzunternehmen?
All diese Fragen bleiben offen. Dafür bleibt ein Wust von Akten, Briefen, Protokollen, der menschliche Schwächen, Eitelkeiten, Eifersüchteleien aufdeckt. Vergebens sucht man nach irgendeiner Leistung. Vergebens nach einem klaren Plan, vergebens nach einem bleibenden Wert. Die innerlich großen Freimaurer der Zeit zogen sich zurück. Die Strikte Observanz hat nichts gefördert, aber alles in der Entwicklung verzögert. Sie starb zur rechten Zeit.