Wolfgang Amadeus Mozart - Mensch, Genie, Freimaurer

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Wolfgang Amadeus Mozart - Mensch, Genie, Freimaurer

Dies ist das Mozart-Kapitel aus dem Buch von
Heinz SICHROVSKY:
"MOZART, MOWGLI, SHERLOCK HOLMES -
Die königliche Kunst in Musik und Dichtung der Freimaurer"
Löcker-Verlag, Wien 2013.

Wir danken dem Autor, dass er diesen Text für das Freimaurer-Wiki zur Verfügung gestellt hat.


„Laut verkünde uns’re Freude“

Das sicher prominenteste, womöglich sogar wichtigste Kapitel eines Buches mit der Befürchtung des Scheiterns einleiten zu müssen, ist keine frohe Perspektive. Wie aber soll man sich einem Thema, zu dem schon Bibliotheken verfasst wurden, noch nähern? Zunächst müsste man höflich geschätzte 50 Prozent Unsinn widerlegen, und da wären offenbare Abstrusitäten noch gar nicht eingerechnet. Ganz gewiss nicht wurde Mozart von Freimaurern ermordet – weder vom sexuell eifersüchtigen Fabrikanten Hofdemel noch vom beruflich eifersüchtigen Komponisten Salieri, zumal der gar kein Freimaurer war. Auch dass man ihn wegen des Verrats von Ritualbestandteilen und Erkennungszeichen in der „Zauberflöte“ beseitigt hätte, spottet jeder Logik: Nicht nur, dass die eigentlich zuständigen Librettisten Schikaneder und Gieseke nach der Uraufführung keinerlei Anstalten zum Verscheiden trafen: Nur in Wien und nur zwischen 1770 und 1800 wurden 21 Theaterstücke mit zum Teil sehr dezidierter Freimaurerthematik aufgeführt. Tatsächlich starb einer der Verfasser, der deutsche Komödiendichter August Kotzebue, eines unnatürlichen Todes. Doch erdolchte ihn ein einschlägig unverdächtiger radikaler Burschenschafter aus patriotischen Gründen.

Auch seriöse Gelehrte wurden auf die Irrwege der Betriebsblindheit verschlagen. So verwendet der Musikwissenschafter Hans-Josef Irmen ein halbes Buch auf die Beweisführung, praktisch jeder Takt der „Zauberflöte“ wäre nach einem Code gearbeitet. Dabei habe Mozart nicht etwa geheime Botschaften transportiert – wohinter man noch Restbestände von Folgerichtigkeit erblicken könnte – , sondern vielmehr z. B. in den ersten Takten der Tamino-Arie den aufrüttelnden Hinweis „Prinz“ verborgen. Guy Wagners sonst verdienstvolles Werk „Bruder Mozart“ unterschiebt, jenseits jeder Verhältnismäßigkeit, je zwei Streichquartetten und -quintetten, vier Symphonien, zwei Klavierkonzerten und einem Divertimento masonische Subtexte. Selbst im Sammelband „Das Mozart-Kompendium“, ediert vom großen Wissenschafter und Freimaurer Harold Robbins Landon, durfte der Franzose Philippe Autexier unter dem Titel „Freimaurerei“ kriminellen Unsinn distribuieren.

So, als reichte es nicht, dass Mozart, von der „Zauberflöte“ abgesehen, das bedeutendste freimaurerisch konnotierte Werk der Musikgeschichte schrieb, nämlich die „Maurerische Trauermusik“. Dazu verfasste er die erhebliche Zahl von zehn Freimaurergesängen. Fatalerweise existieren von den beiden interessantesten, der Todessymbolik des dritten Grades verpflichteten, nur noch die Texte.

Mozarts maurerischer Weg

Mozart wurde am Dienstag, dem 14. Dezember 1784, in die Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen. Zu jener Zeit wohnte der spätere berühmte Komponist Johann Nepomuk Hummel bei den Mozarts an der Nobeladresse Domgasse 5 nebst dem Stephansdom. Mozart hatte das hochbegabte achtjährige Kind als Lehrbuben in seine Wohnung aufgenommen, und Hummel ist eine etwas idealisierte, aber doch treffende Beschreibung zu danken: „Er war klein von Gestalt, etwas blasser Gesichtsfarbe; seine Physiognomie hatte viel angenehmes und freundliches, mit etwas melancholischem Ernst verbunden; sein großes blaues Auge strahlte hell. Im Zirkel guter Freunde konnte er auch recht heiter, munter, witzig, ja sogar über manche Dinge satyrisch werden!“ Unerwähnt blieb Mozarts nach einer Blattern-Erkrankung perforierte Gesichtshaut, treffend ist der Hinweis auf seine Körpergröße, die 150 bis 160 Zentimeter nicht überschritten haben dürfte.

Mozart war zur Zeit seiner Aufnahme einer der berühmtesten – und ein überaus wohlhabender – Einwohner des Habsburger-Reiches. Er leistete sich ein edles Reitpferd, das Äquivalent zu einem Ferrari unserer Tage, und trug die ausgesuchteste Kleidung. Als er starb, hinterließ er außer gewaltigen Schulden nur einen unermesslichen Kleiderschrank mit Erlesenstem aus den teuersten Importstoffen der damaligen Welt.

Die Fachwelt ist sich uneins, an welcher Adresse Mozarts Loge ansässig war. Häufig wird die heutige Landskrongasse beim Hohen Markt genannt. Wahrscheinlicher aber führte Mozarts Weg an jenem Abend über den Stephansplatz die Rotenturmstraße hinunter, nach links zum Hohen Markt und an der späteren Ankeruhr vorbei in die Nähe der Ruprechtskirche: in das letzte Stückchen der Sterngasse, das über eine Stiege erreichbar ist. Dort stand das im Besitz des Barons Weinbrenner befindliche Haus Nummer 464 Zum Rothen Krebs, dessen zweiten Stock die Freimaurerloge „Zur Wohltätigkeit“ gemietet hatte.

Der Suchende Mozart hatte sich am frühen Abend einzufinden und wurde zunächst in die „dunkle Kammer des stillen Nachdenkens“ geführt. Dort sollte er, umgeben von Symbolen des Todes und der Vergänglichkeit, darüber nachdenken, ob er den folgenden Schritt tatsächlich wagen wolle. Er musste sein Wams und seinen Degen abgeben, beide wurden fortgetragen, um ihn daran zu erinnern, dass der Mensch sein Leben lang so hilflos und bloß wie ein Neugeborenes ist. Sein Hemd wurde geöffnet und die linke Schulter bis zur Brust entblößt – ein pragmatischer Vorgang, um sicherzustellen, dass sich keine Frau Zutritt verschaffen wollte. Das rechte Hosenbein streckte er bis über das Knie auf, um Ehrfurcht vor Gott zu demonstrieren. Zweieinhalb Stunden später wurden ihm die Augen verbunden, und er musste den linken Schuh zum Pantoffel niedertreten – die nun folgenden Wege legte er hinkend zurück, ein Symbol der Unvollkommenheit. Der in statu nascendi Befindliche wurde an eine Pforte geführt, nach seinem Namen gefragt und schließlich ins Innere des Tempels gebracht. Am Eingang des rechteckigen Raumes standen vor zwei Säulen die Pulte der Aufseher. Vis a vis thronte auf einem Podest der Meister vom Stuhl der Loge „Zur Wohltätigkeit“: Mozarts alter Freund und Förderer Otto Freiherr von Gemmingen, der schon eine Deutschland-Tournee des Jugendlichen unterstützt hatte und nun einen erwachsenen Mann von fast 29 Jahren in die Freimaurerei einführte.

An den Längsseiten saßen in zwei Reihen die Brüder. Aber sie waren aufgefordert, vollkommene Stille zu wahren, so dass Mozart keine Ahnung hatte, ob sich überhaupt jemand im Raum befand. So verharrte man fünf Minuten lang. Dann wurde Mozart auf die „drei Reisen“ geführt: Er umrundete dreimal den Tempel und wurde zwischendurch von nicht zuzuordnenden Stimmen zu Selbsterkenntnis und Beherrschung gemahnt. Dabei trat ein Unhold wieder in Aktion, der ihn schon in der Dunklen Kammer zu destabilisieren versucht hatte: der so genannte „fürchterliche Bruder“, auch „frère terrible“, dessen Aufgabe es war, die Furchtlosigkeit und Standhaftigkeit des Suchenden zu prüfen. Die zugehörigen Examinationen wurden mit großer Drastik vorgenommen. Man bewarf den Suchenden im Sinne der vier Elemente mit Erde, blies ihn mit der Windmaschine an, bespritzte ihn mit Wasser und erschreckte ihn mit Feuer. Der „fürchterliche Bruder“ gab dabei vor, ein Brandeisen heiß zu machen, um den Aufgenommenen zu stempeln. Für ängstliche Naturen war das nichts. Es ist überliefert, dass einer vor Angst aus dem zweiten Stock sprang und sich erheblich verletzte.

Am Ende aber geschah nichts dergleichen, und dem neuen Bruder wurde das Große Licht erteilt: Die Binde wurde abgenommen, und er erblickte die anderen, die ihn stehend mit „Hurai“-Rufen akklamierten. Er wurde mit dem symbolischen Maurerschurz belehnt und war fortan Freimaurerlehrling, bereit, nach unbestimmter Zeit zum Gesellen und endlich zum Meister befördert zu werden.

Die österreichische Freimaurerei befand sich zu jener Zeit am Ende einer Hochblüte, wie sie sich wunderlicher nicht hätte entwickeln können: Der Bund stand unter Kirchenbann, um den sich allerdings niemand kümmerte, denn Kaiser Franz I. war selbst Freimaurer, sehr zum Missvergnügen seiner Gattin und Nachfolgerin Maria Theresia, die nach seinem Tod den Bund mehrfach verbieten ließ. Doch auch dieses Verbot wurde nicht umgesetzt, denn längst waren alle Schlüsselstellen des Staates mit Freimaurern besetzt.

Auch für aufgeklärte Weltgeistliche war es ein Statussymbol, Freimaurer zu sein. So wurde am selben Abend wie Mozart Kaplan Wenzel Summer aus Erdberg aufgenommen. Dabei ist bis heute ungeklärt, welche der Brüder je erfuhren, wo sie sich in Wahrheit befanden: Sowohl Mozarts Mutterloge „Zur Wohltätigkeit“ als auch die intellektuelle Eliteloge „Zur wahren Eintracht“, die er später regelmäßig besuchte, waren geheime Zentren der österreichischen Illuminaten-Filiale, die hier gesellschaftsverändernde Projekte betrieb, und zwar mit dem formulierten Ziel, die sich damals in vielen Lehrarten verwirklichende Freimaurerei zur Gänze in die Hand zu bekommen.

Mozarts Kontakte zum Bund reichten weit zurück. Leopold Mozart, der Vater, hatte es sich zum frühen Ziel gesetzt, den hochbegabten Sohn aus der reaktionären Enge des Fürsterzbistums Salzburg erlösen. Deshalb nahm er unter beträchtlichen Risken – er war Musiker am erzbischöflichen Hof – Kontakt mit den Freimaurern auf, die Wolfgang Amadeus Mozart früh protegierten. So datiert sein erstes Freimaurerlied aus dem Jahr 1772: Der Sechzehnjährige schrieb im Auftrag der Münchner Loge „Zur Beständigkeit“ den „Lobgesang auf die feyerliche Johannisloge“.

Treu bis ans Ende

Im Dezember 1784 wurde Mozart in die Loge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen. Er verlegte seine Interessen alsbald zur „Wahren Eintracht“, deren Meister vom Stuhl, der ranghohe Illuminat Ignaz von Born, ein wissenschaftlich-aufklärerisches Welt- und Logenbild verfolgte. Schon am 7. Jänner 1785 wurde Mozart in der „Wahren Eintracht“ zum Gesellen befördert und wenig später an unbekanntem Ort zum Meister erhoben. Am 6. April 1785 holte er seinen in Wien auf Besuch weilenden Vater zur „Wahren Eintracht“. Dort war schon am 11. Februar des nämlichen Jahres Joseph Haydn aufgenommen worden.

Beide kamen im letzten Augenblick, denn die führenden Illuminaten Born und Dietrichstein-Proskau hatten zu jener Zeit bei Joseph II. schon das fatale „Logenpatent“ angebahnt. Am 11. Dezember 1785 erging das unfreundlich über „Gaukeleyen“ mutmaßende kaiserliche Handbillett. Damit war der Anfang vom Ende eingeleitet, aus den acht Wiener Bauhütten wurden zwei illuminatisch kontrollierte Sammellogen. Dabei stand das Ganze nicht einmal dafür, denn die Illuminaten begannen sich zur nämlichen Zeit wegen innerer und äußerer Zerwürfnisse selbst aufzulösen.

Drei Wiener Logen, unter ihnen die „Wahre Eintracht“, schlossen sich in der Sammelloge „Zur Wahrheit“ unter Ignaz von Born als Meister vom Stuhl zusammen. Weitere drei, unter ihnen Mozarts Mutterloge „Zur Wohltätigkeit“, vereinigten sich in der „Neugekrönten Hoffnung“ unter Philipp Freiherr von Gebler, für dessen Initiationsdrama „Thamos, König in Ägypten“ Mozart 1773 die Schauspielmusik geschrieben hatte. Zwei Logen lösten sich freiwillig auf.

Die Sammellogen aber unterlagen umfassender behördlicher Überwachung, worauf sich der Mitgliederbestand zügig weiter reduzierte. Mit der Umsetzung des Logenpatents Anfang 1786 durfte die österreichische Freimaurerei als vorläufig liquidiert betrachtet werden, wenn auch der Todeskampf neun Jahre vorhielt.

Mozart konnte also gerade ein Jahr lang regulärer freimaurerischer Arbeit nachgehen und blieb doch bis zu seinem Tod am 5. Dezember 1791 treu. Die Umstände sind untersuchenswert.

Schon dass er nicht dem charismatischen Born in die Sammelloge „Zur Wahrheit“, sondern dem farblosen Gebler in die „Neugekrönte Hoffnung“ folgte, ist erstaunlich. Gewiss wäre es dem prominenten Mozart ein Leichtes gewesen, die Zuweisung zur ihm genehmen Loge zu erwirken. Born aber, der das Debakel führend mitverschuldet hatte, verlor nach dem Ende der Illuminaten jedes Interesse am Freimaurerbund, den er schon am 21. August 1786 verließ. Die „Wahrheit“ stellte die rituelle Arbeit ein Jahr später ein und löste sich 1789 auf. Womöglich war Mozart in die Aktivitäten und Pläne Borns doch intensiver eingeweiht als vermutet und wollte den Weg nicht mitgehen. Dass Born das Vorbild Sarastros wäre, wie Jahrzehnte später aufgebracht und seither ständig repetiert wurde, erscheint unter diesem Blickwinkel wenig glaubhaft.

Die „Neugekrönte Hoffnung“ jedenfalls, die sich später verkürzt „Gekrönte Hoffnung“ nannte, hielt bis zum 2. Dezember 1793 durch. Da war Mozart seit zwei Jahren verstorben, und so blieb er dem fast schon entvölkerten Bund tatsächlich bis zu seiner letzten Minute treu. Das ist nicht als pathetische Floskel zu verstehen: Am 18. November wurde zur Weihe eines neuen Tempels die „Kleine Freimaurerkantate“ uraufgeführt, das letzte Stück, das Mozart in sein eigenhändiges Werkverzeichnis eintrug. Keine drei Wochen später war er tot.

Sein freimaurerisches Werk wirft auch ohne Spekulationen und Zuschreibungen genügend Fragen auf. So entstanden, vom Jugendwerk „Lobegesang auf die feyerliche Johannisloge“ abgesehen, acht seiner elf masonischen Kompositionen zwischen Jänner 1785 und Jänner 1786. Es folgte eine Pause von sechs Jahren, bis er in seinem Todesjahr 1791 mit drei Kantaten zum Thema zurückkehrte und zusätzlich die „Zauberflöte“ schrieb. Damit widerlegt sich auch die oft geäußerte Vermutung, er wäre bei der Stange verblieben, um sich durch wirtschaftliche Notzeiten füttern zu lassen: Seine Schuldenkrise begann mit dem Misserfolg des „Figaro“ Mitte 1786 und wendete sich im Todesjahr 1791. Er engagierte sich für das Thema also nachweislich in Zeiten wirtschaftlicher Stabilität. In den harten Jahren dazwischen empfing er zwar auch von Brüdern in Wien und Prag Unterstützung, doch hatten die weitaus meisten zu jener Zeit den Bund schon verlassen, denn die Mitgliedschaft brachte mehr Repressalien als Vorteile. Der Kaufmann Johann Michael Puchberg vor allem, den Mozart ab 1788 mehrfach brieflich um Geld bat, ist ab 1787 in keinem Logenprotokoll mehr auffindbar.1791 war kaum noch ein namhafter Mensch Freimaurer. Gattin Constanze unterdrückte nach Mozarts Tod mit gutem Grund jeden Hinweis auf seine Zugehörigkeit. Dennoch ist ihr der Hinweis zu danken, dass Mozart am Ende seines Lebens noch eine Geheimgesellschaft mit Namen „Die Grotte“ gründen wollte – offenbar, weil er sich mit dem Verfall des Bundes nicht abfinden konnte.

Mozarts Freimaurermusik

Um Mozarts Standhaftigkeit und Beharrlichkeit auf den Grund zu gehen, muss man seine Freimaurermusik im Einzelnen untersuchen (und darf den im Alter von 16 Jahren verfassten „Lobegesang auf die feyerliche Johannisloge“ dabei vernachlässigen). Der Themenbereich war Mozart derart wichtig, dass er dafür eine eigene Tonartensymbolik entwickelte. Sie erklärt sich, wie schon im Kapitel zur Musik der Freimaurer ausgeführt, aus der Anzahl der b-Vorzeichen: Der Konsonant „b“ und die Zahl drei nehmen in der freimaurerischen Ritualistik besonderen Rang ein. So stehen Es-Dur und c-Moll, die Tonarten mit den drei b, im Zentrum von Mozarts Freimaurermusik. Es-Dur ist dabei die Grund- und Erkennungstonart, c-Moll die Tonart des Dunkels und des Todes. Das vorzeichenlose C-Dur ist die reine Tonart der Erlösung und Vollkommenheit.

Über diesem Tonartendreieck ist die „Maurerische Trauermusik“ errichtet, das Königswerk der masonischen Kulturgeschichte. Auch an den Eckdaten der „Zauberflöte“ lässt sich das Verfahren gut exemplifizieren, obwohl Mozart keinem starren Schema folgte: Es-Dur ist hier die Grundtonart, der Ouvertüre wie des glücklichen Endes. Im dunklen c-Moll beginnt Taminos Weg, als er, von der Schlange verfolgt und kaum seiner Sinne mächtig, auf die Bühne taumelt. In Es-Dur steht die Arie „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“, als ihm der Anblick Paminas ein Ziel gibt. In Es-Dur wird er vom Sprecher an der Pforte des Tempels empfangen, als seine Initiation beginnt. In c-Moll steht der Choral der Geharnischten, mit dem die lebensbedrohenden Prüfungen zum dritten Grad beginnen. In der Erlösungstonart C-Dur führt sie dann die Flöte durch Feuer und Wasser ans Ziel. Dass Sarastros programmatische Arie „In diesen heil’gen Hallen“ nicht in der Freimaurertonart Es-Dur, sondern in E-Dur steht, wurde Gegenstand mehrerer Theorien. Nikolaus Harnoncourt meint, Mozart habe sich mit der „Schurken-Tonart“ E-Dur vom Inhalt der Arie distanziert: „Wen solche Lehren nicht erfreu’n, verdienet nicht, ein Mensch zu sein“ entspräche gut der an Sarastros Hof gepflogenen Sklaverei und den grausamen Prügelstrafen.

Mozart baute, wie im vorhergehenden Kapitel ausgeführt, den Tonartenkanon sogar noch aus: Bei ihm wird der Kontext des Lehrlingsgrades bisweilen durch F-Dur mit nur einem b-Vorzeichen hergestellt, etwa im Priestermarsch und in Sarastros Anrufungsarie „O Isis und Osiris“ ganz am Beginn des Einweihungsrituals der „Zauberflöte“. Dem Gesellengrad ist B-Dur mit zwei b-Vorzeichen zugeordnet – exemplarisch im Gesang „Gesellenreise“.

Maurer-Gesellen-Lied für Singstimme und Klavier B-Dur, KV 468

Am 7. Jänner 1785 wurde Mozart, Arm in Arm mit dem k.k. Infanteriehauptmann Vincenz Marquis Canarisi, im Tempel der „Wahren Eintracht“ zum Gesellen befördert. Am 16. April folgte ihm sein eben erst aufgenommener Vater. Zu einem dieser Anlässe mag das Lied „Gesellenreise“ entstanden sein, ein Stück Ritualmusik, das während der Tempelarbeit gesungen wurde. Den Text des Schriftstellers Bruder Joseph Franz Ratschky hatte 1784 schon Johann Holzer vertont: der Mann, von dem das Mozart zugeschriebene „Bundeslied“ (und damit die österreichische Bundeshymne) in Wahrheit stammen dürfte. Holzer hatte, dem fröhlichen Gesellengrad entsprechend, ein unbeschwertes Klavierlied verfasst. Mozarts „Gesellenreise“ – in der zugehörigen Tonart B-Dur mit den beiden b-Vorzeichen – präsentiert sich feierlicher. Auffallend ist die lange Reihe jeweils zweier mit einander verbundener Noten. Diese so genannten „Zweierbindungen“ stehen bei Mozart oft für die Bruderkette. Mit dem Lied werden die Gesellen auf Reisen geschickt: Sie sollen auch andere Logen besuchen und sich so im brüderlich-sozialen Miteinander vervollkommnen.

   Die ihr einem neuen Grade
   der Erkenntnis nun euch naht,
   wandert fest auf eurem Pfade,
   wißt, es ist der Weisheit Pfad.
   Nur der unverdross'ne Mann
   mag dem Quell des Lichts sich nahn.
   Nehmt, o Pilger, zum Geleite
   eurer Brüder Segen mit!
   Vorsicht sei euch stets zur Seite;
   Wißgier leite euren Schritt!
   Prüft und werdet nie dem Wahn 
   träger Blindheit untertan!
   Rauh ist zwar des Lebens Reise,
   aber süß ist auch der Preis,
   der des Wand'rers harrt, der weise
   seine Fahrt zu nützen weiß.
   Glücklich, wer einst sagen kann:
   es ist Licht auf meiner Bahn!

Kantate: „Die Maurerfreude“ für Tenor und Männerchor, zwei Violinen, Viola, Bass, zwei Oboen, zwei Klarinetten und zwei Hörner Es-Dur, KV 471

Die Freimaurerei war bei Hof vielleicht nie einflussreicher als kurz vor ihrer selbstverschuldeten Implosion. Am 20. April 1785 richtete die „Wahre Eintracht“ zu Ehren ihres Stuhlmeisters Ignaz von Born eine so genannte „Tafelloge“ aus: Die rituellen Vorgänge wurden da in den Speisesaal verlegt und mit dem Brudermahl fusioniert. Zum Anlass schrieb der freisinnige Priester Franz von Petran eine Jubelkantate ganz im illuminatisch geprägten Geist der Loge: Die vieldeutige Grundtugend der Weisheit wird im Sinn von Aufklärung, Wissenschaft und Geistesbildung interpretiert. Mozart vertonte den selbstbewussten Text, in dem auch dem freimaurerfreundlichen Joseph II. gedankt wird, in seiner masonischen Haupttonart Es-Dur. Als sich Born dermaßen feiern ließ, hatte er beim Kaiser das fatale „Logenpatent“ schon angebahnt.

   Arie
   Sehen, wie dem starren Forscherauge
   die Natur ihr Anlitz nach und nach enthüllet;
   wie sie ihm mit hoher Weisheit
   voll den Sinn und voll das Herz mit Tugend füllet:
   das ist Maureraugenweide,
   wahre, heiße Mauerfreude.
   Rezitativ
   Sehen, wie die Weisheit und die Tugend
   an den Maurer, ihren Jünger,
   hold sich wenden, sprechen:
   Nimm, Geliebter, diese Kron'
   aus unsers ält'sten Sohns,
   aus Josephs Händen.
   Das ist das Jubelfest der Maurer,
   das der Triumph der Maurer.
   Arie mit Chor
   Drum singet und jauchzet, ihr Brüder!
   Laßt bis in die innersten Hallen
   des Tempels den Jubel der Lieder,
   laßt bis an die Wolken ihn schallen!
   Singt, Lorbeer hat Joseph,
   der Weise, zusammengebunden,
   mit Lorbeer die Schläfe
   dem Weisen der Maurer umwunden.

Maurerische Trauermusik für Streicher, 2 Oboen, Klarinette, Bassetthorn, Kontrafagott und 2 Waldhörner (später gegen 2 weitere Bassetthörner ausgetauscht) in c-Moll, KV 477

Möglicherweise am 31. Jänner 1785, sicher aber nicht wesentlich später, wurde Mozart zum Meister erhoben. Dieses Ritual ist der Höhepunkt im Leben jedes Freimaurers: Im Gedenken an den Tod Hirams, des Baumeisters des Salomonischen Tempels, stirbt er symbolisch, um als veredelter, neuer Mensch aufzustehen. Hiram wurde in der damaligen Ritualistik verbindlich, aber fälschlich, Adoniram genannt. Auf die im Erhebungsritual essenzielle Hiram-Legende bezieht sich nach fast konsensualem Forschungsstand die „Maurerische Trauermusik“, ein „Marche funebre“ von 69 Takten. Die Waldhörner wurden in einer späteren Fassung durch zwei Bassetthörner ersetzt: jene Tenorklarinette, die mit ihrem tiefen, rauen Klang auch in der „Zauberflöte“ Mozarts bevorzugtes Geheimnisinstrument ist.

Mozart selbst datierte das Werk mit Juli 1785 und verwirrte damit die Historiker: Denn die Brüder Herzog Georg August von Mecklenburg-Strelitz und Graf Franz Esterházy von Galantha, zu deren Begräbnis das Werk am 17. November 1785 in der Loge nachweislich aufgeführt wurde, waren zum Zeitpunkt der Komposition von ihrem Ende noch fünf Monate entfernt. Das mag nun ein Datierungsfehler sein. Wahrscheinlicher aber wurde die „Trauermusik“ ursprünglich zu einem anderen Zweck geschrieben: zur rituellen Begleitung der Meistererhebung.

Drei am Tempelbau beteiligte Gesellen – so erzählt die Hiram-Legende – wollten das geheime Codewort erpressen, das ihnen den Meistergrad und damit auch finanzielle Vorteile gebracht hätte. Hiram/Adoniram behielt das Meisterwort selbst unter Todesdrohung bei sich. Die drei Gesellen ermordeten ihn und verscharrten seinen Leichnam. König Salomo, seinen besten Mann vermissend, sandte indes drei Meister aus, um ihn zu suchen. Sie fanden ihn und bestimmten ein neues Meisterwort, da das alte ja hätte verraten sein können. Das Ende ist ein großartiges: Hiram lebt als Vorbild in jedem Freimaurer weiter, denn er verkörpert die Grundtugenden der Standhaftigkeit und Verschwiegenheit.

Diese Ereignisse muss man sich zum Verständnis der „Trauermusik“ vergegenwärtigen. Das Werk ist über Mozarts freimaurerischem Tonartendreieck c-Moll / Es-Dur / C-Dur errichtet. Der Beginn steht in verzweiflungsschwarzem c-Moll. Die von den Blasinstrumenten artikulierten Klagerufe formen eine Reihe von Zweierbindungen: je zwei mit einander verbundene Noten, Mozarts Symbol der Bruderkette. Doch sie sind durch Pausen getrennt – der Mord am Baumeister hat die Kette zerrissen.

Sichrowsky-Mozart-Trauermusik.jpg

Nun mengen sich, zur Zuversicht rufend, die hellen Streicher ins Geschehen. Sie artikulieren den Namen „Adoniram“ (wie später in Charles Gounods Oper „Die Königin von Saba“), und sie werden immer stärker.

Sichrowsky-Mozart+Gounod.jpg

Der Zug der suchenden Meister formiert sich: Es folgt, in der maurerischen Grundtonart Es-Dur, ein von den Holzbläsern ausgeführter und von den Streichern umspielter Gregorianischer Choral im Ton der Lamentationes des Jeremiah aus dem Alten Testament. Deren Inhalt ist die desperate Bezichtigung Jerusalems, sich von Gott abgewandt zu haben und daher von ihm verlassen worden zu sein. Die „Lamentationes“ zählen zum Repertoire der Katholischen Kirche während der Karwoche, werden aber auch in der jüdischen Liturgie zur Erinnerung an die Zerstörung des ersten Salomonischen Tempels gesungen.

Mozart zitiert den Choral nahezu identisch aus dem Requiem in c-Moll, das Joseph Haydns Bruder Michael 1771 zum Tod des Salzburger Fürsterzbischofs Sigismund von Schrattenbach komponierte. Den jüdischen Konnex kann er dennoch gekannt haben: Sein Bruder in der „Wahren Eintracht“ war der Sozialreformer Joseph von Sonnenfels, Sohn des Landesrabbiners von Brandenburg.

Ein immer erbitterterer Kampf zwischen Hell und Dunkel beginnt. Am Ende, in einem fünfstufigen Vorgang, der im historischen Ritual seine Entsprechung hat, siegt das Licht: aber nicht im Triumph, sondern in einem sekundenkurz anschwellenden und wieder verklingender Akkord in der Erlösungstonart C-Dur, mehr verstörend als sieghaft. So, als habe sich eine Tür einen Spaltbreit geöffnet, und hellstes Licht wäre herausgedrungen, ehe sich die Tür wieder verschloss. Der höchste Ton dieses Akkords ist nicht das finale „C“, sondern das am Anfang des Dreiklangs stehende „E“: Die Erhebung ist nicht das stolze Ende, sondern nur ein Fingerzeig, um die Arbeit am rauen Stein in Demut wieder aufzunehmen.

Zwei verschollene Lieder zum Meistergrad

Am 12. August 1785 fand im Tempel der „Wahren Eintracht“ eine Meistererhebung von ungewöhnlicher Feierlichkeit statt. Drei Brüder, unter ihnen ein wegen seiner Zugehörigkeit zum Bund aus Venedig ausgewiesener Carl von König, wurden erhoben. Landesgroßmeister (und Chef-Illuminat) Fürst Dietrichstein war anwesend, und die Ritualhandlung wurde mit je einem Lied eröffnet und beschlossen. Die Musik, die Mozart zu Texten des Bruders Gottlieb Leon geschrieben hatte, ist verschollen. Der Verlust könnte erheblich sein, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welcher Emphase Mozart die Todessymbolik in der „Maurerischen Trauermusik“ bearbeitete.

Das Eröffnungslied preist die Tugenden Hirams/Adonirams. Das in der dritten Strophe genannte „Gabaon“, auch: „Gibeon“, ist eine biblische Stadt, der „vorzüglichste Ort der Anbetung“, und in mehreren Hochgradsystemen Synonym für den Meister vom Stuhl, den „vollkommenen Freund“..

Im Schlusslied wird das Erlebte rekapituliert: Der Geselle ist einen symbolischen Tod gestorben und, zum Meister veredelt, auferstanden. In der ersten Strophe wird auf die Bauopfersagen des Mittelalters verwiesen. Tatsächlich ist die Tötung und Einmauerung von Menschen oder Tieren, um den Baufortgang günstig zu beeinflussen, ein mythologisches Fundament der Hiram/Adoniram-Legende. Am jüngsten Tag, so impliziert die zweite Strophe, wird den Menschen das „Große Licht“ gegeben wie einst dem neu aufgenommenen Bruder, wenn ihm die Binde von den Augen genommen wurde. Die identische Symbolik findet sich in Jean Pauls 1793 erschienenem Roman „Die unsichtbare Loge“.„Dreimal drei“ bezeichnet die heilige Zahlenkombination der Freimaurerei, geläufig aus der Priesterfanfare der „Zauberflöte“.

   Zur Eröffnung der Meisterloge
   Des Todes Werk, der Fäulniß Grauen,
   Kann nur ein Maurer ruhig schauen
   Ihn schröcket die Verwesung nicht; 
   Er siehet mitten in dem Modern
   Des bessern Lebens Flamme lodern
   Und hoffet auf der Wahrheit Licht.
   In dunkle Schatten eingehüllet
   Von Schmerz und reinem Sinn erfüllet
   Umringen wir dein heilig Grab
   O Adoniram! Großer Meister
   Send einen deiner weisen Geister
   In dieses Brüderchor herab.
   Damit dein Werk sie ganz erkennen,
   Nicht deine Schüler nur sich nennen,
   Und Gabaons durch Thaten sind.
   O seelig! Wer an Geist und Stärke
   Dir gleicht, und deiner großen Werke
   Unendlich reichen Lohn gewinnt.
   Mit dieser Hoffnung gehn wir wieder
   An unsre Arbeit, treue Brüder!
   Die Arbeit, die den Meister freut;
   Und heben so mit frohem Muthe
   Aus des Verderbens trüben Buthe,
   den Bruder, zum Lichte eingeweiht.
   Zum Schluß der Meisterloge
   Vollbracht ist die Arbeit der Meister,
   der Todte ist wieder erwacht;
   Wir haben dem Vater der Geister
   Ein würdiges Opfer gebracht.
   In Bildern, doch nur noch verborgen,
   In Zeichen und Worte versteckt;
   Noch röthet sich nicht der Morgen,Der uns das Leben erweckt.
   Erst wenn die Posaune zum Sehen
   Des Lichtes im Osten uns ruft,
   Wann Körper aus Stäubchen erstehen
   Und Menschen aus Gräbern und Kruft:
   Dann fällt von dem Auge die Binde,
   Dann ist die Versicherung wahr:
   „Den Ich im Meisterschmuck finde
   Dem wird auch das Meisterwort klar.“
   Bis hin zu der seeligen Stunde,
   Laßt Brüder! Uns täglich erneun,
   Die Zeugen vom ewigen Bunde,
   Dem wir uns durch dreimal drei weihn!
   Und Wohlthun und Liebe verbreiten
   Und Segen erflehen herab,
   Nur wen solche Zeugen begleiten,
   Der gehet als Meister ins Grab.

Zur Öffnung der Freimaurerloge: „Zerfließt heut' geliebte Brüder" KV 483. Lied für Tenor, Männerchor und Orgel in B-Dur. Und: Zum Schluß der Freimaurerloge: „Ihr, unsre neuen Leiter" KV 484. Lied für Tenor, Männerchor und Orgel in G-Dur

Zu Jahresbeginn 1786 traten die Brüder wieder zum Jubeln zusammen, so wie im April zuvor, als sie Ignaz von Born hatten hochleben lassen. Aber die Euphorie war durchwachsen: Soeben war Josephs Patent umgesetzt worden, Mozarts Mutterloge „Zur Wohltätigkeit“ und die ihm noch vertrautere „Wahre Eintracht“ existierten nicht mehr. Zu feiern war die rituelle Installierung der neuen Sammelloge „Zur neugekrönten Hoffnung“, und Mozart schrieb (auf Texte vermutlich des ehemaligen Jesuiten Augustin Veith von Schittlersberg) zwei dreistimmige Chöre mit Orgelbegleitung. Er hat sie mit gutem Grund nicht in sein Werkverzeichnis eingetragen, sie ergeben auch als einzige innerhalb seines Tonartenkanons keinen Sinn: Seine Euphorie dürfte begrenzt gewesen sein. In den ersten Text sind die Namen der drei in der „Neugekrönten Hoffnung“ aufgegangenen Logen – „ Zur Wohltätigkeit“, „Zur gekrönten Hoffnung“, „Zu den drei Feuern“ – verwoben.

Speziell dieses erste Lied ist eine unterwürfige Eloge auf die Weisheit Josephs II., die Mozart gegen die Natur gegangen sein muss. Und so placiert er Revanchefouls: Der Lobgesang gerät in der zweiten Zeile ins Stolpern, Text und Musik streben unbeholfen auseinander: und zwar bei „Joseph“, dem Namen des Kaisers, und „Wohltätigkeit“, dem Namen von Mozarts liquidierter Mutterloge.

   Tenor
   Zerfließet heut' geliebte Brüder,
   in Wonn' und Jubellieder,
   Josephs Wohltätigkeit
   hat uns, in deren Brust ein dreifach Feuer brennt,
   hat unsre Hoffnung neu gekrönt.
   Chor
   Vereineter Herzen und Zungen
   sei Joseph dies Loblied gesungen,
   dem Vater, der enger uns band.
   Wohltun ist die schönste der Pflichten;
   er sah sie uns feurig verrichten
   und krönt' uns mit liebvoller Hand.
   Tenor
   Dank auch der Schar, die eh uns wachte,
   der Tugend Flamm' entfachte
   und uns zum Beispiel war,
   aus deren jedem Tritt
   auf ihrem Maurergang
   ein Quell des Bruderwohls entsprang.
   Chor
   Das innigste, tätigste Streben,
   zu ihnen empor sich zu heben,
   ist allen der herzlichste Dank.
   Drum laßt uns, verdreifacht die Kräfte,
   beginnen die hohen Geschäfte
   und schweigen den frohen Gesang.

Das zweite Lied, zum Schluss der Tempelarbeit, dankt den neuen Würdenträgern für die sich anbahnende Liquidierung des Bundes in Österreich. Hier wird auch der zweiten Sammelloge, „Zur Wahrheit“, gedacht.

   Tenor
   Ihr, unsre neuen Leiter,
   nun danken wir auch eurer Treue;
   führt stets am Tugendpfad uns weiter,
   daß jeder sich der Kette freue,
   die ihn an bess're Menschen schließt
   und ihm des Lebenskelch versüßt.
   Chor
   Beim heiligen Eide geloben auch wir,
   am großen Gebäude zu bauen wie ihr.
   Tenor
   Hebt auf der Wahrheit Schwingen
   uns höher zu der Weisheit Throne,
   daß wir ihr Heiligtum erringen
   und würdig werden ihrer Krone,
   wenn ihr wohltätig für den Neid
   Profaner selbst durch uns verscheut.
   Chor
   Beim heiligen Eide geloben auch wir,
   am großen Gebäude zu bauen wie ihr.

Mit diesen mutmaßlich schmerzlichen Pflichtübungen beendet Mozart sein freimaurerisches Schaffen für sechs Jahre. Dann, plötzlich, im Todesjahr 1791, wird der Bund wieder zum Thema. Vorrangig durch die „Zauberflöte“, aber nicht nur.

Kantatenfragment „Dir Seele des Weltalls“ für Chor, Tenor-Solo, 2 Violinen, Viola, Baß, Flöte, 2 Oboen, Klarinette, Fagott und 2 Hörner Es-Dur, KV 429

Zu welchem Anlass und Zweck dieses unstrittig freimaurerisch konnotierte Stück geschrieben wurde, ist unbekannt, Untersuchungen des verwendeten Papiers und der Wasserzeichen ermöglichen die Zuordnung des Fragments in Mozarts allerletzte Schaffensperiode um die „Zauberflöte“. Den Text hatte der Ästhetikprofessor Lorenz Leopold Haschka vermutlich schon früher geschrieben: Der anfangs engagierte Freimaurer und Illuminat entfernte sich in den Krisenzeiten opportunistisch vom Bund. Unter Franz II., dem er den kriecherischen Text zur Haydn-Hymne schrieb, wurde er zum denunziatorisch agierenden Freimaurerfeind.

Der einleitende Chor in der Maurertonart Es-Dur ist ein Sonnenhymnus aus dem Geist der Ägyptomanie, die auch die „Zauberflöte“ kennzeichnet. Es folgt das 17 Takte lange Fragment eines Duetts in der Lehrlingstonart F-Dur. Am Ende steht eine Tenorarie in der Gesellentonart B-Dur. Dass Mozart nach Es-Dur zurückgekehrt oder in die Vollendungstonart C-Dur aufgestiegen wäre, darf vermutet werden.

   Chor
   Dir, Seele des Weltalls, o Sonne,
   sei heut' das erste
   der festlichen Lieder geweiht!
   O Mächtige! ohne dich lebten wir nicht;
   von dir nur kommt Fruchtbarkeit, Wärme und Licht!
   Arie (Tenor)
   Dir danken wir die Freude,
   daß wir im Frühlingskleide
   die Erde wieder seh'n;
   daß laue Zephiretten
   aus süßen Blumenketten
   uns Duft entgegenweh'n.
   Dir danken wir,
   daß alle Schätze spendet
   und jeden Reiz verschwendet
   die gütige Natur,
   daß alle Lust erwachet
   und alles hüpft und lachet
   auf segenvoller Flur.

Kantate: „Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt“ für eine Singstimme und Klavierbegleitung in C-Dur, KV 619

Nochmals muss man sich den Kontrast vor Augen halten: Der große Guru Born, Mitverursacher der Malaise, hatte sich fünf Jahre zuvor davongemacht. Aber der einfache Bruder Mozart war geblieben. Oft wurde darüber diskutiert, ob er eigentlich wusste, dass die Loge, von Illuminaten unterwandert, radikal republikanischen und antiklerikalen Zielen gedient hatte. Vielleicht wusste er es, und womöglich war er radikaler gesinnt, als man für möglich halten will. Ein starkes Indiz ist die Kantate „Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt“. Mozart schloss die Komposition am 12. Juli 1791 ab, mitten in der Arbeit an der „Zauberflöte“, in einem bis zum letzten Atemzug prallvollen Jahr, in dem außerdem die Oper „La Clemenza di Tito“, ein Steichquintett, ein Klavierkonzert, das Klarinettenkonzert und das Requiem entstanden. Aber das Projekt, das der Hamburger Kaufmann, Freimaurer und Religionskritiker Franz-Heinrich Ziegenhagen brieflich an ihn herangetragen hatte, faszinierte ihn auch abseits des vermutlichen Honorars. Ziegenhagen war ein Anhänger Rousseaus, des Wegbereiters der Französischen Revolution. Und er hatte für die Umsetzung seiner liberalen Erziehungslehre schon ein Stück Land im Elsaß erworben, das damals Revolutionsgebiet war. Seine Kantate ist nun eine Art Konklusio all dieser Gedanken, ein Manifest, das die Vorherrschaft einer Religion negiert und eine Utopie der Abrüstung, des Friedens und der Demokratie entwirft. Das Stück ist nicht für den Einsatz in der Loge gedacht, sondern erschien als Anhang zu einer programmatischen Schrift Ziegenhagens. Mozart gliederte und vertonte den Text derart genial, dass das in der Erleuchtungstonart C-Dur stehende Werk als bedeutende Vorstudie kommender Entwicklungen des Kunstliedes qualifiziert werden kann. Im ersten Andante werden die maurerischen Grundtugenden Weisheit („Verstandeshelle“), Stärke („Köperkraft“) und Schönheit beschworen.

   Rezitativ
   Die ihr des unermeßlichen Weltalls
   Schöpfer ehrt,
   Jehova nennt ihn, oder Gott,
   nennt Fu ihn, oder Brama,
   Hört! hört Worte aus der Posaune
   des Allherrschers!
   Laut tönt durch Erden, Monden, Sonnen
   ihr ewiger Schall.
   Hört, Menschen, ihn auch ihr.
   Andante
   Liebt mich in meinen Werken!
   Liebt Ordnung, Ebenmaß und Einklang!
   Liebt euch selbst und eure Brüder!
   Körperkraft und Schönheit sei eure Zierd',
   Verstandeshelle euer Adel!
   Reicht euch der ew'gen Freundschaft Bruderhand,
   die nur ein Wahn, nie Wahrheit
   euch so lang entzog.
   Allegro
   Zerbrechet dieses Wahnes Bande!
   Zerreißet dieses Vorurteiles Schleier!
   Enthüllt euch vom Gewand,
   das Menschheit in Sektiererei verkleidet!
   In Kolter (Pflüge, Anm.) schmiedet um das Eisen,
   das Menschen, das Bruderblut bisher vergoß!
   Zersprenget Felsen mit dem schwarzen Staube,
   der mordend Blei in Bruderherz oft schnellte!
   Andante
   Wähnt nicht, daß wahres Unglück
   sei auf meiner Erde,
   Belehrung ist es nur, die wohltut,
   wenn sie euch zu bessern Taten spornt;
   Die, Menschen, ihr in Unglück wandelt,
   wenn töricht blind ihr rückwärts
   in den Stachel schlagt,
   der vorwärts euch antreiben sollte.
   Seid weise nur, seid kraftvoll und seid Brüder!
   Dann ruht auf euch mein ganzes Wohlgefallen;
   dann netzen Freudenzähren nur die Wangen;
   dann werden eure Klagen Jubeltöne;
   dann schaffet ihr zu Edenstälern Wüsten;
   dann lachet alles euch in der Natur.
   Allegro
   Dann ist's erreicht, des Lebens wahres Glück.

„Eine kleine Freimaurer-Kantate“ für 2 Tenöre und eine Bassstimme, Streicher, Flöte, 2 Oboen und 2 Hörner in C-Dur, KV 623

Die „Kleine Freimaurerkantate“, die in Wahrheit ein großes, leuchtendes Abschiednehmen ist, steht in Mozarts Schaffen an einzigartiger Stelle: Sie ist sein letztes vollendetes Werk, und sie stammt vom Team der „Zauberflöte“. Den Text schrieb Emanuel Schikaneder, vielleicht war es auch sein Ghostwriter, der Bruder Karl Ludwig Gieseke. Mozart nahm den Eintrag ins eigenhändige Werkverzeichnis am 15. November 1791 vor. Am 17. November wurde das Stück unter seiner Leitung zum Ritual einer Tempelweihe der „Gekrönten Hoffnung“ uraufgeführt. Am 20. November begann er bettlägerig zu werden. Am 28. November berieten die behandelnden Ärzte die zunehmend aussichtlose Situation. Am 5. Dezember gegen ein Uhr früh starb Mozart, vermutlich an falsch behandeltem rheumatischem Fieber.

Die „Zauberflöte“ war am 30. September triumphal zur Uraufführung gebracht worden, die finanziellen Probleme begannen sich zu verflüchtigen. Doch Mozart war krank, am Ende seine Kräfte, gepeinigt von Schmerzen, Depressionen und vom Wahn, vergiftet zu werden. Parallel zur „Freimaurerkantate“ schrieb er das Requiem, in dem die Qualen des Verlöschens und Sich-Anklammerns auf pathologische Weise artikuliert werden. Die Komposition der „Freimaurerkantate“ und die jubelnde Zustimmung der Brüder hatten Mozart kurz vom Requiem entfernt. Er fühlte sich frei und euphorisch und in der Lage, die emotional belastende Arbeit an der Totenmesse wieder aufzunehmen. Doch kaum hatte er sich ihr zugewandt, kam es zum letzten Zusammenbruch.

In manchen Biographien schwingt nun eine Art Tadel mit: Wie konnte er die „Freimaurerkantate“ vollenden und das Requiem unvollendet lassen? Nun: Er konnte eben, weil es ihm wichtig war.

Mit diesem Wissen darf nunmehr endlich darüber gemutmaßt werden, was Mozart am Ende seines Lebens zu den Grundfragen der Freimaurerei zurückgebracht hat. Abgehetzt, erschöpft, erst kränkelnd, dann krank zu Tode, muss ihm der dritte Grad, die Vorbereitung auf das Sterben in Würde, wieder gegenwärtig geworden sein.

„Des Todes Werk, der Fäulnis Grauen, kann nur ein Maurer ruhig schauen. Ihn schröcket die Verwesung nicht“, hatte sechs Jahre zuvor der Bruder Gottlieb Leon das Geheimnis des Meistergrades in unbeholfene Verse gefasst. Das nämliche, nur auf höherer Stufe, hatte Mozart seinem sterbenden Vater kommuniziert: „Da der Tod der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern sehr viel Beruhigendes und Tröstendes! Und ich danke meinem Gott, dass er mir das Glück gegönnt hat, mir die Gelegenheit zu verschaffen, ihn als den Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen.“

Dieser Geist befeuert auch die „Kleine Freimaurerkantate“. Weit über die eingeschobenen Erörterungen des Anlasses hinaus, schließt der Jubelchor „Laut verkünde unsere Freude“ eine Kette ohne Anfang und Ende. In der Erlösungstonart C-Dur nimmt Mozart Abschied: euphorisch und ruhig, erfüllt vom Feuer der Zuversicht.

   Chor; mit Soli
   Laut verkünde unsre Freude
   froher Instrumentenschall,
   jedes Bruders Herz empfinde
   dieser Mauern Widerhall.
   Denn wir weihen diese Stätte
   durch die goldne Bruderkette
   und den echten Herzverein
   heut' zu unserm Tempel ein.
   Rezitativ; Tenor II
   Zum ersten Mal, edle Brüder,
   schließt uns dieser neue Sitz
   der Weisheit und der Tugend ein.
   Wir weihen diesen Ort
   zum Heiligtum unserer Arbeit,
   die uns das große Geheimnis entziffern soll.
   Süß ist die Empfindung des Maurers
   an so einem festlichen Tage,
   der die Bruderkette neu und enger schließt;
   süß der Gedanke, daß nun die Menschheit
   wieder einen Platz unter Menschen gewann;
   süß die Erinnerung an die Stätte,
   wo jedes Bruderherz
   ihm, was er war, und was er ist,
   und was er werden kann,
   so ganz bestimmt, wo Beispiel ihn belehrt,
   wo echte Bruderliebe seiner pflegt
   und wo aller Tugenden heiligste, erste,
   aller Tugenden Königin, Wohltätigkeit
   in stillem Glanze thront.
   Arie; Tenor II
   Dieser Gottheit Allmacht ruhet
   nicht auf Lärmen, Pracht und Saus,
   nein, im Stillen wiegt und spendet 
   sie der Menschheit Segen aus.
   Stille Gottheit, deinem Bilde
   huldigt ganz des Maurers Brust.
   Denn du wärmst mit Sonnenmilde
   stets sein Herz in süßer Lust.
   Rezitativ; Tenor I, Baß
   Wohlan, ihr Brüder, überlaßt euch ganz
   der Seligkeit eurer Empfindungen,
   da ihr nie, daß ihr Maurer seid,
   vergeßt.
   Diese heut'ge Feier sei ein Denkmal
   des wieder neu und festgeschloss'nen Bunds.
   Verbannet sei auf immer
   Neid, Habsucht und Verleumdung
   aus unsrer Maurerbrust.
   Und Eintracht knüpfe fest das teuere Band,
   das reine Bruderliebe webte.
   Duett, Tenor I, Baß
   Lange sollen diese Mauern
   Zeuge unsrer Arbeit sein,
   und damit sie ewig daure,
   weiht sie heute Eintracht ein.
   Laßt uns teilen jede Bürde
   mit der Liebe Vollgewicht,
   dann empfangen wir mit Würde
   hier aus Osten wahres Licht.
   Diesen Vorteil zu erlangen,
   fanget froh die Arbeit an.
   Und auch der schon angefangen,
   fange heute wieder an.
   Haben wir an diesem Orte
   unser Herz und unsre Worte
   an die Tugend ganz gewöhnt,
   o dann ist der Neid gestillet,
   und der Wunsch so ganz erfüllet,
   welcher unsre Hoffnung krönt.
   Laut verkünde unsre Freude
   froher Instrumentenschall,
   jedes Bruders Herz empfinde
   dieser Mauern Widerhall.

Siehe auch