Italien

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Freimaurerei in Italien

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

Toskana

Da Italien im 18. und bis zum dritten Viertel des 19. Jahrhunderts ein geographischer, nicht aber ein staatlich einheitlicher Begriff war, vollzog sich die Entwicklung der Freimaurerei in den einzelnen Landesteilen unter sehr verschiedenen Bedingungen. Die ersten Nachrichten über Freimaurerei auf der Apenninenhalbinsel stammen aus Florenz. Die Stadt am Arno war im 18. Jahrhundert berühmt durch ihre naturwissenschaftlichen Museen (Accademia del Cimento und Accademia Botanica) und wurde besonders von den Engländern viel besucht. Als Gründer wird Charles Sackville, Earl of Middlesex, Sohn des Earls of Dorset, bezeichnet, der 1733 eine Loge in Florenz gestiftet haben soll.

Da Sackville bei seiner Abreise von London erst 19 Jahre alt war, also unter dem englischen Aufnahmealter stand, so scheint der Hergang vielmehr so gewesen zu sein, daß er in Florenz in eine bereits bestehende Loge aufgenommen wurde. Jedenfalls aber war er Meister vom Stuhl der Loge, denn es wurde im gleichen Jahre von Natter eine Denkmünze modelliert, auf der er als Magister Florentinus bezeichnet wird. Die Loge kam in Florenz in der Via Maggio im Gasthause des Paccio (Pascione) zusammen. Als erster Stuhlmeister wird auch ein "Monsiù Fox" genannt, nach Sbigoli Henry Fox, der spätere Lord Holland, Staatssekretär Georgs II. und Vater des berühmten englischen Politikers Charles James Fox. Anscheinend haben zu dieser Zeit auch noch in anderen toskanischen Städten Logen bestanden, denn der Großherzog Gaston Medici erließ 1737 ein Verbot der Freimaurerei. Nach seinem Tode ging Toskana an Franz Stephan von Lothringen über, der selbst Freimaurer war. Von einer Beteiligung des späteren deutschen Kaisers Franz an Logenarbeiten ist nichts bekannt.

Die Freimaurerei blieb unbehelligt, bis die päpstliche Kurie auf eine Loge in Livorno aufmerksam wurde, die aus Katholiken, Protestanten und Juden zusammengesetzt war. Es wurden sogar Verhaftungen vorgenommen, da man in der Loge eine Zelle des Unglaubens vermutete, aber das Verfahren wurde eingestellt. 1738 erließ Clemens XII. die bekannte Bulle "In eminenti". Der Kardinal Firrao ergänzte sie durch Durchführungsbestimmungen besonders scharfer Art für den Kirchenstaat und ließ 1739 Freimaurerbücher durch den Henker öffentlich verbrennen. In Toskana hatte die Bulle keine weiteren Folgen, die Logen breiteten sich sogar aus und faßten in Livorno, Mailand, Verona, Venedig, auch im Königreiche NeapeI Fuß. Eine Ausnahme bildete in Florenz der Fall des Dichters Tommaso Crudelli (s. d.), der, 1739 der Inquisition denunziert, wegen Häresie verfolgt und, nachdem er im Gefängnis gefoltert worden war, auf Betreiben des Herzogs zwar freiging, aber an den Folgen der Haft, nur 43 Jahre alt, starb.

Venedig

In Venedig werden wir über die Freimaurerei durch die Schicksale Casanovas unterrichtet. Casanova, der in Lyon aufgenommen war, hatte die Söhne der Frau Lucia Memmo Pisani, Bernardo und Lorenzo, in den Bund eingeführt. Die Mutter behauptete nun, Casanova verführe ihre Söhne zu Ausschweifung und Atheismus. Ein Freund ihres Hauses, Antonio Mocenigo, übernahm die Anzeige bei den Behörden, zumal er Casanova auch wegen der Verführung seines Neffen Bragadino zu kabbalistischer Beschäftigung grollte. Casanova selbst hat prahlerischerweise seine Maurerabzeichen dem Spion Manuzzi, der mit seiner Überwachung betraut war, vorgewiesen Er wurde am 27. Juli 1755 verhaftet und am 12. September zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, ein Strafausmaß, das ihm nicht mitgeteilt wurde. Daher dann auch seine Flucht aus den Bleikammern (1. November 1756). Dabei ist Casanova, wie Guggitz schreibt noch immer gut weggekommen. Denn 1783 wurde in Venedig der Marchese Vivaldi als Freimaurer verhaftet und im Gefängnis erdrosselt, worauf man seinen Leichnam maskiert mit folgender Inschrift öffentlich ausstellte: "So behandelt die Republik die Freimaurer".

Neapel

Im Königreich beider Sizilien taucht die Freimaurerei sehr frühzeitig auf. Karl III erließ gegen sie 1751 nach der päpstlichen Bulle "Providas" ein strenges Verbot. Um diese Zeit arbeiteten in Neapel die Logen "Uguaglianza", "La Pace", "L'Amicizia", es gab Logen in Capua, Messina, Caltagirone, Catania, Aversa und Gaeta. England setzte 1762 den Br. Manuzzi zum Provinzial-Großmeister für Italien ein. Die neapolitanischen Logen vereinigten sich zu einer Großloge, genannt "Del Zelo", und wählten zum Großmeister den Fürsten di Caramanica der als Vertrauter der Königin Caroline (Tochter Kaiser Franz I.) galt. Neben dieser National-Großloge arbeitete zu gleicher Zeit die englische Provinzial-Großloge unter dem Duc adella Rocca und eine französische Loge.

Aber Ferdinand IV. und sein Minister Tanucci waren der Freimaurerei gram. Als 1776 am Feste des heiligen Januarius das Volk auf das Wunder des Blutes wartete und dieses nicht fließen wollte, rannten gekaufte Weiber durch die Gassen und schrien, der Heilige versage das Wunder, weil die Stadt mit der Pest der Maurerei angesteckt sei. Nur mit Mühe gelang es, die aufgestachelte Menge von Ausschreitungen abzuhalten. Aber Ferdinand hatte nun einen "Grund" zum Einschreiten. Eine große Zahl von Brr. wurde ins Gefängnis geworfen unter ihnen auch der Abbate Antonio Jerocades (s. d.), ein begeisterter Sänger des freimaurerischen Gedankens.

Da erwuchs unerwartete Hilfe von Seite der Königin. Sie ließ die Strafverordnungen des Ministers Tanucci zurücknehmen, stellte diesen kalt und hätte es gerne gesehen, wenn auch der König selbst Freimaurer geworden wäre. Dieser wollte sich aber aus einem merkwürdigen Grunde nicht anschließen. Er fürchtete sich vor den Prüfungen bei der Aufnahme, von denen ihm jemand erzählt hatte, daß sie an den Mut des Kandidaten größte Anforderungen stellten. In einem Brief an den Papst führte er aber gegen seine Gemahlin Klage: "Die Freimaurerei wird von meiner Frau protegiert, die in jedem Belang regieren will." Alle möglichen Systeme waren am Werk, nicht zuletzt auch die Strikte Observanz. Die Gunst der Königin schwand aber mit einem Schlage, als die Französische Revolution sich gegen ihre unglückliche Schwester Marie Antoinette erhob. Haß gegen alle liberalen Gedanken kam in ihr zur Herrschaft und in dessen Gefolge stärkste Antipathie gegen die Logen...

1792 ankerte eine Flotte der französischen Republik im Hafen von Neapel. Das Jakobinertum hielt seinen Einzug. Von diesem Augenblick an veränderte, wie Ulisse Bacci in seinem "Libro del Massone Italiano" schreibt (1922), die Freimaurerei in Italien ihren Charakter. Sie wurde "ein gelehriges Werkzeug der regierenden Gewalten".

In den anderen Staaten: Die National-Großloge von Österreich gründete 1784 in der Lombardei Logen in Mailand, Cremona u. a. Orten. Nach 1738 entstanden auch Logen in Sardinien und Piemont. Auch der Schottische Ritus faßte bald fuß.

Kirchenstaat

Im Kirchenstaat stiftete 1742 Martin Folkes (s. d.) eine Loge in Rom, woran ebenfalls eine Freimaurermedaille erinnert. Aber schon vorher bestand in Rom (1735 bis 1737) eine jakobitische Loge, der engagierte Parteigänger der Stuarts angehörten, so der Earl of Winton, der aus dem Tower in London entsprungen war, ehe das Todesurteil wegen Beteiligung am Aufstand von 1715 vollstreckt werden konnte, und John Murray of Broughton, der Sekretär des Prätendenten Karl Eduards (s. d.), der dann später von seinem Herrn abfiel. 1787 wurde in Rom eine Loge "Amici sinceri" eröffnet, die in einem Hause nahe Trinità del Monte arbeitete und dem Grand Orient de France unterstellt war. Ihre Gründer waren fünf Franzosen, ein Amerikaner und ein Pole. Zu ihren Mitgliedern gehörte Don Sigismondo Chigi (s. d.), Herzog von Farnese, der Kustode des Konklaves und ständiger Marschall der Heiligen römischen Kirche. Die Loge wurde nach dem Prozeß gegen Cagliostro behördlich eingestellt (1789).

Napoleonische Maurerei

Die Freimaurerei erhielt eine Neuorientierung durch die veränderten staatlichen Verhältnisse des Napoleonischen Zeitalters. Die französischen Armeelogen kamen nach Italien. 1801 wurde in Mailand eine Loge "L'heureuse rencontre" gegründet. In der österreichischen Zeit hatte die Loge "De la Concorde" (1785 1787), die Visconti, Trivulzio, Beccaria, Castelbarco mit den Spitzen der Wiener Bürokratie den Wilczeks und Künigls und anderen vereinigt. Während der napoleonischen Herrschaft sah die italienische Freimaurerei genau so aus, wie ihre französische Schwester: in den Logen dominierten die Marschälle, die Ritter der Ehrenlegion, die Senatoren und Deputierten.
1803 entstand eine Loge in Mantua,
1805 ein Oberster Rat für das Königreich Italien in Mailand. Der Vizekönig Eugen Beauharnais, Stiefsohn Napoleons I., wurde Großmeister.
1804 bildete sich in Neapel ein Grand Orient de la division militaire du Royaume d'Italie, der sich
1805 mit dem Mailander Grand Orient vereinigte.
1809 wurde ein besonderer Grand Orient de Naples errichtet, an dessen Spitze der König von Neapel, Joachim Murat (s. d.), trat.

Die Restauration der alten Regierungen nach dem Jahre 1814 hatte zunächst die Einstellung jeder freimaurerischen Arbeit zur Folge. Besonders scharf wendete sich der aus dem Exil heimgekehrte Papst Pius VII. gegen die "Staatsgefährlichkeit" der Freimaurer.

Risorgimento

In diesem Zeitraum begann, zuerst in Süditalien, eine eigenartige Bewegung hervorzutreten. Überall entstanden geheime Sekten mit radikalen politischen Tendenzen. Die radikalste unter ihnen war der Geheimbund der Carbonari (s. d.), der Kohlenbrenner, deren Brauchtum sich in mancher Hinsicht an das der Freimaurerei anlehnte, und denen vielleicht in einzelnen Orten die Loge als der geeignete Organisationsboden für ihre Absichten erschien. An Stelle der Loge trat bei den "Köhlern" die "Hütte", in denen den "Guten Vettern", so nannten sich die Mitglieder, als heiligste Pflicht der Kampf gegen die Tyrannei verkündet wurde, oder, wie die Carbonari das in ihrer symbolischen Sprache ausdrückten: "die Jagd auf die Wölfe des Waldes". Man hat in der Folge oft behauptet, die Carbonari sei mit der Freimaurerei identisch gewesen. Aber das ist nicht der Fall. Eine Identität der Freimaurerei und der italienischen politisch aktiven Geheimbünde ist niemals festgestellt worden.

Die Ankläger selbst sind von dieser Behauptung abgerückt. Während Pius VII. in seiner Bulle vom 13. August 1814 noch erklärte, die Carbonari sei ein neuer Name für die Freimaurerei, wurde sie in der Bulle "Ecclesiam" vom September 1821 "vielleicht als Ableger oder doch gewiß eine Nachahmung der Freimaurerei" bezeichnet. Gewiß gab es in dieser Freiheitsbewegung, die man nicht mit der Maffia oder Camorra in einen Topf werfen darf, auch Freimaurer, so den Großen italienischen Patrioten Mazzini, den von einem dritten Rom träumenden Gründer des Jungen Italien". Denn die Freimaurerei vereinigte damals in ihrem Schoße "die ersten Geister, die feurissten Herzen, die stolzesten Willensmenschen und die kühnsten Charaktere" (Bakunin).

Aber der Unterschied zwischen Freimaurerei und Carboneria trat doch zutage. In der Freimaurerei wohl eine abstrakte Idee, im Carbonaritum der unbedingte Wille zu revolutionarem Handeln. Man hat das dadurch überbrücken wollen, daß man die Carbonari als eine "Unterabteilung" des Bundes, als eine Art volkstamliche Maurerei stigmatisierte, die von der Idee zur Tat, von der Abstraktion zum kon kreten Plan, von der Auseinandersetzung über Prinzipien zu deren Betätigung im staatlichen Leben geschritten sei. Das ist aber nicht richtig gesehen: um in diesem Sinne aktivistisch hervorzutretens hätten die Freimaurer nicht des Umweges über eine Neugründung mit fremdartigen, komplizierten Ritualen bedurft.

Eines allerdings hatte die italienische Freimaurerei mit der Carboneria gemein: beide später nur die Logen trugen in hohem Maße dazu bei, in der Bevölkerung der italienischen Staaten das Gefühl für nationale Einheit und Freiheit, für ein größeres Italien zu wecken. Man findet die Namen der Männer, die zu diesem Neubau beitrugen, zu einem Großteil in den Matrikeln der italienischen Bauhütten.

In Neapel wurde die Zugehörigkeit zur Freimaurerei unter Kerkerstrafe gestellt (1816). Trotzdem arbeiteten um 1820 wieder Logen, denen ein neuerlicher Erlaß 1821 die Tätigkeit einstellte. Der Großorient beider Sizilien mußte sich 1821 auflösen, als nach der Niederwerfung des Carbonariregimes nach dem Laibacher Kongreß ein wildes Terrorregime einsetzte. Mit dem Erstarken der Freiheits- und Einheitsbewegung um die Jahrhundertmitte rührten sich auch die Bauhütten wieder kräftig, nachdem eine Loge in Palermo 1848 sich mit einem Eintagsdasein hatte begnügen müssen. Von Frankreich aus waren 1856 die Loge "Trionfo Ligure" in Genua und 1860 die Loge "Amici veri virtuosi" in Livorno gegründet worden. 1861 entstand in Turin die Logo "Ausonia. Andere Städte folgten. Im gleichen Jahre wurde der in Montevideo aufgenommene Garibaldi (s. d.) in Neapel in der Loge "Sebezia" affilliert. Die Loge nahm gegleich den Namen Gran Madre Loggia oder Grande Oriente de Napolian. An Garibaldis Bestrebungen hatten Freimaurer hervorragenden Anteil.

In einer Schrift von Buscalioni ("La R :M: L.-., Ausonia" e "La Spedizione de Mille" 1915) steht folgendes zu lesen: "Der Zug der Tausend wurde von Br. Mazzini inspiriert, von den Brr- Crispi, Bertani und Lafarina ausgearbeitet. Man Führ auf zwei Schiffen, die der Freimaurer Fauch e zur Verfügung gestellt hatte; die Geldmittel hatten die Brr. Lafarina und C. M. Buscalioni beigesteuert- Befehlshaber war Br. Garibaldi sein Unterführer Br. Bixio, und auch ihre offiziere und Freiwillige waren Großteils Freimaurer- Insgeheim wurden sie von Br. Cavour unterstützt . . . Diese legendär anmutende, heroische Expedition, die in der Geschichte nicht ihresgleichen hat, bedeutet für die italienische Freimaurerei eines ihrer größten Ruhmesblätter."

Es ist in diesem Zusammenhang auch ein Geistlicher, Fra Giovanni Pantaleo, zu nennen, der Lektor der Philosophie in einem Franziskanerkloster war und sich Garibaldi und seinen Freiwilligen auf ihrem Zuge als Kaplan zur Verfügung stellte. Er meldete sich nach den erfolgreichen Kämpen seines Helden bei der Loge " Fede Italica" an. In seinem Aufnahmegesuch schrieb er: "Beruf: Priester. Bekenner des allgemeinen Priestertums der Völkerfreiheit". In Palermo führte Garibaldi alle seine Offiziere dem Bunde zu.

Organisationen

Für den 26. Dezember 1861 wurde eine konstituierende Versammlung nach Turin einberufen, um an die Einsetzung einer zentralen Großloge (Großorient) schreiten zu können. Für die Ausbreitung der Freimaurerei um diese Zeit spricht die Anwesenheitsliste. Es waren vertreten Logen von Rom, Ascoli, Bologna, Cagliari, Florenz, Genua, Livorno, Messina, Mondovi, Macerata, Pisa, Mailand, Tunis, Turin, Cairo, Alessandria. Da der erste gewählte Großmeister Delpino wegen seines hohen Alters verzichtete, wurde der Gesandte in Paris, Graf Nigra (s. d.) als Großmeister erkoren. An seine Stelle trat schon im folgen den Jahr der fruhere Minister Cordova (s. d.). Die herrschende politische Zersplitterung I. färbte bald auch auf die Freimaurerei ab. An Einheit war lange nicht zu denken. Neben dem Grande Oriente von Turin bestand die Madre Loggia capitulare Dante AlIighieri, die den Schottischen Ritus propagierte, in Neapel arbeitete ein Großorient, ebenso ein Großorient unter Garibaldi in Palermo.

Zur Bereinigung dieser Gegensätze wurde 1864 nach Florenz ein Kongreß einberufen, an dem fünf Großlogen (Turin, Neapel Palermo, Turin-Schottisch und Livorno) teilnahmen. An die Spitze wurde ein Verwaltungs ausschuß gestellt und Garibaldi zum Großmeister gewählt. Garibaldi nahm mit Brief vom 6. Juni 1864 die Großmeisterwürde an. Da aber gegen ihn bald politische Bedenken laut wurden, resignierte er nach kurzer Zeit. Neuerdings wurde das Bild der Obedienzen chaotisch. Ein neuer Logenbund in Turin trat auf den Plan: Vorsitzender wurde Professor Franchi. Der Consiglio del Rito Simbolico" verlegte seinen Sitz nach Mailand, der Grande Oriente die Zentrale nach Florenz. Daneben entstanden wieder zwei Oberste Räte in Palermo, die Garibaldi und der Fürst Sant'Elia leiteten.

Erst 1868 vereinigten sich alle diese mehr durch Provinzialismen als durch wirkliche maurerische Gründsätze getrennten Körperschaften, wobei nur noch der Suprêmo Consiglio in Palermo unter Sant'Elia selbstandig bestehen blieb. Da sich nunmehr auch die lange zögernde Mutterloge "Ausonia" in Turin mit ihren Filialen zum Beitritte geneigt zeigte, schien die Einheit der italienischen Freimaurerei endlich hergestellt.

Unter Frapollis (s. d.) Vorsitz trat 1869 wieder ein Kongreß von 150 Logen in Florenz zusammen und einigte sich auf allgemeine Gründsätze, die teilweise scharf antiklerikal waren.

Der Großorient

Als Rom 1870 mit dem Königreiche vereinigt wurde, verlegte der Grande Oriente seinen Sitz dorthin und wählte den gewesenen toskanischen Triumvirn und Mitstreiter Garibaldis, Giuseppe Mazzoni (s. d.) zum Großmeister. Nachdem 1873 auch noch der Oberste Rat von Palermo sich dem Grando Oriente angeschlossen hatte, war auch die maurerische Einheit in I. vollzogen. Am 17. Marz 1872 zeigten sich die Freimaurer I. zum ersten Male mit ihren Bannern in feierlicher Prozession auf den Straßen Roms.

Sie geleiteten den Großen Kämpfer für die Einheit I., ihren Br. Mazzini, zur letzten Ruhestatte. 1875 weihten sie den ersten Tempel in Rom ein. Die Gedenktafel tragt den Text: "Templum hoc Romae a servitute redemptae liberi structores Italici justitiae veritäti sacrarunt". Immer wieder war in der Folge die italienische Freimaurerei bestrebt, ihre völkische Eigenart zu beweisen. So nahm sie mit allen ihren Bannern 1877 an der Enthallung des Garibaldi-Denkmals in Mentana teil. Sie beteiligte sich in imposanter Weise an den Trauerfeierlichkeiten für Viktor Emanuel II. Dem italienischen Geiste entsprechend, verfocht sie leidenschaftlich die Rechte des jungen Königreiches gegen die papstlichen Ansprache. Der bedeutsamste 20. September, der den Sieg über den Kirchenstaat gebracht hatte, wurde ihr Feiertag. Daher ihre stete kulturkämpferische Stellungnahme, die durch schwerste Angriffe von papstlicher Seite (Leo XIII.) nur noch verstarkt wurde. In diesem Geiste beging sie auch 1878 die Hundertjahrfeiern Voltaires und Rousseaus.

Neue Streitigkeiten, hauptsachlich wegen der Hochgrade, führten vorübergehende Spaltungen herbei, die nicht einzeln verzeichnet seien. Den Aufstieg der Freimaurerei in I. vermochten aber auch diese internen, mitunter sehr kleinlichen Differenzen nicht zu stören. Nach Mazzoni wurden Petroni, Frapolli, Adriano Lemmi, Ernesto Nathan, Ettore Ferrari (s. alle diese) Großmeister. Die Enzyklika Humanum Genus (1884) beantworteten die italienischen Freimaurer, indem sie auf dem Campo di Fiori ein Giordano Bruno-Denkmal Ferraris enthüllten (1889). An der Stelle, wo Brunos Geist in den Flammen des Scheiterhaufens aufgegangen war, hielt Giovanni Bovio (s. d.), umgeben von mehr als 100 Freimaurerfahnen und mehr als 3000 Freimaurern, eine Rede, in der er dem Dogma den "pensiero concorde delle nazioni" entgegenhielt. 1893 übersiedelte der Grande Oriente in den Palazzo Borghese. Die feindliche Presse schrie von Bestechung und Korruption.

Schwierigkeiten bereitete dem Grande Oriente die Haltung des Br. Ministerpräsidenten Francesco Crispi, der 1894 eine papstfreundliche Rede in Neapel gehalten hatte. Großmeister Lemmi sprach den darob grollenden oberitalienischen Logen das Recht ab, einen Br. wegen politischer Äußerungen zur Verantwortung zu ziehen, und ging mit der Auflösung einzelner Logen vor. Aber die entstandene Unruhe im Großorient veranlaßte ihn schließlich zum Rücktritt. Ihm folgte Ernesto Nathan, der natürliche Sohn Mazzmis, Burgermeister von Rom (1896). Heftige Angriffe auf die Freimaurerei, so die des Staatsrates Ruomoldo Bonfadini zwangen den Grande Oriente immer wieder zu öffentlicher Abwehr.

Mit feurigen Stanzen Carduccis nahm die italienische Freimaureirei an der Enthülung des Dante-Denkmals im "unerlösten" Trient teil. Im Jahre 1898 kam es zu einem Bruch mit dem Grand Orient de France, der trotz wiederholt vorher ergangener Warnung eine im Zusammenhang mit dem Fall Crispi entstandene sezessionistische Gruppe in Mailand anerkannt hatte. Die Beziehungen ruhten langere Zeit. 1901 bezog der Grande Oriente den Palazzo Giustiniani, in dem er bis zur Unterdrückung der Freimaurerei durch den Faschismus arbeitete.

Politik

Man hat der italienischen Freimaurerei den Vorwurf gemacht, daß sie sich politisch betätigt habe. Die Politik des Grande Oriente war die des italienischen Liberalismus, der national und antiklerikal gerichtet war. Es gibt kein bedeutenderes Ereignis der italienischen Politik, zu dem der Grande Oriente nicht in diesem Sinn Stellung nimmt. Das zitierte Buch von Ulisse Bacci, dem ehemaligen Großsekretär, ist geradezu nach politischen Ereignissen eingeteilt. Verwundern darf dies um so weniger, als fast alle Großen Politiker des Risorgimento und der italienischen Wiedergeburt dem Freimaurerbund angehörten, und die Brr. es daher für ihre geheiligte Pflicht halten mußten, das Programm ihrer Nationalhelden treu zu bewahren. Folgendermaßen hat das der Großmeister Ernesto Nathan ausgedruckt:

"Wir sind keine politische, wohl aber eine patriotische Gesellschaft", wurde immer wieder ausgesprochen. "Wir italienischen Freimaurer sind nicht antikatholisch, denn wir achten jede Überzeugung, und nichts ist falscher als die Behauptung, wir seien Bekämpfer der Religion. Wie könnten sich sonst in unserer Kette Menschen jeglichen Glaubens verbrüdern. Menschen, von denen wir nur eines fordern: dem ewigen Gesetz des Fortschrittes zu gehorchen. Nie haben wir eine Religion angegriffen, aber wir befehden die klerikale Partei, diese Partei, die sich der Religion bedient, um I. wieder in Unfreiheit zu stürzen. Wir befehden alle die die Religion Sonderinteressen untertan machen wollen, aber wir legen keiner wie immer gearteten überzeugung Fesseln an. Wir sind auch weder die Inspiratoren gewisser politischer Schulen, noch die Sachverwalter bestimmter politischer Gruppen.

Unser politisches Konzept hat nichts mit jenen Schulen zu tun, die die Geister auf Doktrinen festlegen, nichts mit den Gruppen, die sich die Macht streitig machen. Wir sind stets und vor allem Italiener Indem wir unserem Vaterlande mit Hingabe dienen, glauben wir der ganzen Menschheit zu nützen." Mit einem Wort: Der Großorient betrachtete sich als Schule der Freiheit, der Toleranz, der bürgerlichen Erziehung, als aber den Parteien stehender Hüter der besten liberalen Traditionen. Er stand mit dieser Meinung nicht etwa allein da; sie entsprach der Anschauung weitester italienischer Kreise und wurde auch von den offiziellen Stellen oftmals zum Ausdruck gebracht.

Es liegt im Wesen der romanischen Freimaurerei, daß sie, wo sie es ihren Idealen schuldig zu sein glaubt, gerne ihre Stimme erhebt (,Elevez la voix!" schrieb im Weltkrieg der belgische Großmeister Maguette an die deutschen Großlogen, als belgische Arbeiter nach Deutschland transportiert werden sollten). Der Kampf, den die italienischen Freimauer für notwendig erachteten, spielte auf politischem Gebiet und wurde daher von ihnen auch mit politischen Mitteln ausgetragen.

Erfüllt von dem Gedanken an die unzerstörbare Einheit ihres Vaterlandes und von der Idee, alles, was italienischer Nationalität, unter die Trikolore des geeinten Königreiches zu bringen war die italienische Freimaurerei auch im österreichischen Sinne irredentistisch. Wie sie die Enthüllung des Trientiner Trutzdenkmals begrüßte, so trauerte sie auch um den italienischen Patrioten Oberdan. Die Abneigung gegen die Osterreicher, die fremden Bedrücker aus dem Vormärz, lag ihr im Blute.

Freimaurerei und Weltkrieg

Und daraus erklärt sich auch ihre Stellungnahme im verhängnisvollen Jahre 1914. Am 30. Juli 1914 sprach der italienische Großmeister von der Gefährdung der nationalen Interessen, von der Möglichkeit der Vervollständigung der nationalen Einheit. Der Zugeordnete Großmeister Gustavo Canti nahm an einer Versammlung im Teatro Manzoni in Rom teil bei welcher der österreichische Irredentist Battistini eine flammende Rede hielt, und schloß daran Worte der Erinnerung an die italienischen Märtyrer vom Spielberg, die Opfer der Gräben von Mantua, und forderte die Jugend zum Kampfe auf gegen "l'eterno barbaro!" Auf eine Anfrage des Deutschen Großlogenbundes vom 5. November 1914, ob die in den Zeitungen veröffentlichten Mitteilungen über dreibundfeindliche Kundgebungen der italienischen Maurer wahr seien, antworteten diese zunächst vieldeutig. Sie leiteten dann ein Hilfswerk für die Flüchtlinge aus dem Trento ein. Sehr bezeichnend war eine Rede, die G. de Vincentüs in Tarent hielt.

Er sagte: "O Volk von Italien, Du Siegfried Latiums, der Tag, an dem Dein Kuß das schlafende Madchen weckt, ist nahe! Wann wird das Schwert auf den Alpen leuchten, das der politische Mime nicht zu schmieden versteht, und das nur geschmiedet werden kann von der Kraft der Liebe." Als am 5. Mai 1915 das Denkmal der tausend Garibaldiner in Quarto eingeweiht wurde Gabriele d'Annunzio hielt die Festtrede umrahmten die Fahnen von 400 italienischen Logen den Festplatz. Neun Tage später trat Italien in den Weltkrieg ein.

Der Großorient sprach in einer Botschaft von einem lang erwarteten Ereignis, das er begrüßte. Gleichzeitig werden Hilfsaktionen verschiedenster Art beschlossen. Der durch das Wolff-Büro bekanntgegebene Abbruch der Beziehungen der deutschen Großlogen wurde rühig zur Kenntnis genommen, die Sympathie erklärungen der französischen Freimaurer lebhaft begrüßt. Der Großmeister Nathan, der in amtlicher Eigenschaft in Amerika weilte und dort bleiben sollte, eilte zurück, um freiwillig an der Front zu kämpfen. Vergebens hatte der Großorient der Niederlande die italienischen Brr. ermahnt (April 1915), die feindselige Haltung gegenüber den deutschen Brr. einzudämmen. Die patriotische und nationale Welle schlug über ihnen zusammen.

Die Erklärungen des Grande Oriente während des Krieges, nach dem Waffenstillstand und zur Zeit der Friedensschlüsse können übergangen werden. Es steht in ihnen nichts anderes, als in den Erklärungen freimaurerischer Körperschaften anderer Völker zu lesen steht. Der Unterschied liegt höchstens in folgendem: der deutsche, der englische, französische, amerikanische Freimaur-er begleitete die sein Volk betreffenden Ereignisse mit der Leidenschaft seines Nationalbewußtseins, diente seinem Vaterland als Soldat. Nie war das Wort Fichtes, daß Vaterlandsliebe des Freimaurers Tat ist, lebendiger als in den Tagen des Weltkrieges. Aber der italienische Freimaurer ging darüber noch hinaus. Er trachtete, daß der Orden eingreife, hielt es und da stand er im Gegensatz zu den Auffassungen und den Handlungen der übrigen anderen Freimaurereien der Welt für selbstverstandlich, das der Großorient als solcher in dem Kampf um höhere nationale und freiheitliche Güter (das war er nach italienischer Auffassung) in besonderem Maß in Erscheinung trete. Dabei darf aber nicht übersehen werden und das gilt für die gesamte Politik der italienischen Freimaurerei daß da gar nichts Geheimes im Spiel war, daß nicht "von unbekannten Oberen" Drähte gezogen wurden; alles ging in der breitesten Offentlichkeit vor sich, und immer, wenn der Großorient auf den Plan trat, waren die Plakatwände mit seinen Affichen bedeckt, brachten die Zeitungen seine Verlautbarungen.

Der glühende Nationalismus und dessen patriotische Betätigung wurden der italienischen Freimaurerei dann freilich schlecht gelohnt. Der Faschismus hat sie von Anfang an nicht neben sich geduldet und ihr in einem verhaltnismäßig kurzen, aber ungemein heftigen Kämpf den Garaus bereitet.

Faschismus

Als nach dem Marsch auf Rom die Faschisten zur Macht gelangten, gab es in I. zwei blaue Obedienzen, den "Grande Oriente" der im Palazzo Giustiniani residierte, und die weit kleinere National-Großloge, "Gran Loggia Nazionale", die in Verbindung mit dem Supremo Consiglio d'Italia den A. u. A. Schottischen Ritus repräsentierte und nach ihrem Sitz auch "Freimaurerei der Piazza Gesi" genannt wurde. An der Spitze des Großorients stand in diesem Augenblick als Großmeister der Senator Domizio Torrigiani (s. d.), den Schottischen Ritus leitete der Großkommandeur Raoul Palermi.

Auch beim Großorient gab es einen Obersten Rat des XXXIII. Grades; dessen Großkommandeur war Ettore Ferrari (s. d.). Die Auseinandersetzung des Faschismus mit der Freimaurerei (zunachst eigentlich nur mit dem Großorient) wurde am 13. Februar 1923 deutlich sichtbar. An diesem Tag wurde folgendes bekanntgegeben. Der Große Faschistenrat hat beschlossen: In der Erwägung, daß die letzten politischen Ereignisse, die Haltung und gewisse Beschlüsse der Freimaurerei begründeten Anlaß zur Anahme geben, daß die Freimaurerei Programme verfolgt und Methoden anwendet, die im Widerspruch zu denen stehen, die die ganze Tätigkeit des Faschismus inspirieren, fordert der Rat die Faschisten, die Freimaurer sind, auf, zwischen der Zugehörigkeit zur nationalen Faschistenpartei oder zur Freimaurerei zu wahlen. Denn für die Faschisten gibt es nur eine einzige Dieziplin, die des Faschismus, nur eine einzige Hierarchie, die des Faschismus, und nur einen einzigen Gehorsam, den absoluten, unterwürfigen und jederzeitigen Gehorsam gegenüber dem Duce und den anderen Führern des Faschismus."

Diese Erklärung erregte nicht geringes Erstaunen, trotzdem bekannt war, daß zu Beginn der faschistischen Tätigkeit auch Freimaurer sich in dessen Reihen führend betätigt hatten, und daß beispielsweise der General Luigi Capello (s. d.) den Marsch nach Rom mitgemacht hatte. Man wußte, daß der Großorient es dann aber abgelehnt hatte, als solcher sich dem Faschismus zu verschreiben. Anfangs Februar hatte die Generalversammlung des Symbolischen Ritus des Großorients dessen Verfassung in enger Anlehnung an die Konstitution der angelsacheischen Großloge revidiert und dann über eine gleichzeitige Besprechung des faschistischen Problems folgendes Communiqué ausgegeben

Die Generalversammlung erörterte die Frage, wie der Begriff der vaterlandischen Pflicht in diesem bedeutsamen Augenblick des nationalen Lebens auszulegen sei. Die Debatte an der Brr. in hoher politischer Stellung teilnahmen, zeigte, daß die Freimaurerei niemals zu einer politischen Partei werden kann, daß sie im Interesse des vaterlandischen Gedänkens über allen Parteien stehen muß. Auch in dieser Stunde die begreiflicherweise auch die Merkmale aller revolutionaren Bewegungen aufweist, kann und darf der Bund der Freimaurer nicht von seinen Traditionen abgehen, die sich auf die Anschauung von der Souveranität des Volkes als unerschütterlichem Fundament unseres bürgerlichen Lebens stützt."

Nach der faschistischen Kampfansage ließ das Direktorium des Großorients den Brr. Faschisten völlige Freiheit, "alle Beziehungen zur Freimaurerei abzubrechen, um dem Fascio loyal weiterdienen zu können", "diejenigen, die so handeln, werden durch diesen ihren Schritt beweisen, das ihnen in den Logen als oberstes Gesetz die Vaterlandsliebe eingeimpft wurde" (Erklärung vom 18. Februar 1923). Es erfolgten auch manche Austritte- weit mehr Freimaurer aber kehrten dem Faschismus den Rükken, verzichteten auf alle sich bietenden Chancen, um dem Ideal der Demokratie treu zu bleiben.

Unter anderen trat General Capello aus der faschistischen Partei aus. Kutze Zeit später veröffentlichte der Großmeister Torrigiani ein Graubuch "Massoneria e Fascismo". Daraus ging hervor, daß schon ein am 19. Oktober 1922, also vor dem Sieg des Faschismus, erlassenes Rundschreiben des Großmeisters sich gegen jede Gewalt als normale politische Kampfmethode ausgesprochen hatte. Der Faschismus sei in seinen Anfangen als notwendiges Befreiungswerk erschienen, als es sich darum handelte, der Anarchie und der dröhenden Aufrichtung der Diktatur des Proletariats entgegenzutreten. Jetzt aber hatten die Brr. Faschisten dafür Sorge zu tragen, das das Tun des Fascio nicht zu Terror ausarte.

Dazu erklärte Torrigiani im Graubuch:

"Freimaurer kann man nur dann werden wenn man dem Vaterland und dem Freiheitsgedanken wirklich ergeben ist. Aber man legt sich damit nicht auf ein politisches Glaubensbekenntnis fest. In unseren Reihen ist Platz für die verschiedensten politischen Anschauungen... Wie wir in allem unserem Tun stets das Wohl des Vaterlandes im Auge haben, so auch bei unserer Einstellung zum Faschismus. Unser Streben war darauf gerichtet, mitzuwirken an der Entgiftung des politischen Haders an der Bekämpfung der grausamen Gewaltakte und an der Befriedung I. Den Gedanken der Humanität, das Bewustsein der Bruderschaft der Nationen wollten wir verbreiten. Das sind auch heute die Richtlinien unserer Arbeit. Und deshalb wollen wir hoffen, daß die faschistischen Theorien nicht Formen annehmen, die allen Begriffen von Demokratie und Freiheit ins Gesicht schlagen und auf Diktatur, auf Oligarchie hinauslaufen."

Ende 1923 begannen aber in zahlreichen italienischen Städten wüste Ausschreitungen faschistischer Trupps gegen Freimaurer logen. In Prato, Pistoia, Termoli, Monte Leone Lucca, Turin, Mailand, Bologna, Venedig, Livorno, Perugia, Bari, Tarent usw. wurde Logeneigentum zerstört. Proteste beim Justiz minister, dann bei Mussolini blieben ohne Erfolg. Die Beschlüsse über die Inkompatibilitat der Zugehörigkeit zur Freimaurerei und zum Faschismus wurden auf Antrag Bodreros am 5. August 1924 vom Großen Faschistenrat verscharft.

Der Großorient schloß seinerseits faschistische Funktionare, die das Gebot ignorierten, aus seinen Reihen aus. Die Brandschatzungen (Florenz, Genua, Livorno, Pisa, Venedig, Palermo usw.) gingen weiter; in Rom kam es wiederholt zu nachtlichen Sturmangriffen von Schwarzhemden auf den Palazzo Giustiniani. Eine amtliche Kommission veröffentlichte in einem Memorandum Material über die Freimaurerei, das deren Anteil am Risorgimento verkleinern sollte. Immer wieder protestierten die Freimaurer gegen das Gewaltregime. Nach dem Mord an Matteotti war General Capello einer der ersten, der öffentlich erklärte daß es mit Terror nicht weitergehen könne. Auch der Republikaner Eugenio Chiesa, der in der Kammer seine Stimme in so aufsehen erregender Weise erhob, als es um die Schuldfrage im Fall Matteotti ging, war Freimaurer. Im Dezember 1924 führte Torrigiani in Mailand aus, der Faschismus bedeute geistig und moralisch ohnen Ruckschritt. Nun wurde auch nichtfaschistischen Beamten und Offizieren die Logenzugehörigkeit verboten.

Am 10. Janner 1925 brachte der Ministerrat im italienischen Parlament auf Vorschlag des Innenministers ein Antifreimaurergesetz ein. Dieses beinhaltete den Zwang zur Einreichung der Mitgliederlisten und genauester Auskunfterteilung an die Polizei (auf Zuwiderhandeln wurden Gefangnisstrafen und hohe Geldbußen gesetzt) ferner das Verbot für alle Beamtenkategorien, Mitglieder "geheimer Gesellschaften" oder solcher Organisationen zu sein, "die durch Eid zum Geheimnis verpflichten". Im Mai 1925 wurde das Gesetz von der Kammer bei namentlicher Abstimmung "einstimmig" angenommen; die mehr als 220 Abgeordneten der Opposition waren freilich nicht zugegen.

Der Großorient arbeitete weiter. Am 6. September 1925 wurde von der von mehr als 500 Delegierten besuchten Generalversammlung Torrigiani wiederum zum Großmeister gewählt; seine aüberordentlich en Vollmachten bestätigt. Er erklärte, die italienische Freimaurerei werde sich nie durch Terror abhalten lassen, ihre Stimme gegen die ungesetzliche Diktatur zu erbeben. Daraufhin wurde der Kampf noch scharfer. Hohe Beamte wurden gemaßregelt und apokryphe Dokumente in der "Idea Nazionale" sollten dartun, daß die italienische Freimaurerei auslandische Befehle befolge und die volle Ausnützang des Sieges im Weltkrieg dadurch verhindert habe, daß sie gegen imperialistische Aktionen in nichtitalienischen Gebieten aufgetreten sei. In der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 1925 kam es zu schweren Bluttaten in Florenz, zu Mord und Brandstiftung.

In dieser "Bartholomau6naeht" wurden u. a. der Eisenbahner N e e i o l i n i, der Kriegsinvahde Exdeputierte Pilati und der Rechtsanwalt Console getötet. Den Schlusstein bildete dann der Prozes gegen General Capello, die Behauptung von dessen Teilnahme an dem Attentateplan des gewesenen Abgeordneten Zaniboni im November 1925. Der Verhaftung des Generals folgte die militarische Besetzung des Großorients und der übrigen italienischen Logenhauser (In diesen Tagen wurde auch vom senat das Antifreimaurergesetz augenommen. Dagegen sprachen sich die früheren Unterrichts minister Ruffini und Benedetto Croce, der berühmte Gelehrte, aus.) Trotzdem Capello auch nicht das geringste nachzuweisen war (Hauptzeuge gegen ihn war ein Lockspitzel namens Quaglia), wurde er vom Sondergerichtshof unschuldig zu 30 Jahren Zuchthaus verurteilt (s. Capello). Am nachsten Tag wurde der Großmeister Torrigiani, der mittlerweile alle Logen des Großorients aufgelöst hatte, verhaftet und von der Konfinierungskommission "wegen Agitätion gegen Regime und Staat" ohne jede Verhändlung auf fünf Jahre nach den Liparischen Inseln verbannt, "trotzdem schon die Voruntersuchung seine Nichtbeteiligung an dem Komplott festgestellt hatte", wie sogar die klerikale, antifreimaurerische Berliner "Germania" feststellte. Zahlreiche andere Freimaurer ereilte das gleiche Schieksal. Seither existiert in I. keine Freimaurerei mehr. (Stand 1932 Anm. der Red.)

In der Emigration lebende italienische Freimaurer haben in Paris unter der Grand Loge de France zwei Logen gegründet, "Italia" und "Italia nuova". 1930 wurde von einem Teil dieser Brr. auf Gründ von Vollmachten des mittlerweile verstorbenen Großkommandeurs Ettore Ferrari (s. d.) eine Reorganisation des Großorients im Auslande angebahnt. Vorübergehender Sitz dieser Organisation ist London. Der Platz des Großmeisters und seines ersten Zugeordneten wurde freigehalten. als zweiter Zugeordneter Großmeister fungierte zenachst Eugenio Chiesa (s. d.), nach dessen Tod trat Professor Arturo Labriola (s. d.) an seine Stelle.

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