Rezension: Robert A. Minder - Auf den Spuren der Freimaurer in Wien
Inhaltsverzeichnis
Ein masonischer Stadtführer
Es gibt im deutschen Sprachraum Städte, die eine reichhaltigere und vor allem auch kontinuierlichere freimaurerische Vergangenheit haben als Wien; nicht zuletzt deswegen, weil die früher hier herrschenden Habsburger Freimaurerlogen während des ganzen 19. Jahrhunderts verboten. Es wird aber kaum eine Stadt einen so akribisch bis ins letzte Detail recherchierten freimaurerischen Stadtführer bieten können, wie das Wien durch dieses Buch möglich geworden ist. Von Rudi Rabe.
Robert Minder war in den Nullerjahren Chef des Archivs der Großloge von Österreich. Spätestens damals begann er, die vielen Informationen zusammen zu sammeln, die ihm schließlich zum Rohstoff für dieses Werk wurden: ein Buch über die vielen Spuren des Freimaurerlebens in der österreichischen Hauptstadt.
Drei Stadtführer durch die Innenstadt
Das Herzstück des Buches sind drei auch als solche bezeichneten Stadtführer: drei Wege durch die Wiener Innenstadt vorbei an vielen Örtlichkeiten und Adressen, die etwas mit Freimaurern oder Logen zu tun hatten oder immer noch haben; natürlich jedesmal angereichert mit den für das Verständnis notwendigen Informationen.
✔︎ Der erste Weg bezieht sich auf das 18. Jahrhundert, dessen letztes Drittel oft als das Goldene Zeitalter der frühen Wiener Freimaurerbewegung bezeichnet wird. Auf dieser Route werden mehr als ein Dutzend Örtlichkeiten angesteuert: vom großen Denkmal der Regentin Maria Theresia, umgeben von mehreren bekannten Beratern, die Freimaurer waren, bis zum Mozarthaus hinter dem Dom.
✔︎ Der zweite Weg widmet sich singulär Mozarts Wohnungen. Er führt entlang seiner sage und schreibe vierzehn Adressen, die der Komponist in seinen nur zehn Wiener Jahren 1781 bis zu seinem frühen Tod 1791 verbrauchte. 1784 war er in die Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen worden. In den wenigen Jahren danach, die ihm noch blieben, schrieb er seine Freimaurermusiken und schließlich die Zauberflöte.
✔︎ Der dritte Weg beschäftigt sich mit dem 20. Jahrhundert, dessen zweite Hälfte und bis heute man die zweite Blütezeit der österreichischen Freimaurerei nennen könnte: mit den Logenhausadressen und deren unmittelbaren Umgebungen zuerst in der Dorotheergasse und dann ab Mitte 1985 in der Rauhensteingasse.
Kurzbiographien und Straßennamen
Die drei Anleitungen für Rundgänge in der Innenstadt werden dann in einem umfangreichen Anhang durch weitere Informationen ergänzt:
✔︎ Kurzbiographien von 78 Wiener Freimaurern: historische Namen und Namen aus der jüngeren Geschichte. Auch mit kleinen Überraschungen - etwa: Max Kreisky und dessen Bruder Otto, also der Vater und der Onkel des früheren österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky; sie waren Freimaurer.
✔︎ Alle 157 Gassen, Straßen, Plätze und Parks, die nach österreichischen oder ausländischen Freimaurern benannt sind, werden aufgezählt: von Aignerstraße bis Zwillinggasse; und damit das Sinn macht natürlich jedesmal mit einer Mikrobiographie des Namensgebers.
✔︎ Eine alphabetische Sammlung von 33 Logenstandorten: beginnend 1742/43 mit der ersten Wiener Loge Aux Trois Canons, deren Brüder sich jedesmal woanders trafen, bis zum heutigen Sitz der ‘Großloge von Österreich’ in der Rauhensteingasse. Die Liste ist ein persönliches Geschenk des 2014 verstorbenen österreichischen Freimaurerforschers Günter Kodek an Robert Minder für dessen damals im langsamen Werden befindliches Buch.
Die österreichische Freimaurergeschichte von 1742 bis 2019
Wie jeder gute Führer enthält natürlich auch dieser eine fundierte Einführung in das Thema. In dem Buch mit gut 200 Seiten ist das die erste Hälfte. In dieser behandelt Robert Minder nach einer kurzen Klärung der Frage, was Freimaurerei ganz allgemein ausmacht (geschrieben von Großmeister Georg Semler), die Geschichte der Freimaurerbewegung in Wien von den Anfängen 1742 bis in die Jetztzeit. Die Gegenwart wird freimaurerisch dominiert durch die 1918 gegründete ‘Großloge von Österreich’ mit mehr als 3.600 Mitgliedern und 80 Logen (2019), davon zwei Drittel in Wien. Aber auch die fünf kleineren bis viel kleineren sogenannten Obödienzien werden vom Autor angeführt.
Dieser geschichtliche Teil zeichnet sich nicht nur durch eine gute Chronologie aus, sondern auch dadurch, dass Robert Minder nicht wenige Originaldokumente zitiert, von denen auch kundigen Lesern zweifellos nicht alle bekannt sein werden.
Robert A. Minder:
Auf den Spuren der Freimaurer in Wien
Ein masonischer Stadtführer
Verlag Erhard Löcker GesmbH, Wien 2019
Siehe auch
- Robert A. Minder: Freimaurer Politiker Lexikon
- 692 österreichische Freimaurer wurden Nazi-Opfer: Forschung Günter Kodek und Robert Minder
- Österreich
- Wien
Links
- Großloge von Österreich: https://freimaurerei.at
- Verlag Löcker, Wien: http://www.loecker-verlag.at