Regularität Definition Müller Science

Aus Freimaurer-Wiki

Basic Principles

FlaggeSchweiz.jpg

Die Großloge von England, traditionell gewissermaßen die 'Großmutter' aller freimaurerischen Vereinigungen, reagierte am 4.9.1929 mit einem Memorandum auf den vorangegangenen Zusammenschluss verschiedener Großlogen unter dem deutlichen Einfluss des 'Grand Orient de France'.

Sie veröffentlichte Anerkennungsgrundsätze, 'Basic Principles', die u.a. folgende Forderungen enthalten: Rechtmäßigkeit des Ursprungs einer Großloge, Verpflichtung ihrer Mitgliedslogen darauf, nur Männer aufzunehmen, die an ein höheres Wesen glauben müssen, Beachtung bestimmter ritueller Erfordernisse, Souveränität der Großloge, Verbot von Diskussionen in den Logen über Religion und Politik.

Diese Grundsätze haben unverändert große Bedeutung im internationalen freimaurerischen Verkehr: Da es keine Organisation auf internationaler Ebene gibt, sind die nationalen Großlogen durch ein Geflecht gegenseitiger Anerkennungen untereinander verbunden, die jedoch nur erfolgen, wenn die 'Basic Principles' durch die jeweiligen Partner beachtet werden.

Wenn eine Großloge dagegen verstößt, entfällt die Anerkennung und damit die Möglichkeit für jeden regulären Freimaurer, mit ihren Mitgliedern zu verkehren.

Irregularität

Daneben gibt es unzählige Varianten 'irregulärer' Freimaurerei. Der Ausdruck 'irregulär' ist keinesfalls abwertend zu verstehen, sondern nach Vorstehendem als Sammelbegriff einer Menge von Alternativen. So sind in Deutschland neben etlichen oft sehr exotischen Grüppchen, die die rechtlich nicht geschützten Begriffe 'Freimaurer' und 'Loge' auch verwenden, eine rein weibliche Großloge 'Zur Humanität' mit Sitz in Berlin und etwa zehn zugehörigen Logen ebenso vertreten wie ein Ableger der französischen gemischten Großloge 'Droit Humain' mit Sitz in Paris und etlichen zugehörigen deutschen Logen überwiegend im Westen der Republik. Weiterhin gibt es gemischte Logen, die zu der deutschen Großloge Humanitas gehören, die wiederum international einem Großlogenverband namens Catena angegliedert ist.

Weltweite Regularität der Freimaurerei

[Erschienen in der Schweizer Freimaurer-Rundschau „Alpina“ 8+9/2002, 211-212
unter dem Titel: Was ist regulär und was nicht
Antwort darauf von Alex Pohl in“ Alpina“ 10/2002, 262.]

Stichworte

Im angelsächsischen Raum wird gerne die Formel gebraucht: „Regularity is a subjective term, the concept of recognition is purely objective.“

Das Gegenteil behauptet der Schweizer Gottlieb Imhof: „Die ‚maurerische Regularität’ ist eine Tatsache, die interobedienzielle Anerkennung dagegen eine Frage der Konvenienz und der Opportunität.“

Unterscheidungen

Die ungemein komplizierte Sachlage wird viel leichter verständlich, wenn man in bewährter maurerischer Tradition

  • drei Arten von Regularität,
  • vier Arten von Ankerkennung und
  • drei Arten von Beziehungen

auseinander hält - was auch die Freimaurer selber selten tun.

1. Alec Mellor, kein Freimaurer, unterscheidet in seinem informativen Buch „Logen Rituale, Hochgrade" (1967, S. 67) "Regularität des Ursprungs (a) und Regularität der Prinzipien (b)"; dazu kommt neuerdings die „Regularität der Arbeit (c)“.

2. Es gibt drei Arten von Anerkennung: Anerkennung durch die „United Grand Lodge of England“ UGLE (a), Anerkennung regulärer Grosslogen untereinander (b), Nicht-Anerkennung regulärer Logen (c), Anerkennung irregulärer Logen (d).

3. Bei den Beziehungen kann man unterscheiden: brüderliche Bande (a), offizielle Besuche (b) und die Bestimmung von Freundschaftsbürgen (c).

Statt von „irregulär“ sprechen viele von „liberal“; andere sprechen auch von „Winkellogen“.

1a) Regularität des Ursprungs

Regularität des Ursprung betrifft die Gründung von Grosslogen, mit Bedingungen wie: gegründet von drei oder mehr regulären Logen, Lichteinbringung, basierend auf den "Alten Pflichten", Logenpatent.

1b) Regularität der Prinzipien

Regularität der Prinzipien betrifft die Anerkennung durch die UGLE. Kriterien sind die "Basic Principles for Grand Lodge Recognition“ von 1929. Ein Kriterium von den insgesamt acht ist die eben erwähnte Regularität des Ursprungs. Die anderen sieben verlangen mehr.


Im „Internationalen Freimaurer-Lexikon“ von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932, 1294) steht etwas unscharf formuliert: „Die angelsächsischen Großlogen aber erachten als Erfordernisse der Regularität (also nicht bloss der Anerkennung) wohl auch das Bekenntnis zu folgenden Grundgedanken der Konstitution von 1723:

  • A. B. a. W.
  • Bibel [engl.: „Volume of the Sacred Law“]
  • Zusammensetzung der Mitgliedschaft ausschliesslich aus Männern,
  • unbedingte Jurisdiktion der Grossloge über die ihr unterstehenden Logen,
  • Auflegen der drei Großen Lichter,
  • Verbot von Diskussionen über Religion und Politik in den Logen.“

In der leicht revidierten Fassung von 1989 der Basic Principles wurde die Forderung des Glaubens an den A. B. a. W. abgeschwächt in „believe in a Supreme Being“.


Praktiziert wurde diese "moderne" Art der Regularität bereits 1877 als der Grand Orient de France die „Gewissensfreiheit“ für seine Logen einführte.

Beim Prinzip „nur eine Großloge pro Land“ gibt es mehrere Ausnahmen: USA, Kanada und Australien, aber auch Brasilien und Kolumbien. Ein Spezialfall sind die fünf zu den VGLvD vereinigten Grosslogen Deutschlands.

Zusätzlich durchbricht die UGLE dieses Prinzip - aus historischen Gründen -, indem sie fast über die ganze Welt verstreut noch rund 800 „District Grand Lodges“ und reguläre Einzellogen kontrolliert. Auch die Grosslogen von Schottland, Irland und den Niederlanden sowie der amerikanischen Bundesstaaten New York und Massachusetts haben Logen in andern Ländern. Diese Logen sind alle regulär.

Mehrere Grosslogen in Frankreich (GODF, GLF) und der Grande Oriente d’Italia haben ebenfalls Logen in andern Ländern. Da diese Grosslogen von der UGLE nicht als regulär anerkannt sind, fehlt auch deren Tochterlogen die Regularität.

Anerkennung durch die UGLE bedeutet also dasselbe wie "Regularität“ (1a + 1b= 2a). Gegenwärtig anerkennt die UGLE 150 Grosslogen in 60 Ländern auf der ganzen Welt.

Übersichten

Eine sauber geordnete Übersicht mit zusätzlich allen Distrikt- und Einzellogen der UGLE in insgesamt etwa 110 Ländern (darunter zahlreiche Inseln wie Cayman, Zypern, die Seychellen und die Fiji-Inseln) bietet:

Prince Hall-Großlogen

Ein eigenes Kapitel in der Geschichte der Freimaurerei sind die Logen von Schwarzen. Die erste „African Lodge“ wurde 1784 in Boston mit einem Patent der Grand Lodge of England (Moderns) gegründet. Sie deklarierte sich 1827 unter dem Name „Prince Hall“ als Großloge und gründete weiter Logen.

Gemäß Angaben von Paul Bessel gibt es heute in 41 Bundesstaaten Prince Hall-Grosslogen. Doch - erst nach anderthalb Jahrhunderten - Ende 1994, anerkannte die UGLE eine, nämlich diejenige von Massachusetts, als regulär, und zwar unter anderem mit der Begründung: „the philosophy and practice of Prince Hall Masonry today are of exemplary regularity“ (also 1c).

Heute anerkennt die UGLE 19.

Die US-Großlogen taten sich ebenfalls schwer. Erst 1989 begannen sie zaghafte Anerkennungen. Mittlerweile sind 27 von den „predominately white“ Grosslogen desselben Staates voll anerkannt worden, für vier weitere gibt es bloß ein Besuchsrecht (intervisitation), und fünf erfahren bisher eine Art Unterstützung.

Die VGLvD anerkennen nur die Prince Hall Großlogen von Connecticut und Massachusetts,
die Schweizerische Grossloge Alpina (SGLA) keine.

1c) Regularität der Praxis

Aus politischen Gründen wurde die UGLE 1999 zu einer Stellungnahme zur Frage „Frauen und Freimaurerei“ gezwungen. Sie lautete:

„There exist in England and Wales at least two Grand Lodges solely for women. Except that these bodies admit women, they are, so far as can be ascertained, otherwise regular in their practice.

Die Regularität der Praxis besteht unter anderem in einigen (aber nicht allen) Standards der „Basic Principles“, z. B. drei Grade, Glaube an ein höchstes Wesen, drei Große Lichter (Buch der Heiligen Gesetze, Zirkel und Winkelmass), keine Diskussion über Politik und Religion.

Insbesondere einige Großlogen, die bei der UGLE in Ungnade gefallen sind resp. als nicht-regulär betrachtet werden, wie z. B. die Großoriente von Spanien, Portugal und Italien, sind vermutlich in ihrer Arbeit noch durchaus regulär. Die belgischen Logen waren dagegen schon 1877 dem „Grand Orient de France“ in ihrem Verzicht auf den Glauben an den ABaW gefolgt.
Die 1952 eingerichtete “Commission on Information for Recognition” der nordamerikanischen Grossmeisterkonferenz (welche andere Auffassungen als die UGLE vertritt) hielt bereits 1958 z. B. bezüglich Frankreich fest: "There can be no question as to the regularity of both of these Grand Lodges (GLDF and GLNF) apart from the regrettable circumstance of the relations of the Grande Loge with the Grand Orient de France."

Umgekehrt hat die UGLE im Jahre 1979 der vier Jahre zuvor als regulär anerkannten Grande Loge de Belgique die Anerkennung entzogen „because of some irregularity in masonic practices“. Gleichermassen hat die UGLE den 10 Logen, welche die Grossloge von New York in Syrien und Libanon unterhält, im Jahr 2000 die Anerkennung entzogen, „because there were reports that they were behaving irregularly“. Etwa ein Jahr später wurden sieben davon „reinstated“.

Fülle und Vielfalt der männlichen Großlogen

Einen richtiggehenden Boom hat in den letzten Jahrzehnten die Freimaurerei in Frankreich erlebt. Christian Guigue verzeichnet auf seiner Website (www.guigue.org) nicht weniger als 27 Großlogen unterschiedlichster couleur.

Davon sind „obédiences masculines“ neben der regulären GLNF: der „Grand Orient de France“ (GODF), die „Grande Loge de France“ (GLF), die „Grande Loge Traditionelle et Symbolique - Opéra“, die „GLRU“ (Colomiers), die „Grande Loge Unie de France“ (das ist unrichtig, denn sie umfasst auch gemischte und weibliche Logen), die „Loge Nationale Française“, die „Grande Loge Française du rite Memphis-Misraim” und, trotz ihres Namens ebenfalls nicht regulär, die „Grande Loge régulaire Française“.

Auch in fast in allen andern Ländern gibt es mehrere „männliche“ Grosslogen, etwa neben den regulären:

  • in der Schweiz den „Grand Orient de Suisse“ (1959), der allerdings seit November 2000 auch eine gemischte Loge als Mitglied hat
  • in Belgien den „Grand Orient de Belgique“ (1833) und die „Grande Loge de Belgique“ (1959)
  • in Italien den „Grande Oriente d’Italia” (1805; 1864)
  • in Spanien der “Grande Oriente Espagñol” (1780; 1978) und die “Gran Logia Federal Espagñola”
  • in Portugal den Grossorient (1802; 1974)
  • in Griechenland die Nationale Grossloge (1987).

Eine Liste von insgesamt rund 300 Grosslogen in etwa 75 Ländern auf der ganzen Welt „that are or might be considered regular, irregular, clandestine, non-clandestine, recognized, not recognized, caucasian, black, male, female, mixed, large, small, tiny, etc.“ Quelle: http://www.bessel.org/gls.htm


Ebenfalls viele Links zu den unterschiedlichsten Logen bieten: http://www.geocities.com/Paris/Maison/3665/links_maconaria_no_mundo8.htm http://perso.wanadoo.fr/jr.bezu/sitmac/_world.htm http://web.mit.edu/dryfoo/Masonry/Pointers/GLs/index.html http://dmoz.org/Society/Organizations/Fraternal/Freemasonry/Craft_Masonry/

Kunterbunte Links zu einigen Grosslogen und Einzellogen weltweit bieten: http://www.freemasonry.org/links/ http://www.gomasonry.com/

2) Was heisst Anerkennung?

In diesem Umfeld ist die Frage der Anerkennung zu betrachten.

Jede reguläre Grossloge ist laut UGLE (1989) „truly independent and self-governing“. Das bringt das Recht mit sich, beliebige andere Grosslogen zu anerkennen oder nicht zu anerkennen. Damit ist auch eine Verantwortung verbunden, denn die „Anerkennung“ anderer Grosslogen hat Folgen für jedes einzelne Mitglied der Grossloge, aber auch für die Angehörigen nicht-anerkannter Grosslogen auf der ganzen Welt.

Die sogenannte Anerkennung von regulären Grosslogen untereinander (2b) hat sich überlebt. Es handelt sich heute um ein gigantisches administratives Verwirrspiel. Statt um 150 Anerkennungen (wie bei der UGLE) geht es hierbei um weit über 20 000! Kein Wunder berichtet Paul M. Bessel, dass Donald M. Robey, der eine Zusammenstellung versuchte, dafür eine ausgeklügelte Software brauchte wie sie sonst nur Ingenieure verwenden.

Bei Lennhoff / Posner (1932, Sp. 70) steht:

„Die ausgesprochene Anerkennung wirkt sich aus durch die Freigabe des gegenseitigen Logenverkehrs und zumeist auch durch den Austausch von Freundschaftsbürgen. … Die Anerkennung bildet den Ausdruck dafür, dass nach Anschauung der anerkennenden Grosslogen Regularität der anerkannten Grosslogen vorliegt.“

Und anderswo wird umgekehrt die Nicht-Anerkennung beschrieben: Obödienzen, die „nicht in freundschaftlicher Fühlung miteinander sind, die durch Ernennung gegenseitiger Freundschaftsbürgen, Besuchsrecht usw. bestätigt wird“ (Sp. 746).

Auch bei Axel Pohlmann, Vorsitzender des Ausschusses für Äussere Angelegenheiten des Senats der VGLvD, steht das gegenseitige Besuchsrecht und der Austausch von Freundschaftsbürgen im Vordergrund, wie er in der Zeitschrift „Alpina“ (12/2002, 309f) schreibt:

Die Anerkennung ist hier also identisch mit dem Etablieren freundschaftlicher Beziehungen.

Er erwähnt aber kurz darauf, dass Grosslogen auch Legitimität verlangen, „von uns ‚Regularität’ genannt, und zwar nach Entstehung und Praxis“ – also nicht nach Entstehung und Prinzipien.

Wie versuchte die Schweiz die Anerkennungsfrage zu lösen?

Um diesen Unklarheiten ein Ende zu setzen hat z. B. die Schweizerische Grossloge Alpina (SGLA) 1979 ihre Verfassung geändert. Art. 4 lautete bisher:

“Die SGLA kann unter Vorbehalt der Gegenseitigkeit alle regulären Grosslogen sowie deren Logen und Mitglieder anerkennen.“

Nun heisst der analoge neue Artikel 5 nur noch:

„Die SGLA kann mit anderen regulären Grosslogen Beziehungen aufnehmen und pflegen. Als regulär gelten Grosslogen, die im Geiste der ‚Allgemeinen Grundsätze der SGLA’ arbeiten.“

Diese Grundsätze entsprechen etwa der „Regularität der Prinzipien“, z. B. Aufnahme von „freien Männern von gutem Rufe“, Arbeit zur Ehre des A. B. a. W., die „Alten Pflichten“ als Richtlinien und die drei Grossen Lichter (darunter das Buch der Heiligen Gesetze) auf dem Altar.

Undefiniert blieben die Beziehungen. Daher kam es erneut zur Verwirrung. Gemäss dem Jubiläumsbuch zum 150. Geburtstag der SGLA (137; 236) hatte bis 1985 die SGLA die reguläre GLNF „nie anerkannt, sondern lediglich ein gegenseitiges Besuchsrecht vereinbart“. Erst 1990 erfolgte in der einen Formulierung die „Aufnahme regulärer Beziehungen“ (139), in der andern Formulierung die „Anerkennung“ (236).

Umgekehrt bedeutet, wie wir weiter unten sehen werden, der Rückzug von Freundschaftsbürgen noch keinen Abbruch der Beziehungen.

Ähnlich unklar bleibt das Verhältnis zu den Grosslogen Italiens. Als die UGLE dem Grande Oriente 1993 die Anerkennung entzog, konnte sich die SGLA nur zu einer „Suspendierung“ ihre Beziehungen durchringen. Man wird man den Eindruck nicht los, es gehe schlicht um die Grösse. Der ehrwürdige Grande Oriente hat etwa 12 000 Mitglieder, die 1993 von Giuliano di Bernardo gegründete reguläre Splittergruppe nur etwa 1000. Letztere wird von der SGLA und den VGLvD nicht anerkannt, dafür von den regulären Grosslogen von Schottland und Irland, Frankreich und der Türkei, Israel und Brasilien sowie fünf afrikanischen.

Auch berühmte Freimaurer schwanken. Der bekannte französische Schüler von Oswald Wirth Marius Lepage stellte 1956 in seinem bekannten Buch „L’Ordre et les Obediencens“ den Begriff der Regularität grundsätzlich in Frage. Er war damals Mitglied des Grand Orient. Als er später Ärger mit dessen Leitung bekam, wechselte er 1963 zur GLNF, die er wenige Jahre zuvor noch verspottet hatte (Michel Dierickx: Freimaurerei, die grosse Unbekannte. 1968, 178).

2a, b. c) Logik der Anerkennung?

Wie dem auch sei, es ist durchaus möglich, dass:

  • z. B. 12 US-Grosslogen noch im 20 Jahrhundert (z. B. 1918 bis in die 1960er Jahre) den (irregulären) Grand Orient de France (GO) anerkannten
  • eine Grossloge mehrere andere Grosslogen in einem anderen Land anerkennt. So verzeichnet etwa Paul M. Bessel auf seiner Website, dass im ersten Weltkrieg 8 US-Grosslogen sowohl die GLF wie den GO anerkannten und weitere 4 gegenseitige Besuche erlaubten, oder dass 17 US-Grosslogen, meist ab 1952/53, für viele Jahre wenn nicht Jahrzehnte sowohl die (irreguläre) GLF wie die (reguläre) GLNF anerkannten
  • US-Grosslogen die Anerkennung anderer US-Grosslogen zurückziehen, z. B. Louisiana von Connecticut (1989), Oregon von Idaho (1991); - im Juni 2002 hat die UGLE die Anerkennung der Grossloge von Minnesota zurückgezogen und anerkennt in diesem Staat nur noch die Prince Hall-Grossloge
  • die Beziehung der Grossloge von Washington D. C. zur italienischen Grossloge lautet: „recognized 1948; withdrawn 1988; granted 1989; withdrawn 1993;renewed 1994“
  • viele reguläre Grosslogen viele andere reguläre Grosslogen nicht anerkennen; so wird z. B. die SGLA nicht anerkannt von den Grosslogen von Alabama und Arkansas, Maryland und Mississippi sowie Hawaii; die SGLA aber anerkennt diese vier Grosslogen; - die SGLA wie die VGLvD anerkennen die im Moment reguläre italienische Grossloge von Giuliano di Bernardo nicht, usw.

Chaotisch sind die Anerkennungen in Lateinamerika: Die reguläre Großloge von Paraguay ist nur von 28 US-Grosslogen anerkannt, die irreguläre Grossloge von Nicaragua dagegen von 36. Die Grossloge von Irland anerkennt von den vier regulären Grosslogen Kolumbiens nur eine, die Grossloge von Illinois dagegen alle vier plus zwei weitere.

Weitere Angaben sind dem „Handbuch des Freimaurers“ der Forschungsgruppe Alpina (1999, 67f) zu entnehmen: Während die Schweiz den Grossorient von Brasilien und die Grossloge von Sao Paulo (beide regulär) „anerkennt“, anerkennen die VGLvD den Grossorient nicht, dafür die reguläre Grosslogen von Sao Paulo und Mato Grosso do Sul sowie 8 weitere irreguläre Grosslogen. Die einzige der etwa dreissig Grosslogen von Brasilien, die sowohl von der SGLA wie von den VGLvD anerkannt wird, ist die kleine, irreguläre von Santa Catarina.

Ähnliches gilt für Mexiko: Von den etwa 25 Grosslogen anerkennt die UGLE nur eine, die kleinste. Sie wird auch von der SGLA und den VGLvD anerkannt. Die Deutschen anerkennen dazu fünf irreguläre, die Schweizer eine davon und zwei andere.

Im Jubiläumsbuch zu 150.Geburtstag der SGLA (mit Stand 1992; 230f) finden sich ganz andere Angaben zu Brasilien und Mexiko; dazu unterhielt die SGLA auch „Beziehungen“ zu den irregulären Grosslogen von Haiti, Honduras und Nicaragua. Haiti und Honduras werden unter anderem auch von der Grossloge von Illinois anerkannt. Dafür anerkennt diese die regulären Grosslogen von El Salvador und Equador nicht.

Die Großloge von Hawaii anerkennt weder die Großlogen von Argentinien, Bolivien, Brasilien, Kolumbien und Equador noch diejenigen von Paraguay und Uruguay, Kuba und der Dominikanischen Republik noch irgendeine von Mittelamerika.
Ebenso chaotisch sind die Anerkennungen der neuen regulären Grosslogen in Osteuropa und Afrika.

Widersprüchlich sind auch einzelne Angaben. So behauptet die Großloge von Russland auf ihrer eigenen Website, sie sei am 24. Juni 1995 von der GLNF gegründet worden und heute von 70 andern Grosslogen anerkannt. In der „Alpina“ 5-7/2003 wird das Gründungsdatum auf den 2. September 1992 verlegt und die Anerkennung auf rund 90 hochgeschraubt. Darunter sind 33 US-Grosslogen.

Konkrete Folgen der Nicht-Anerkennung?

Nun stellen sich folgende Fragen:

  • Bedeutet Nicht-Anerkennung einer regulären Grossloge, dass Besuche verboten sind? (Alex Pohlmann meint: „… kann ich Logen nicht besuchen, die einer Grossloge angehören, welche meine Grossloge nicht anerkennt“)
  • Was gilt, wenn die Nicht-Anerkennung nur einseitig ist? (etwa im Fall der Schweiz und den vier US-Staaten Alabama, Arkansas, Maryland und Mississippi)
  • Kann ein Bruder einer regulären Loge irgendwo klagen, wenn er als Besucher abgewiesen wird von einer Loge, die zu einer nicht-anerkennenden Grossloge gehört?

In einzelnen kann man etwa fragen: Sind polnische und estnische, kroatische und slowenische Brüder vom Besuch von US-Logen weitgehend ausgeschlossen? Rumänische Freimaurer dürfen dagegen in 36 US-Staaten die Logen besuchen, obwohl Rumänien (noch) keine von der UGLE anerkannte Grossloge hat.

Ähnlich steht es in Afrika: Angehörige der regulären Grosslogen von Benin und Guinea, Liberia und Mali dürfen fast keine Logen in den USA besuchen.

Und wie steht es mit Einzelfällen: Darf Giuliano di Bernardo, der sich mit Werken wie „Die Freimaurer und ihr Menschenbild“ (1989) und „Die neue Utopie der Freimaurerei“ (1997) um die Freimaurerei verdient gemacht hat, keine reguläre Loge in der Schweiz und in Deutschland besuchen?

Umgekehrt stellt sich folgende Frage: Dürfen Angehörige einer anerkannten irregulären Grossloge (2c) auch die Logen sämtlicher anderer von der anerkennenden, regulären Grossloge anerkannten Grosslogen besuchen - eventuell mit einem Bruder der anerkennenden Grossloge als Begleiter?

Die weltweite Bruderkette („Universal Brotherhood“)

Das Zauberwort in der Verfassung der SGLA von 1979 ist das kleine Wort „kann“. Das bedeutet, dass die Aufnahme von Beziehungen (oder die Anerkennung) kein Muss ist.

Das ist ja gerade das Besondere an der Regularität (1a + 1b = 2a), dass ein Angehöriger einer regulären Grossloge in über 100 Ländern der Erde rund 40 000 Logen ohne grosse Formalitäten besuchen darf und dort überall brüderlich aufgenommen wird.

3) Was sind und bedeuten „Beziehungen“?

Häufig ist unklar, was „freundschaftliche Beziehungen“ (3a), „reguläre Beziehungen“ oder ganz einfach nur „Beziehungen“ sind. In der Formulierung der „Basic Principles“ ist 1929 von „masonic intercourse“, 1989 von „Masonic contact“ die Rede. Ob darunter bloss ein gegenseitiges Besuchsrecht (3b), die Bestimmung von Freundschaftsbürgen (3c) oder die Anerkennung verstanden wird, ist von Grossloge zu Grossloge unterschiedlich. Je nachdem gilt z. B.: 3a = 2b resp. 2d; 3a = 3b; 2b resp. 2d = 3a + 2b +3c.

Subtile Differenzierungen am Beispiel der Schweizerischen Grossloge Alpina

Dabei gibt es mitunter subtile Differenzierungen. So ist dem Jubiläumsbuch zum 150. Geburtstag der SGLA zu entnehmen (111-112; 234), dass die Alpina seit 1877 weiterhin „freundschaftliche Beziehungen“ zum Grand Orient de France (GO) gepflegt hatte. Erst 1954 „hatte man seine Repräsentanten an der Grosslogentagung „nur noch zum Bankett, aber nicht mehr zu den rituellen Arbeiten“ eingeladen. Der GO interpretierte dies dahingehend, dass nun „keine Beziehungen zur schweizerischen Maurerei mehr bestehen“. Die SGLA brach erst im Jahr darauf „offiziell die Verbindungen“ zum GO ab.

Freundschaftliche Beziehungen zur Grande Loge de France (GLF) jedoch blieben bestehen (114-116; 234-235). Diese wurden zunehmend Gegenstand interner Diskussionen in der SGLA, und sie musste „die Regulariät der Grande Loge in Frage stellen“. Sie erwog 1963 „die Aufhebung oder ‚mise en sommeil’ der Beziehungen mit der GL“: Sie zog aber vorerst bloss den Freundschaftsbürgen zurück, „vollzog aber noch keinen Bruch“. Unterdessen hatten fast alle europäischen und viele aussereuropäische Grosslogen auch die Beziehungen zur GLF abgebrochen. Die SGLA folgte erst drei Jahre später schweren Herzens.
Der Bruch erfolgte jedoch halbherzig, denn das Direktorium der Alpina wies in einem Rundschreiben 1970 darauf hin, „dass offizielle Besuche bei den irregulären französischen Logen nicht statthaft“ seien, empfahl aber „bei Besuchen einzelner Brüder eine tolerante Haltung“. Dies veranlasste die UGLE, der Alpina im März 1971 die Anerkennung zu entziehen. Als die Alpina widerrief und ihren Stuhlmeistern in aller Form alle Kontakte mit „pseudofreimaurerischen und paramassonischen Körperschaften“ untersagte, hob die UGLE im Juni 1972 die Nichtanerkennung auf.

Zehn Jahre später kam es zu einer neuen Affäre (135-139; 235): Der 1959 gegründeten und von der UGLE anerkannten Grande Loge de Belgique (GLB) wurde 1979 die Anerkennung der Grossloge von New York und der UGLE entzogen, denn die Grossmeisterkonferenz der USA hatte festgestellt, dass die GLB mit irregulären Grosslogen (GO und Droit Humain) „regelmässig verkehrte“.

Nach und nach folgten alle kontinentaleuropäischen Grosslogen ausser der Schweiz. Daher warnte die UGLE im Juni 1983 ihre Mitglieder vor dem Besuch von Alpina-Logen, „da sie hier Brüder der GLB weiterhin antreffen könnten“. Die SGLA blockierte sich nun mit heftigen internen Auseinandersetzungen und hinhaltenden Gesprächen in London.

Nun wurde sogar das Überbringen von Glückwünschen brisant. Als die SGLA im Januar 1985 der GLB zum 25. Geburtstag gratulierte, protestierte London und kündigte weitere Massnahmen an. Erst jetzt zog die SGLA ihren Freundschaftsbürgen zurück. Im November wurden die Beziehungen abgebrochen, worauf der Grossmeister empört seinen Hammer niederlegte. Seine Begründung: Er könne nicht einen Entscheid der Abgeordneten mittragen, der „den Triumph des Opportunismus über Toleranz und Grundsätze bedeute“.

Erst fünf Jahre später wurden „reguläre Beziehungen“ (139) mit der 1979 gegründeten Grande Loge Régulière de Belgique aufgenommen resp. diese anerkannt (236). Gleichzeitig erfolgte die Anerkennung der - bereits 1913 resp. 1948 gegründeten und seither regulären - Grande Loge Nationale Française, mit der erst vor kurzem ein „gegenseitiges Besuchsrecht“ vereinbart worden war.

3c) Freundschaftsbürgen („Grand Representatives“)

Das Amt des Freundschaftsbürgen steht also irgendwo zwischen den gegenseitigen Besuchen und der Anerkennung.

Lennhoff/ Posner (540f) schreiben bereits 1932, dass das Amt „zu einer leeren Formalität herabgesunken“ sei. Die Beziehungen zwischen den Grosslogen würden „durch das Aufgeben dieser überlebten Institution“ nichts verlieren.

Man kann sich auch fragen, ob es sinnvoll ist, dass ein Bruder, wie einst bei den VGLvD, Grossvertreter sowohl von Chile wie von Puerto Rico wie von China resp. von Westaustralien und den Philippinen oder von Bolivien und Israel oder von Kansas, Maryland und der Türkei oder von New Jersey und der Schweiz ist.

Fazit

Als neutrales Fazit könnte man die mutigen Worte im Jubiläumsband zum 150. Geburtstag der SGLA zitieren (258f):

„L’Alpina se trouve, bien contre son gré, prise dans un chaos de relations internationales, entre des Obédiences qui s’excommunient. Cet état de fait est très néfaste a l’Ordre, sans qu’on sache très bien s’il s’agit d’une cause ou d’une conséquence de faiblesse.“

Oder wie es Eugen Lennhoff bereits 1931 (in: Die Freimaurer, 7, ausführlicher 353ff) formulierte:

„Von einer zentralen ‚Regierung’, von gemeinsamem Tun und Handeln ist keine Rede. Ja viel mehr noch: Manche Spitzenorganisationen, Obedizenzen der Freimaurerei sind voneinander fast so verschieden und geschieden wie die Kirchen. Und während so mancher Bund, der nach dem Muster der Freimaurerei entstanden ist, eine wirkliche Internationale von einheitlichem Gepräge darstellt, zeigt sich das Freimaurertum selbst als ein Kaleidoskop von tausendfacher Färbung.“


Msgruenklein.gif

Ausgearbeitet von Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2015 / All rights reserved - ESOTERIK von Dr. phil. Roland Müller

Links

Siehe auch