Rezension: Angela Cerinotti - La Massoneria: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 13. Mai 2010, 19:18 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Eine vorzügliche Geschichte der Freimaurerei
Rezension von Br Roland Müller
Angela Cerinotti: La Massoneria – Il vincolo fraterno che gioca con la storia. Florenz, Mailand: Giunti Editore 2005; dt.: Die Freimaurer. Ein Geheimbund und seine Geschichte. Berlin: Parthas Verlag 2008.
Das handliche und gefällige Büchlein ist von einer Frau geschrieben. Leider gibt der Verlag keinerlei persönliche Angaben preis. Immerhin ist eine kleine Schrift mit dem gleichen Untertitel bereits 1998 als „Perche la massoneria“ in Colognola ai Colli bei Demetra erschienen.
Erstaunlich nüchtern, sachlich und gut informiert berichtet sie von den verschiedenen Möglichkeiten der Herkunft der Freimaurerei: Bauwesen, Tempelritter, Royal Society, Rosenkreuzer, Jakobiten. Die Übersetzung aus dem Italienischen ist stellenweise etwas schwerfällig, trübt aber die trefflichen Skizzen einzelner Ereignisse oder Gruppierungen nicht. Die Illustrationen sind zahlreich und trefflich ausgewählt.
Die Ausbreitung der Freimaurerei von 1717 bis heute
Über die Hälfte des Umfangs - etwa 70 von 120 Seiten – ist der Ausbreitung der Freimaurerei seit 1717 gewidmet. Die Charakterisierung mit dem Haupttitel „Wechselwirkung mit der Geschichte“ erhellt: Die Entwicklung der Freimaurerei findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern eingebettet in die politische, gesellschaftliche und religiöse Entwicklung des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Freimaurerei ist weniger ein Geheimbund als eine kulturell wichtige und einflussreiche Institution der letzten 300 Jahre, „Anfangs war die Freimaurerei ein englisches Phänomen und bald Teil der Sozialstruktur des Landes, weil sie aufgrund ihres uralten Ursprungs, des hohen gesellschaftlichen Stands ihrer Mitglieder und des Schutzes, den ihr die Politik gewährte, ein durchaus anziehendes Modell darstellte. Das verbreitete sich denn auch sehr bald auf dem Kontinent, allerdings weit weniger geradlinig als das britische Vorbild. Als die Werkmaurerei zugunsten der spekulativen Freimaurerei aufgegeben wurde, führte dies nämlich zu Überlagerungen mit anderen hermetischen Lehren. Darüberhinaus sollte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die eher ‚politische’ Entscheidung für eine nach Staaten organisierte, engmaschige Verbreitung nationaler Logen treten“ (42).
Verständlich, dass das Hauptgewicht auf der Maurerei in Italien liegt und Deutschland - abgesehen von den Illuminaten und den frühen Rittersystemen – sowie die USA nur am Rande behandelt werden. Ausgerechnet die Schilderungen von Politik und Freimaurerei in Italien sind jedoch blass und wenig klar. Immerhin werden Skandale wie der Banca Romana (1892/93) und der „P2“ (1969-82) oder der interventionistischen und faschistischen Parteigänger (1914-25) nicht ausgespart. Und was sonst über Zeitepochen (Aufklärung und Romantik, Sozialismus, Faschismus und Nationalsozialismus) und Personen (Ramsay, Napoleon, Atatürk, und viele andere) geboten wird, ist ausserordentlich informativ und erst noch anschaulich beschrieben.
Kleine Fehler: klassische und andere
Einige klassische Fehler haben sich eingeschlichen: Die „Magistri Comacini“ (10) sind eine Falschinterpretation, Diderot (40) und d’Alembert (41), Gluck und Händel (beide 56, 124), Paganini und Berlioz (69) waren keine Freimaurer, Condorcet (41) vermutlich auch nicht; ebenso sind Goldoni (45), Beethoven (56, 124) und Friedrich von Schlegel (69 – geboren 1772) fraglich. Noch nirgendwo sonst stand, Nietzsche sei „in Wirklichkeit“ ein „überzeugter Freimaurer“ (124) gewesen. Gewiss arbeiteten die Logen in den Niederlanden um 1700 noch nicht „nach Schottischem Ritus“ (42). Schreibfehler betreffen unter anderem die UGLE (nicht: Vereinigte Grossloge der Alten Freimaurer von England, 21), die Vornamen des Verschwörungstheoretikers Charles-Louis Cadet de Gassicourt (50) und des Physikers Nicholas Léonard Sadi Carnot (69) sowie die „Sala delle adunanze“ in Turin (57).
Leichtfertig behauptet Frau Cerinotti, dass in Portugal „Herrscher und Regierung der Freimaurerei mit der Zeit immer günstiger gesinnt“ gewesen seien (43). Das Gegenteil ist der Fall: Verfolgung und Ermordung von Freimaurern in Portugal über mehr als 200 Jahre ist eines der düstersten Kapitel in der Geschichte des Landes.
Das Bild auf Seite 30 ist seitenverkehrt, das Bild auf Seite 34 zeigt nicht den „Initiationsritus eines Neophyten“, sondern den Beginn der Meistererhebung. Auf der Schema-Zeichnung des Tempels (112) sind Osten und Westen vertauscht und fehlt der Meister vom Stuhl; auf seinem Platz sitzt der „2. Schaffner“. Der Spruch auf der amerikanischen Dollarnote heisst „Novus Ordo Seclorum“, nicht „Saeculorum“ (121).
Edmondo De Amicis zauberhaftes Jugendbuch „Cuore“ 73) erschien bereits 1888. Die Anzahl der Freimaurer in den USA beträgt heute nicht mehr drei Millionen (82), sondern nur noch die Hälfte. Der „Grande Oriente d’Italia“ (92, 102) hat 1993 das Prädikat „regulär“ an die viel kleinere „Gran Loggia Regolare d’Italia“ abgeben müssen. Die Schweizerische Grossloge heisst „Alpina“ nicht „Alpine“ (101). Auch sonst sind unter „Freimaurerei made in USA“ und in der kleinen, gut kommentierten Übersicht über die weltweite Freimaurerei einige Angaben nicht ganz korrekt, insbesondere die Mitgliederzahlen; so haben die USA statt „mehr als drei Millionen“ (82) nur noch halb so viel, hat Kanada (99) statt einer halben Million Brüder bloss etwa 120 000; Kuba hat dafür 34 000 (statt 20 000), die Türkei 11 000 (statt 4500).
Freimaurerei „besser verstehen“
Der dritte Teil des Büchleins gilt dem Programm: „Besser verstehen“. Und tatsächlich gelingt es der Autorin, in knappster Form die drei Grade der blauen Maurerei und die Hochgrade (auch 55, 66), das „Maurergeheimnis“ sowie die Symbolik, den Buchstaben G und die Bekleidung zu skizzieren. Mit dem „Collar“ meint sie wohl das Meisterband. Zum Geheimnis formuliert sie: „Es liegt in der spirituellen Dimension der Suche des Einzelnen, sowie in der geistigen Nahrung und den Anregungen, die aus der Bruderbindung erwachsen“ (111). Was schliesslich Zweck und Ziele des Ordens anlangt, meint sie: „Die Freimaurerei teilt mit einem Grossteil der religiösen und ethischen Konzepte der Geschichte die Überzeugung, der Mensch sei vervollkommnungsfähig (perfektibel): Daher schlägt sie dem Individuum den Weg spiritueller Entwicklung vor. Es handelt sich für jeden um einen gänzlich autonomen und subjektiven Weg, auch wenn das ‚heilige’ Ambiente des Tempels sowie das Bewusstsein, zum ‚Corpus’ einer Loge zu gehören, grundsätzlich Mittel zur Orientierung sind. Auf der andern Seite ermöglicht die ‚korporative Dimension’, die von jedem Bruder erreichten Resultate miteinander zu teilen, was auch ein kollektives Weiterkommen bedeutet, das sich in der äusseren Welt nicht nur durch philanthropische Initiativen widerspiegeln sollte, sondern auch durch ein Engagement für eine ‚wahre, gesunde und nicht parteiische Gerechtigkeit’ zum Wohle der gesamten Menschheit“ (120-121).
Bemerkenswert informiert und informativ
Fazit: Angela Cerinotti hat sich bemerkenswert gut informiert und wesentliche Autoren konsultiert. Umso ärgerlich sind die vielen unnötigen und ärgerlichen Fehler. Sonst liegt ein intelligentes, in aller Kürze umfassendes und klug illustriertes Büchlein vor. Es bietet dem Laien einen lebendigen und unverstellten Einblick in die Freimaurerei und sogar den gebildeten Freimaurern mancherlei neue Erkenntnisse.
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