Anabela Brandao: Die Freimaurer, Ethnographie eines (Geheim-)Bundes
Inhaltsverzeichnis
- 1 Anabela Brandao: Die Freimaurer, Ethnographie eines (Geheim-)Bundes
- 2 Einleitung
- 3 Die Feldforschung
- 4 Geheimbund und Geheimgesellschaft
- 5 Geschichte der Freimaurerei
- 6 Charakteristika der Freimaurerei
- 7 Der Freimaurerorden
- 8 Das „Gottesbild“
- 9 Freimaurerei und Kirche
- 10 Das Image der Freimaurer
- 11 Schlussbetrachtung und Ausblick
- 12 Quellenverzeichnis
Anabela Brandao: Die Freimaurer, Ethnographie eines (Geheim-)Bundes
Feldforschungspraktikumsbericht zum Thema:
Die Freimaurer, Ethnographie eines (Geheim-)Bundes
- Vorgelegt von:
- Anabela Valente Couras Brandao
- Matrikelnummer: 5925111
- Fachsemester: 9
- Hauptfach: Ethnologie (Magister)
- Nebenfächer: Volkskunde, Deutsche Sprache und Literatur
- Email: anabela_brandao@web.de
Danksagung
Diese Arbeit wurde erst durch die Unterstützung einiger Menschen während meiner Feldforschung möglich, denen ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte.
Ich danke Jens Rusch für seine Unterstützung während der ersten Phase meiner Feldforschung, durch die er mich letztlich auch in der Wahl des Themas ermutigt hat. Er ermöglichte mir, Kontakte zu Informanten zu knüpfen und gab mir darüber hinaus wertvolle Anregungen für den Gegenstand der Forschung. Mein Dank gilt auch meinen Interviewpartnern, die mir einen Teil ihrer wertvollen Zeit geschenkt und mir in vielen anregenden Gesprächen zur Seite gestanden haben. Darüber hinaus danke ich dem Leiter des Freimaurermuseums in St. Michaelisdonn, Dietrich Heuck-Neelsen, der mir mit seinem scheinbar grenzenlosen Wissen zur Seite stand und geduldig alle meine Fragen beantwortet hat. Nicht zuletzt danke ich Kai Jacobs für sein offenes Ohr, seine Motivation - besonders während der letzten Phase – und seine Unterstützung beim Überarbeiten des Berichtes.
Einleitung
Untersuchungsgegenstand
Geheime Gesellschaften und Geheimbünde sind seit jeher Ursprung vieler Mythen und Legenden, die in den Köpfen der Menschen bestehen. Auch die Freimaurer gehören solch einer Gesellschaft an. Fragt man Menschen, was ihnen spontan zur Freimaurerei einfällt, so hört man meist Schlagwörter wie „Sekte“, „geheime Rituale“, „Ehrenmorde“ oder „mysteriöse Praktiken“. Doch was ist wirklich dran an dem Bild der Bruderschaft, deren Anfänge bis in das 18. Jahrhundert zurückreichen? Die Freimaurerei wird als eine international verbreitete Vereinigung beschrieben, die unter Achtung der Würde des Menschen für Toleranz, freie Entwicklung der Persönlichkeit, Brüderlichkeit und allgemeine Menschenliebe eintritt. Die Logen sind im Vereinsregister als Vereine eingetragen. Sie besitzen weder eine weltweit übergeordnete, zusammenhängende Organisation noch verfügen sie über geheime Obere, die die Geschicke der Bruderschaft im Verborgenen leiten. Ihre Verschwiegenheit stellt die Voraussetzung für das Vertrauen unter den Brüdern dar, führte allerdings auch dazu, das Image des mysteriösen Geheimbundes zu erschaffen. Dass die Freimaurer aufgrund ihrer Freiheitsvorstellungen und praktizierenden Toleranz noch heute in vielen totalitären Gesellschaften verboten sind, trägt sein Übriges dazu bei.
Doch was genau sind eigentlich die Freimaurer und was tun sie? Wie wird man Mitglied und welche Kriterien müssen dafür erfüllt werden? Dies sind nur einige der Fragen, denen ich in dieser Forschung nachgehen möchte. Grundgedanke ist es, ein zeitgemäßes Portrait der Freimaurer zu erstellen und dabei insbesondere auf das Selbstverständnis, den Tätigkeitsbereich und die Organisation einzugehen.
Die Freimaurerei gehört zu dem großen Bereich der Geheimgesellschaften und Geheimbünde und ist somit Teil des Forschungsfeldes der Ethnologie. Diese Forschung, zu Geheimbünden und geheimen Gesellschaften, soll, zusammen mit historischen Darstellungen und Monographien über die Freimaurerei, den analytischen Rahmen dieser Arbeit bilden. Ethnologische Arbeiten, die sich mit dem Thema Freimaurer befassen, sind meinem Erachten nach eher selten zu finden. Die meisten Forschungen entstammen eher der Geschichtswissenschaft, der Soziologie oder der Politologie. Ethnologische Studien finden sich jedoch zu anderen Geheimbünden oder geheimen Gesellschaften, die als vergleichende Literatur hinzugezogen werden können. Eine ethnologisch ausgerichtete Arbeit zur Freimaurerei wäre somit auch ein interessanter Vergleich zu bestehender Forschungsliteratur aus anderen Fachbereichen.
Der Untersuchungsgegenstand, anhand dessen ich die Struktur einer Freimaurerloge exemplarisch untersuchen möchte, ist die Johannisloge „Zum unbehauenen Stein“ , die in meiner Heimatstadt Brunsbüttel ansässig ist. Sie umfasst zurzeit etwa 30 Mitglieder und ist der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland untergeordnet. Ein ehemaliger Nachbar ermöglichte mir als Schlüsselinformant den Zugang zu dieser Loge und verschaffte mir auch Kontakt zu einigen Mitgliedern. Dieser Informant ist darüber hinaus Gründer des „Freimaurer-Wiki“, einem der weltweit größten Online-Informationsportale über die Freimaurerei. Die uneingeschränkte Nutzung dieses Portals ermöglichte es mir, auf eine Fülle von Informationen aus Sicht der Bruderschaft selbst zurückzugreifen und somit auch die emische Perspektive in meine Untersuchung mit einzubeziehen. Zur weiteren Beschaffung von Informationsmaterial existiert in einem Nachbardorf eines der drei größten Freimaurermuseen Europas, deren Leiter sich mir ebenfalls als Informant angeboten hat.
In der Freimaurerei gibt es drei Arten von Logen: die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFAM), die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ (3WK) und die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland (Freimaurerorden oder FO). Diese drei Formen unterscheiden sich zum Teil erheblich in Struktur und Praxis, so dass eine alles umfassende Darstellung über die Freimaurerei nur möglich wäre, wenn man alle drei Systeme untersuchen würde. Da die von mir untersuchte Loge zur Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland gehört, werde ich mich in meiner Arbeit ausschließlich auf den Freimaurerorden beziehen. Alle Angaben, die im folgenden Verlauf der Analyse gemacht werden, sind somit ausschließlich für dieses Logensystem gültig, insbesondere für die Johannisloge, die wiederum eine von drei Logenarten innerhalb des Ordens bildet .
Aufbau der Arbeit
Der Feldforschungsbericht besteht aus einem theoretischen und einem analytischen Teil. Der theoretische Teil soll den Rahmen bilden und eine Einordnung in die Thematik ermöglichen. Ich werde mich darin sowohl mit der Definition der Begriffe „Geheimbund“ und „Geheimgesellschaft“ befassen als auch mit deren Struktur. Um die heutige Situation der Freimaurer besser einordnen zu können, folgt dann ein kurzer Abriss zur Geschichte und zu den Ursprüngen der Freimaurerei. Im Anschluss werde ich mich den elementaren Grundlagen der Freimaurer widmen: Was sie sind, wofür sie stehen und was sie tun. Auch die Ordensregeln, Verhaltenskodexe und Pflichten der Bruderschaft möchte ich in diesem Zusammenhang skizzieren. Darauf folgt eine kurze Erläuterung der Symbolik und der Rituale, insbesondere im Hinblick auf ihre Bedeutung. Zum Schluss möchte ich die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um sowohl ein zeitgemäßes Portrait der Freimaurer zu erstellen als auch mögliche Gründe für die Entstehung ihres zumeist negativen Images zu finden.
Die Feldforschung
Datenerhebung: Angewandte Methoden
Die praktische Arbeit im Feld wurde in Form von halbstrukturierten Interviews, teilnehmender Beobachtung und Literaturrecherche durchgeführt.
Die teilnehmende Beobachtung fand bei einem Gästeabend, der als eine Art offene Informationsveranstaltung dient, statt. Dabei standen vor allem Fragen im Fokus, die sich mit der Repräsentation und der Außenwahrnehmung der Loge befassen, z.B., wie sich die Loge nach außen hin präsentiert, wer die Veranstaltung besucht und wie das Publikum auf die dort angesprochene Thematik reagiert. Da es sich bei den Freimaurern immer noch um eine so genannte „verschwiegene“ Bruderschaft handelt, war es mir leider nicht möglich, an einer der Arbeiten teilzunehmen und so einen direkten Einblick in die rituellen Arbeitsabläufe zu erhalten. Meine Ergebnisse zu diesem Abschnitt basieren daher lediglich auf den Aussagen der Mitglieder sowie der Literaturrecherche.
Die halbstrukturierten Interviews wurden in Form von Leitfadeninterviews geführt. Der Leitfaden sollte zum einen dabei helfen, eine relative Vergleichbarkeit unter den Aussagen der Mitglieder zu schaffen und zum anderen dafür sorgen, dass auch bei einmaliger Durchführung der Interviews keine wichtigen Aspekte ausgelassen werden. Dabei sollte untersucht werden, wie die Freimaurer sich selbst sehen und wie sie ihre Wirkung nach außen bewerten. Darüber hinaus sollten die Interviews Aufschluss über grundlegende Informationen wie Tätigkeitsbereiche, Mitgliedschaft und Praktiken geben. Zudem fand noch ein Experteninterview mit dem Museumsdirektor des Freimaurermuseums in St. Michaelisdonn statt. Seine besondere Kompetenz und sein fundiertes Wissen sollten die anderen Interviews ergänzen und zum Teil überprüfbar machen. Dabei galt es, zu untersuchen, ob sich die Aussagen der Informanten mit denen des Experten decken oder nicht. Einige der Interviewpartner haben mich auch auf diesen Experten verwiesen, wenn sie eine Frage nicht ausreichend beantworten konnten oder wollten. Zusätzlich zu diesen face-to-face Interviews habe ich noch zwei E-Interviews durchgeführt. Diese Methode bot den Vorteil, auch Informanten, die nicht am Untersuchungsort leben, befragen zu können. Gleichzeitig bietet diese Form von Interview den Vorteil, dass sensible Themen von manchen Befragten lieber im virtuellen Raum kommentiert werden und sie sich mit der Beantwortung der Fragen Zeit lassen können.
Insgesamt habe ich fünf qualitative Interviews durchgeführt – zwei davon als E-Interviews. Die gesamte Dauer der face-to-face Interviews beläuft sich auf 176 Minuten. Die Interviewpartner sind alle männlich und Mitglieder der Johannisloge „Zum unbehauenen Stein“. Lediglich Dietrich Heuck-Neelsen, Museumsleiter des Freimaurermuseums in St. Michaelisdonn, gehört einer anderen Loge an. Sowohl das Alter und die Dauer der Mitgliedschaft als auch die Positionen innerhalb der Loge variieren unter den Interviewten stark. Mark Riemann ist beispielsweise Vorsitzender Meister der Loge „Zum unbehauenen Stein“ und seit 6 Jahren Freimaurer; André Kahlke ist 41 Jahre alt und erst seit 1 Jahr Freimaurer. Martin Beck ist der jüngste unter den Interviewpartnern und erst seit Anfang des Jahres 2011 Mitglied der Loge.
Alle Interviews wurden vollständig transkribiert. In den ersten beiden Interviews von Mark Riemann und André Kahlke geschah dies in Form der literarischen Umschrift, bei der die Besonderheiten der gesprochenen Sprache sowie Auslassungen einzelner Laute und Assimilationen berücksichtigt werden. Um das Transkribieren zu erleichtern habe ich mich im dritten Interview mit Herrn Heuck-Neelsen dann für die Standardorthographie entschieden, bei der die gesprochene Sprache an die Normen der geschriebenen Sprache angepasst wird. Transkriptionsformat ist bei allen Interviews die Zeilenschreibweise.
Zusätzlich zur teilnehmenden Beobachtung und dem Führen von Interviews, habe ich eine umfassende Literaturrecherche über die Darstellung der Freimaurer in der Literatur in meine Untersuchungen miteinbezogen. Sie sollte dazu dienen, einen Vergleich zwischen den Aussagen der Mitglieder und der Darstellung des Bundes in der Literatur zu gewährleisten. Auch sollten durch diesen Vergleich Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis sichtbar gemacht werden.
Datenanalyse: Auswertungsverfahren
Bei der Analyse der Interviews habe ich mich auf fünf qualitative Interviews beschränkt. Diese eher kleine Auswahl an Informanten wird durch einen relativ hohen Konsens innerhalb der in den Interviews getroffenen Aussagen möglich. Da es sich nicht um eine kulturelle Domänenanalyse handelt, soll in diesem Zusammenhang zwar keine Konsenzanalyse durchgeführt werden – die Tatsache bildet jedoch die Grundlage für die Methode des Sampling, die ich in dieser Untersuchung angewendet habe. Dabei handelt es sich um eine Stichprobenerhebung, mit der – im Gegensatz zu quantitativen Methoden – häufig eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse angestrebt wird. Es wird also davon ausgegangen, dass die Aussagen der Informanten weitestgehend generalisiert werden können, um aus zeitlichen Gründen keine weiteren Interviews mehr durchführen zu müssen.
Die Analyse der Leitfaden-Interviews erfolgte nach SCHMIDT in fünf Schritten: 1. Bildung von Auswertungskategorien 2. Zusammenstellung eines Codierleitfadens 3. Codierung des Materials 4. Erstellen quantifizierender Materialübersichten 5. Vertiefende Fallinterpretation. Diese Analyse ist angelehnt an die Qualitative Inhaltsanalyse nach MAYRING und basiert auf der Kategorienbildung innerhalb des zu untersuchenden Materials.
Ablauf der Feldforschung
Die Feldforschung fand in der Zeit vom 14. Februar bis 15. Mai statt. Während der ersten zwei Wochen habe ich mich mit der Literaturrecherche sowie dem ersten Kontakt zu den Informanten befasst. Es fanden zum Teil erste informelle Treffen statt, bei denen das Anliegen meiner Arbeit und der ungefähre Ablauf der Interviews besprochen wurden. Zudem fand ein Kontakt über Email statt, so dass Interviewtermine vereinbart und Fragen vorab geklärt werden konnten. Die teilnehmende Beobachtung bei einem Gästeabend der Loge fand zu Beginn der Feldforschung statt und ermöglichte mir gleich zu Anfang einen guten Einstieg in die Thematik. Den Leitfaden meiner Interviews und das Exposé der Forschung habe ich den meisten Informanten vor dem Interview zukommen lassen, was dazu dienen sollte eventuelles Misstrauen zu beseitigen und einem „Überrumpelungs-Effekt“ vorzubeugen. Es ist mir bewusst, dass durch dieses Vorgehen möglicherweise die Antworten anders ausfallen könnten, als ohne Kenntnis der zu erwartenden Fragen. Jedoch hielt ich diesen Schritt für notwendig, da es sich gerade in der Freimaurer-Thematik um ein sensibles Thema handelt. Durch die ausführlichen Informationen wollte ich den Interviewpartnern meine Absichten verdeutlichen und ihnen die Angst vor unangenehmen Fragen nehmen. Alle Interviews wurden meist in der gleichen Woche noch transkribiert, so dass nach der Hälfte der Zeit eine Zwischenbilanz gezogen werden konnte. Dies war insofern hilfreich, als dass ich Unklarheiten und Lücken in den Informationen in den folgenden Interviews beseitigen und auf einige Fragestellungen gezielter eingehen konnte. Im Anschluss an die Interviews und die teilnehmende Beobachtung fand dann die Auswertung der Interviews statt, deren Ergebnisse mit denen der Literaturrecherche verglichen wurden. Ich habe darauf verzichtet auf Gemeinsamkeiten hinzuweisen und lediglich Diskrepanzen zwischen Aussagen der Mitglieder und der Fachliteratur angemerkt.
Rollenreflexion
Als ich zum ersten Mal Kontakt zu meinem Schlüsselinformanten aufnahm, hatte ich anfangs die Befürchtung, mit meiner Idee auf Ablehnung zu stoßen. Zu oft hatte ich im Vorwege von der Verschlossenheit der Bruderschaft gehört und zu wenig wusste ich im Grunde genommen über die Freimaurerei, als dass ich damit rechnete, mit offenen Armen empfangen zu werden. Doch meine Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht – im Gegenteil. Sofort wurde mir Hilfe und Unterstützung zugesagt und erste Ideen zu meiner Fragestellung ausgetauscht, so dass ich keinerlei Schwierigkeiten hatte, an Informanten zu kommen. Trotz allem wurde auch zu Anfang klar: Nicht bei jedem Freimaurer wäre ich auf das gleiche Verständnis gestoßen. Mein Schlüsselinformant schilderte mir in einem informellen Gespräch die Situation der Freimaurer so, dass sich im Laufe der Zeit zwei Lager herausgebildet hätten, die sich aus Befürwortern und Gegnern der Öffentlichkeitsarbeit der Freimaurer zusammensetzten. Besonders die älteren Mitglieder seien häufig der Auffassung, dass die Freimaurerei auch in der heutigen Zeit nicht an die Öffentlichkeit treten dürfe. Jüngere Mitglieder seien demnach häufig der Ansicht, dass Aufklärung und Information nötig seien, um dem schlechten Image der Bruderschaft entgegenzuwirken und mit den grassierenden Fehlinformationen im Internet oder auch in der Literatur aufzuräumen. Ein großer Schritt in diese Richtung wurde mit der Gründung des Freimaurer-Wiki getan – einer Online-Plattform mit Informationen rund um die Freimaurerei. Mein Schlüsselinformant und Gründer dieser Plattform schilderte mir, dass auch er innerhalb der Bruderschaft schon auf massive Kritik gestoßen sei. Durch seine Auswahl an weiteren Interviewpartnern wurde mir somit eine mögliche Ablehnung erspart, so dass ich ausschließlich auf ein großes Maß an Hilfsbereitschaft gestoßen bin.
Über meine Rolle als Frau habe ich auch während der Forschung lange nachgedacht. Die Tatsache, dass es sich bei den Freimaurern um eine traditionell männliche Bruderschaft handelt, zu der Frauen in den meisten Logen keinen Zutritt haben, war einer dieser Überlegungspunkte. Da jedoch auch Männern, die nicht Mitglied des Ordens sind, der Zutritt zu den Logen und deren Arbeiten verwehrt wird, könnte es auch sein, dass meine Rolle als Frau keinen großen Unterschied ausgemacht hat. Abgesehen von diesen Überlegungen hatte ich jedoch nicht den Eindruck in irgendeiner Weise durch mein Geschlecht benachteiligt worden zu sein.
Geheimbund und Geheimgesellschaft
Um sich im Weiteren mit der Bruderschaft der Freimaurer und auch mit ihrem Ruf als „Geheimbund“ zu beschäftigen, ist es meiner Ansicht nach erforderlich, sich zunächst einmal mit der Definition und dem Verständnis des Begriffes auseinanderzusetzen. Was genau wird eigentlich unter einem Geheimbund oder einer Geheimgesellschaft verstanden und was unterscheidet sie oder ihn von anderen Vereinigungen?
Sucht man in Lexika und Nachschlagewerken nach diesem Begriff, so erhält man erstaunlicherweise meist eine ethnologische Definition:
- „Geheimbünde, Völkerkunde: Vereinigungen von Männern (Männerbünde), in manchen Gebieten auch von Frauen (z.B. in Westafrika), meist mit kultischem, religiösem und politischem Einschlag, die ihre Ziele, Zusammenkünfte und Gebräuche streng geheim halten, eine eigene Gerichtsbarkeit üben, meist Gemeinschaftshäuser besitzen und die Aufzunehmenden (Novizen) strengen Prüfungen und Einweihungszeremonien (Initiation) unterziehen; Hauptgebiete: Westafrika, Melanesien, Nord- und Südamerika.“
Das Augenmerk liegt hier auf der Geheimhaltung der religiösen und politischen Praktiken einerseits und auf der Initiation der Novizen andererseits. Interessant ist auch die eigene Gerichtsbarkeit, die auf eine gewisse Art von hierarchischer Struktur hinweist. In dieser, eher allgemeinen, Definition finden sich jedoch weder das Wort „okkult“ noch den Begriff „Verschwörung“, so dass man sagen könnte, dass sie eher von der innerhalb der Gesellschaft existierenden Vorstellung eines Geheimbundes abweicht.
Auf die religiöse und politische Funktion bezieht sich auch die Definition innerhalb eines ethnologischen Einführungswerkes von BEER und FISCHER:
- „In einigen Gesellschaften bestehen zudem Bünde, Klubs oder Geheimgesellschaften, die bestimmte religiöse […] oder politische Funktionen […] übernehmen. Bünde können rein lokale Phänomene darstellen oder auf regionaler Ebene organisiert sein. Die Mitgliedschaft – die meist, aber nicht immer, auf Männer beschränkt ist – erfolgt freiwillig oder durch Kooptation, in jedem Fall muss aber eine Initiation absolviert werden, und oft müssen Mitglieder weitere Initiationsstufen bis zur Vollmitgliedschaft durchlaufen. Die verwandtschaftliche Zugehörigkeit spielt in Bünden eine untergeordnete Rolle, jedoch prägen Alter und Generation das Leben innerhalb dieser Bünde. […]“
Auch hier wird der hohe Männeranteil innerhalb der Mitglieder hervorgehoben und die Initiationsriten als charakteristisches Merkmal betont. Die Mitglieder müssen laut dieser Definition auch nach ihrer Aufnahme in den Bund weitere Stufen der Initiation durchlaufen, um eine vollständige Mitgliedschaft zu erreichen. Die fachbezogene Definition weist somit deutliche Parallelen zu der allgemeinen Definition auf. Auf den ersten Blick scheint eine Zuordnung des Begriffes also relativ eindeutig zu sein. Wie kommt es aber, dass Geheimbünde in der Gesellschaft ein ganz anderes Bild erzeugen? In seiner ethnologischen Studie eines chinesischen Geheimbundes beschäftigt sich KNACKSTEDT mit genau dieser Fragestellung. In seiner Einleitung setzt er sich mit dem Begriff auseinander und bemängelt dabei sein fehlendes begriffliches Determinationspotential, was zu Unsicherheiten in seinem Gebrauch führe.
Seiner Ansicht nach werde heute jede Art von Vereinigung, über die eine gewisse Unsicherheit innerhalb der Gesellschaft besteht, als Geheimbund bezeichnet und der Begriff des „geheimen“ lediglich durch seine Abgrenzung zum „öffentlichen“ relevant. Unter Berücksichtigung kommunikations- und sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse hat er eine Arbeitsdefinition erstellt, die sich aus der Annäherung der Begriffe „geheim“ und „Bund“ erschlossen hat:
- „Der Geheimbund ist ein Zusammenschluss von Individuen auf nichtverwandtschaftlicher Basis. Seine wesentlichen Charakteristika sind im Einvernehmen der Mitglieder intentional ausgerichtete Emotionen und soziale Geschlossenheit zum Zwecke des Bewahrens exklusiven Wissens. Eine Mitgliedschaft kann entweder fakultativ oder obligatorisch sein, immer jedoch wird sie durch eine Initiation gefestigt.“
Es ergeben sich daraus erneut einige Merkmale, die mit den vorherigen Definitionen übereinstimmen: Die nichtverwandtschaftliche Basis und die Initiation. Neu kommt hier das Charakteristikum des Bewahrens exklusiven Wissens hinzu, welches in den anderen Eingrenzungen keine Rolle zu spielen schien. Die Dominanz männlicher Mitglieder hingegen wird hier nicht erwähnt – auch das unterscheidet die Definitionen voneinander.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass eine exakte Abgrenzung des Begriffes „Geheimbund“ nicht möglich zu sein scheint. Eine genaue Definition ist in dieser Arbeit jedoch auch nicht notwendig, da untersucht werden soll, ob sich der Bund der Freimaurer anhand seiner Kriterien den Geheimbünden zuordnen lässt oder nicht. Auf diese Frage werde ich am Ende der Untersuchung noch näher eingehen, indem ich die ermittelten Charakteristika der Freimaurer den Definitionen gegenüberstellen werde. Der Begriff der „geheimen Gesellschaften“ wird im Folgenden synonym für „Geheimbund“ verwendet, da ich keine Unterscheidung zwischen ihnen ausmachen konnte.
Eine etwas differenziertere Unterscheidung innerhalb der Geheimbünde findet sich bei HECKETHORN, der geheime Gesellschaften in sieben Kategorien unterteilt: 1. religiöse, 2. militärische, 3. gerichtliche, 4. wissenschaftliche, 5. bürgerliche, 6. politische und 7. gesellschaftsfeindliche. Die Freimaurer lassen sich nach dieser Einteilung den bürgerlichen Geheimgesellschaften zuordnen.
Geschichte der Freimaurerei
Um sich im Folgenden mit dem Bund der Freimaurer auseinanderzusetzen ist es hilfreich, sich einen kurzen Überblick über deren Entstehung und Entwicklung innerhalb der letzten Jahrhunderte zu verschaffen. Dazu werde ich mit den Ursprüngen des Ordens beginnen und einen knappen Abriss über seine Geschichte anschließen.
Ursprünge
Über die Entstehung der Freimaurerei existiert eine Vielzahl von Theorien, Legenden und Mythen. Eine dieser Theorien sieht den Ursprung der Freimaurerei in den beruflichen Zusammenschlüssen der Handwerker und Ritterorden, zu denen unter anderem der Templer- oder der Malteserorden gehören; andere führen ihre Entstehung eher auf alte Mysterienkulte, wie die Druiden oder die Kabbala, zurück. Die freimaurerische Forschung ist sich heute jedoch weitgehend einig, dass die Anfänge der modernen Freimaurerei in den frühen handwerklichen Bruderschaften liegen, auf deren Brauchtum eine hohe Zahl an freimaurerischem Gedankengut zurückzuführen sein soll. Ein weiterer Ursprung geht auf die Zusammenschlüsse der Handwerker zurück, die sich mit dem Bau sakraler Monumente befassten. Diesen so genannten Bauhütten wurden im 17. Jahrhundert, zu Zeiten der Reformation, geheime Zusammenkünfte und Missachtung der Gesetze des Staates vorgeworfen, so dass sie im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren und nach und nach aufgelöst wurden. Ein weiterer Grund für das allmähliche Verschwinden der Bruderschaften lag außerdem darin, dass der Sakralbau während des darauf folgenden Dreißigjährigen Krieges zum Erliegen kam und den Bauhütten somit die Lebensgrundlage entzogen wurde. Ihr Fortbestehen sicherten sie, indem sie sich in England ausbreiteten. Die dort ansässigen Gilden der Steinmetze begannen zunehmend auch Nicht-Werkmaurer in ihre Reihen aufzunehmen. So entstand aus der „Werkmaurerei“ die so genannte „spekulative Freimaurerei“, deren Ausrichtung weg von der praktischen und hin zur geistigen Form verlief. Das Gedankengut und die Brauchtümer wurden jedoch von den Werkmaurern übernommen.
Entstehung der modernen Freimaurerei
Das 18. Jahrhundert
Als offizielles Gründungsdatum der modernen Freimaurerei gilt der 24. Juni 1717. An diesem Tag schlossen sich mehrere Londoner Logen zu einer Großloge, der „Grand Lodge of London“, zusammen, deren erster Logenmeister Anthony Sayer war. Sowohl der Gründungsakt als auch der Anspruch auf den Titel der ersten Großloge der modernen Freimaurerei sind jedoch nicht eindeutig belegt und müssen deshalb als historische Theorie betrachtet werden. Von dort an breitete sich der Orden zunächst auf den Britischen Inseln, später dann auch auf dem europäischen Festland in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Österreich aus. In England brachte ein Großmeister namens John Théophilus Désaguliers eine Veränderung innerhalb der Logen hervor, die sich auch auf das im Jahr 1723 eingeführte Konstitutionenbuch auswirkte. Vor der Gründung der Großloge besaß jeder Orden eine eigene Konstitution, die die wichtigsten Glaubenssätze enthielt. Der erste Logenmeister Anthony Sayer und sein Nachfolger Désaguliers beauftragten den englischen Prediger James Anderson, auf der Grundlage dieser Konstitutionen eine Verfassung zu schreiben. Diese so genannten „Alten Pflichten“, eine Art Ordenskodex, besitzen auch heute noch ihre Gültigkeit und gelten als Grundgesetz der Freimaurerei. Désaguliers, anglikanischer Priester, Naturforscher und Mitglied der „Royal Society“ , bewirkte einen großen Zulauf bedeutender und einflussreicher Männer in die Logen, woraufhin auch die Freimaurerei selbst einiges an gesellschaftlichem Ansehen gewann und die Londoner Großloge sich immer mehr ausdehnte. In Frankreich dagegen zählten weniger die Adligen, als vielmehr die Intellektuellen zu den Mitgliedern der Logen, die sich auf die geistige und kulturelle Entwicklung Frankreichs konzentrierten.
In den Jahren danach kam es schließlich vermehrt zur Bildung unseriöser Konkurrenzorden, begleitet von Abspaltungsversuchen und Legitimationsproblemen der regulären Freimaurerei. Aus diesem Grund wurde 1782 in Deutschland ein internationaler Freimaurerkonvent einberufen, welcher Hoffnungen auf den schon lange bestehenden Wunsch einer Neuordnung innerhalb des Ordens weckte. Aus diesem Konvent gingen eine Vielzahl esoterisch-ideologischer Strömungen hervor, deren drei Hauptgruppen die Anhänger hermetisch-alchemistischer Traditionen, die französischen Vertreter des mystisch-spiritualistisch-martinistischen Lyoner-Systems und die Rationalisten und Aufklärer waren. Nach Beendigung des Konvents kam es zur Entstehung des Eklektischen Bundes in Frankfurt, der die Aufteilung in die drei Johannisgrade – den Lehrlings-, den Gesellen- und den Meistergrad – für verbindlich erklärte.
Der Freimaurerorden beeinflusste zu dieser Zeit auch die Aufklärungsbewegung. Seine demokratischen und humanitären Grundsätze existierten bereits vor der Französischen Revolution 1789 und trugen somit indirekt zur Vorbereitung der Revolte bei. Die Auflösung der hierarchischen Struktur der Gesellschaft und die Gleichsetzung aller sozialen Stände waren nur einige dieser freimaurerischen Manifeste, die schon zu früherer Zeit in den Logen existierten. Der Umbruch in der politisch-sozialen Ordnung führte nach der Revolution in Frankreich auch zur Reichsauflösung in Deutschland. An den gesellschaftlichen und politischen Reformen, ausgelöst durch den Niedergang Preußens im 19. Jahrhundert, waren auch die Freimaurer maßgeblich beteiligt. Das Aufeinandertreffen der alteuropäischen Mächte mit dem revolutionären Frankreich führte zu einer Umgestaltung der politischen und territorialen Lage und entfachte einen andauernden Konflikt zwischen den Parteien. Im Jahr 1798 erließ der preußische König Wilhelm Friedrich III. ein Gesetz zur „Verhütung und Bestrafung geheimer Gesellschaften“. Unter dieses Gesetz fielen auch die Freimaurer, so dass sie zu dieser Zeit unter Verfolgung durch den Staat litten. Ihre Lage entspannte sich erst wieder, als etwa 60 Jahre später ein Freimaurer, Wilhelm I., preußischer König und später sogar deutscher Kaiser wurde.
Das 19. Jahrhundert
In England hingegen begann im 19. Jahrhundert das Zeitalter der Industriellen Revolution. Technologischer Wandel, ein beschleunigtes Wachstum und auch soziale Veränderungen gingen mit dem Beginn der Moderne einher. An der Spitze der daraus resultierenden Reformbewegung stellten sich die Freimaurer – allen voran die deutschen Freimaurer Knigge, Fichte, Schröder oder Fessler. Sie setzten sich nicht nur für die Neustrukturierung der Organisation der Großlogen ein, sondern auch für einen Wandel der inhaltlichen Arbeit und des Brauchtums des Ordens. Dabei ging es den Mitgliedern in erster Linie darum, ihre Logenverfassungen zu modernisieren und sie den Strömungen der Zeit anzupassen. Ziel war es, einen gesellschaftsfähigen Aktivismus zu erschaffen, der die alten Traditionen nicht verdrängen sollte.
Neue Probleme zu dieser Zeit waren sowohl die Kirche als auch der aufkommende Sozialismus und der Kommunismus. Die Vorstellungen der Sozialisten ließen sich mit den Grundgedanken der Freimaurer nicht immer vereinbaren, denn in ihren Augen waren sie eine elitäre Gesellschaft und damit nicht mit dem Sozialismus in Einklang zu bringen. Die Kirche warf der Freimaurerei wiederum vor, die Grundsätze des Sozialismus erfunden, verbreitet und verteidigt zu haben. Zusammenfassend war das 19. Jahrhundert für die Freimaurerei eine ständige, mitunter konfliktreiche, Auseinandersetzung mit den verschiedenen politischen Systemen und Richtungen.
Im 19. Jahrhundert war man auch in Deutschland bestrebt, den Aktivismus den Strömungen der Zeit anzupassen. Es setzte eine regelrechte Reformwelle in der deutschen Freimaurerei ein. Das Verhältnis der Freimaurerei zum aufkommenden Nationalismus erwies sich zu dieser Zeit als schwierig und unterschied sich grundsätzlich in zwei Ebenen: dem Verhältnis zum Nationalstaat und dem Verhältnis zur nationalen Frage. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, wie Italien oder Griechenland, traten in Deutschland Freimaurer und politische Geheimbünde getrennt voneinander auf. Aufgrund der Aufgeschlossenheit für fortschrittliche Entwicklung und des Zusammenhangs mit der demokratischen Idee, schlossen sich viele Logenmitglieder der nationalen Bewegung an.
Das 20. Jahrhundert
Mit dem 20. Jahrhundert wurde für die Freimaurer ein dunkles Zeitalter eingeläutet. Bereits vor der Machtergreifung Hitlers war sie starken Angriffen durch Verschwörungstheoretiker und Politiker, allen voran Erich Ludendorff und seinen Anhängern, ausgesetzt. Den Freimaurern wurde vorgeworfen, sich gemeinsam mit den Juden gegen Deutschland verschworen und den Ersten Weltkrieg ausgelöst zu haben. Dies bildete die Grundlage für die antifreimaurerische Propaganda des dritten Reiches, die in der Freimaurerei eine Manifestation der Ideale der Humanität, der Französischen Revolution und auch der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sah. Infolgedessen kam es immer wieder zu lokalen Ausschreitungen und geschäftlichen Boykotten der Mitglieder, von denen eine Vielzahl aus den Logen austrat. Doch das Zeitalter des Nationalsozialismus wurde nicht von allen Logen abgelehnt. Im Gegensatz zu den so genannten humanitären Logen, verbanden die stark national ausgerichteten Logen die Machtübernahme Hitlers mit der Hoffnung auf die Etablierung eines autoritären, aber rechtsstaatlich gelenkten Regierungssystems. Nichtsdestotrotz wurden in diesen Jahren sämtliche Logen und logenähnliche Verbindungen aufgelöst und ihre Akten beschlagnahmt. Dabei kam es zu Plünderungen, Deportationen, Folterungen und Morden. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges formierte sich die Freimaurerei in den europäischen Staaten neu und es kam 1958 zum Zusammenschluss der Vereinigten Großlogen von Deutschland.
Freimaurerei in Deutschland
Die Freimaurerei in Deutschland erreichte zwar nie die Bedeutung, die sie in England hatte – ihre Entwicklung vollzog sich jedoch ähnlich. 1737 wurde in Hamburg die Loge de Hambourg, die erste deutsche Loge gegründet, die später unter dem Namen Absalom zu den drei Nesseln bekannt wurde und die noch heute besteht. Somit ist die deutsche spekulative Freimaurerei über 270 Jahre alt und damit nur 20 Jahre jünger, als ihre englische Schwester. Es folgte dann die Gründung weiterer Logen in vielen größeren Städten des Landes.
Im Laufe der Zeit bildeten sich innerhalb der Freimaurerei unterschiedliche Strömungen und Richtungen aus, die zur Spaltung vieler Logen führten. Doch schon im 18. Jahrhundert verfolgten die meisten deutschen Freimaurer das Ziel, ein einheitliches, übergeordnetes System zu schaffen. Viele Versuche wurden unternommen, um dies zu erreichen – einer davon in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Der Verein deutscher Freimaurer sollte sich der Erforschung freimaurerischer Geschichte widmen und für eine vereinigte deutsche Freimaurerei einstehen. Zehn Jahre später wurde der Deutsche Großlogenbund ins Leben gerufen, in dem sich die damals existierenden acht Großlogen zusammenschlossen, um „die Einigkeit und die Zusammenarbeit der deutschen Logen zu wahren und zu fördern und den außerdeutschen Großlogen gegenüber eine gemeinsame maurerische Stellung einzunehmen“. Die Schaffung einer Reichsgroßloge, für die sich einer der Mitglieder einsetzte, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Alle weiteren Versuche sich zu einer übergeordneten Großloge zusammenzuschließen schlugen fehl. Die verschiedenen Ausrichtungen und Grundanschauungen der einzelnen Logen ließen sich nicht vereinbaren und der Deutsche Großlogenbund brach nach und nach auseinander.
Auch das 20. Jahrhundert brachte die Einigungsbestrebungen der Freimaurer nicht voran. Die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und die damit einhergehende Auflösung der Orden ebnete jedoch den Weg für einen Neuanfang. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges mussten sich die Logen gezwungenermaßen reorganisieren. Im Jahr 1958 wurde mit der Gründung der Vereinigten Großlogen von Deutschland (kurz VGLvD) endlich das lang ersehnte Ziel der Einigung erreicht. Einige Jahre später schlossen sich auch einige Großlogen britischer Freimaurer der Vereinigung an, so dass es zum ersten Mal seit Ende des 18. Jahrhunderts wieder ausländische Freimaurerlogen in Deutschland gab. Heute bestehen die VGLvD aus 470 deutschen Freimaurerlogen, deren 14.000 Mitglieder unter fünf selbstständigen Großlogen arbeiten. Drei weitere Großlogen, darunter die Forschungsloge Quatuor Coronati , sind den VGLvD direkt unterstellt.
Charakteristika der Freimaurerei
Logensysteme
In Deutschland setzt sich die Freimaurerei aus drei großen Freimaurerbünden zusammen: Der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (kurz: AFAM), der Großen National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ (3WK) und der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland (auch Freimaurerorden oder kurz: FO) . Diese drei Formen unterstehen alle den Vereinigten Großlogen von Deutschland, einem Zusammenschluss aller in Deutschland arbeitenden Logen, die zentral von dort aus verwaltet werden. Man bezeichnet diese verschiedenen Freimaurerarten auch als Obödienzen . Die Verbreitung der Obödienzen unterliegt Abstufungen in der Größe und in der Höhe der Mitglieder:
- „Die größte Abteilung ist der AFAM-Orden, also die AFAM-Brüder, die zweitgrößte Organisation ist der Freimaurerorden, dann kommen die Drei Weltkugeln […]“
Zusätzlich zu den drei deutschen Obödienzen existieren in Deutschland noch eine englische Loge (Grand Loge of British Freemasons in Germany), sowie eine amerikanisch-kanadische Loge (American Canadian Grand Loge), deren Mitglieder sich größtenteils aus Besatzungssoldaten zusammensetzen. Mittlerweile haben sie jedoch auch viele deutsche Mitglieder unter sich. All diese Obödienzen arbeiten zwar nach den gleichen Grundsätzen, sie unterscheiden sich aber in Struktur und Praxis voneinander.
- „[…] eigentlich sind es Dachverbände, die arbeiten nach einem etwas anderen Ritualsystem und die haben ein anderes Gradsystem.“
Während der Freimaurerorden auf dem christlichen Glauben aufgebaut ist, unterstehen die AFAM-Logen keiner religiösen Glaubensrichtung.
- „Also da spielt auch die Religion nicht die gravierende Rolle. Es können Muslime aufgenommen werden, Hinduisten, Buddhisten, das spielt keine Rolle. Entscheidend ist eben, dass sie an sich selbst arbeiten und Brüder werden wollen, also bessere Menschen werden wollen.“
Die 3WK-Logen arbeiten weitgehend nach dem gleichen System wie der Freimaurerorden, da sie ebenfalls von einer christlichen Basis ausgehen. Unterschiede gibt es darüber hinaus im Gradsystem und in den Ritualen der einzelnen Obödienzen. Beim Freimaurerorden basiert dieses auf 10 Erkenntnisstufen , die mit drei einführenden Johannisgraden beginnen, wohingegen die AFAM-Logen nach einem Hochgrad-System, dem so genannten Schottischen Ritus, arbeiten, das auf die ersten drei Grade aufgebaut ist. Auch die ausländischen Logen orientieren sich an diesem System. Die 3WK-Logen hingegen arbeiten mit drei einführenden Graden, wie es auch im Freimaurerorden üblich ist, zu denen dann drei weitere Grade hinzukommen. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass alle Obödienzen mit den drei Johannisgraden beginnen und sich dann lediglich in den darauf folgenden Graden unterscheiden.
Freimaurerei International
Freimaurerlogen existieren nicht nur in Europa, man findet sie in der ganzen Welt. Bis auf diese eingangs genannten Unterschiede in den Gradsystemen und Strukturen ist die Basis aller Logen prinzipiell gleich. Wird ein Anwärter in die Loge aufgenommen, so muss er ein Aufnahmeritual über sich ergehen lassen, das überall exakt gleich abgehalten wird und genau festgeschrieben ist. Diese Tatsache schafft eine Verbindung zwischen den Mitgliedern, die es ihnen ermöglicht, in jeder Loge der Welt an einem Ritual teilzunehmen und dabei mit den Abläufen bestens vertraut zu sein. Es herrscht ein weltweites Besuchsrecht, das jedem Freimaurer erlaubt, zu jeder Zeit an den Arbeiten anderer Logen teilzunehmen. Die Verbindung, die durch das Durchlaufen des Aufnahmerituals entsteht, wird als internationales Vereinigungsband beschrieben.
- „Wir haben alle einen Schwur geleistet für den Orden, […] und dieser Schwur während der Aufnahme verbindet uns so, dass wir sagen, es gibt dieses internationale Vereinigungsband, was uns Brüder weltweit zusammen hält.“
Das Besuchsrecht gilt jedoch nicht nur in anderen Ländern, sondern darüber hinaus auch in jeder deutschen Loge. Die Mitglieder machen von diesem Besuchsrecht auch praktisch Gebrauch und besuchen unter anderem die Arbeiten ihrer Nachbarlogen. Bei den rituellen Arbeiten werden sie dort offiziell als Gäste deklariert.
Es existiert also ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter allen Freimaurern, dass auf dieses Vereinigungsband zurückzuführen ist und das von den Mitgliedern als besonders faszinierend und einzigartig hervorgehoben wird. Bei dem Besuch einer fremden Loge muss eine Art Erkennungszeichen erfolgen, das in Form von Losungsworten oder dem Abfragen bestimmter Begriffe erfolgt. Zu diesem Zweck steht immer ein Wachhabender am Eingang der Loge, der überprüft, ob ein Besucher an den Arbeiten teilnehmen darf oder nicht. Eine besondere Rolle spielt dies in Bezug auf die Unterschiede in den erreichten Graden, denn einige Rituale dürfen nur besucht werden, wenn der entsprechende Grad erreicht wurde.
Obwohl alle internationalen Logen sich in Ritualen und Strukturen ähneln, so gibt es doch auch Unterschiede in der Außendarstellung dieser Logen. Die amerikanische Freimaurerei wird von den Interviewten beispielsweise als sehr offen beschrieben, wohingegen die deutschen Logen eher als streng gelten.
- „[…] also in Deutschland ist es nicht so verbreitet, wie in Amerika, da ist es so, dass die Menschen dort viel offener damit umgehen. Als ich letztes Jahr in Texas war habe ich auch eine Loge besucht und man sieht wirklich an jeder Ecke entweder Menschen, die ein Basecap aufhaben mit einem Symbol, oder ein T-Shirt oder auf dem Auto […]“
Ein Merkmal der amerikanischen Freimaurerei scheint also zu sein, dass die Gesellschaft sehr viel toleranter damit umgeht und die Logen sich im Gegenzug auch sehr viel offener präsentieren. Auch die Vorurteile gegenüber der Bruderschaft scheinen nicht so präsent zu sein, wie in Deutschland. Ähnlichkeiten zur deutschen Freimaurerei scheint es jedoch in England zu geben. Das System wird als ebenso traditionell beschrieben, allerdings soll die Außenwahrnehmung dort ebenfalls weniger vorurteilsbehaftet sein.
- „[…] das muss immer alles sehr genau gehen bei den Engländern - es ist ja auch das Mutterland eigentlich. Ich glaube das ist ein bisschen verwandter zu Deutschland. […] Sehr traditionell und komplett unbelastet in der Öffentlichkeit.“
Die Mitglieder scheinen also einige Logen im Ausland so wahrzunehmen, dass sie wesentlich integrierter in der Gesellschaft sind und sich im Gegenzug auch offener nach außen hin geben.
Was ist Freimaurerei?
Pragmatisch betrachtet handelt es sich bei der Freimaurerei um eine international verbreitete Bruderschaft, die als eingetragener Verein und unter Achtung und Würde des Menschen für Toleranz, freie Entwicklung der Persönlichkeit, Brüderlichkeit und Menschenliebe eintritt. Anders als bei anderen karitativen Vereinen und Service-Clubs, versuchen die Freimaurer dieses Ziel zu erreichen, indem sie zuerst an sich selbst arbeiten, um dann als verbesserte Menschen positiv auf die Gesellschaft zu wirken. MILITZ bezeichnet Freimaurerei sogar als „das wohl erfolgreichste Persönlichkeitstraining der Welt“. Symbolisch gesehen geschieht dies in Form eines unbehauenen Steines, der an die Ursprünge der Freimaurerei in den Handwerksgilden angelehnt ist. Dieser unbehauene Stein soll so bearbeitet werden, dass er eines Tages kubisch wird.
- „Erst einmal wollen wir ja an uns selbst arbeiten, deshalb ja auch die Symbolik mit dem unbehauenen und dem behauenen Stein. Wenn ein Herr bei uns aufgenommen wird ist er wie dieser unbehauene Stein und hat im Laufe der Zeit daran zu arbeiten, dass der Stein kubisch wird […]. Wir versuchen erst einmal selber an uns zu arbeiten, um bessere Menschen zu werden und dieses Positive, was wir uns selbst erarbeiten, dass wollen wir dann in die Gesellschaft ausstrahlen.“
Die Bruderschaft arbeitet demnach an der eigenen Persönlichkeit, um so die Gesellschaft zu verändern. Sie wird von den Mitgliedern auch als „Selbsterziehungssystem“ bezeichnet. Dieser Umstand wirft jedoch die Frage auf, warum zur Verbesserung der eigenen Persönlichkeit der Eintritt in die Bruderschaft erforderlich ist. An sich arbeiten könnte schließlich auch jeder Mensch allein für sich. Die Bedeutung der Freimaurerei für die Mitglieder zeigt sich jedoch um einiges vielschichtiger. Es ist das Gemeinschaftsgefühl, das unter den Freimaurern herrscht. Dieses manifestiert sich nicht nur in dem weltweiten Besuchsrecht und dem internationalen Vereinigungsband, sondern auch in der gemeinsamen rituellen Arbeit. Auch die Individualität eines jeden Mitgliedes spielt bei der Bedeutung eine große Rolle. Die Möglichkeit, sich frei und nach eigener Vorstellung entfalten zu können, wird als besonders einzigartig beschrieben.
- „Und das ist eben das Interessante an der Freimaurerei, dass jeder Bruder dieses Ganze auf seine spezielle Art verarbeitet, sich danach formt und sich danach richtet. Es ist eine gewisse Freiheit, die einem gegeben wird, obwohl sie ja in einer Gemeinschaft arbeiten.“
Ein weiterer Punkt ist die Gleichheit, die unter den Brüdern besteht. Schon der Begriff „Bruder“ zeigt deutlich, dass innerhalb des Ordens keine Standesunterschiede herrschen, obwohl es eine Art hierarchisches Gradsystem gibt. Durch Faktoren wie das Tragen gleicher Kleidung, die Anrede mit „Bruder“ oder dem gemeinsamen Durchführen ritueller Handlungen wird dieses „Wir-Gefühl“ verstärkt.
- „Wir sind alle gleich, es gibt keine Standesunterschiede. Und deshalb der Begriff Brother, das kommt ja eben aus dem Englischen. Und so ist der Begriff dann auch über die Jahrhunderte weiter so gebraucht worden. Also das soll nur signalisieren: Wir sind alle gleich, ganz gleich in welcher Erkenntnisstufe.“
Das Gefühl der Brüderlichkeit geht sogar soweit, dass die Freimaurerei als eine Art Familie empfunden wird, zu der mit Eintritt in die Loge eine lebenslange Verbindung entsteht. Obwohl das Austreten aus der Loge möglich ist, kommt es eher selten vor. Dies scheint für die Mitglieder auch den Unterschied zu anderen Vereinen auszumachen.
- „Aus einem Verein kann man natürlich auch wieder aussteigen. Theoretisch geht das natürlich auch alles bei uns. Ich kann bei uns eintreten, ich kann auch wieder austreten, aber praktisch macht es keiner. Wenn man dabei ist und aufgenommen wurde, da hat man etwas bekommen, was man nicht mehr abgeben kann und auch nicht mehr abgeben möchte. […] Das ist so, als wenn man seine Familie verlässt.“
Auch das Vertrauen untereinander stellt einen wichtigen Aspekt dar. Sowohl die Bruderschaft als auch die Anwärter müssen einander schon vor der Aufnahme eines neuen Bruders Vertrauen entgegenbringen. Der Neuling wird in die Geheimnisse der Freimaurerei eingeweiht, ohne dass die Brüder eine genaue Vorstellung davon haben, ob er dieses Vertrauens würdig ist oder nicht. Auf der anderen Seite muss auch der Anwärter ein gewisses Vertrauen in die Brüder haben, denn er weiß anfangs noch nicht, was auf ihn zukommen wird.
Die Arbeit in der Loge scheint auch für viele Freimaurer ein ganz bewusstes Ausbrechen aus dem alltäglichen Leben zu sein. Dies zeigt sich nicht nur in den Jahrhunderte alten Ritualen, sondern auch in der speziellen Kleidung, dem Tempel und dem Vokabular, dass sie benutzen. Eine Arbeit in der Loge kann also eine Art Flucht aus dem Alltag sein und wird als besonders entspannend beschrieben.
- „Es ist ein kompletter Rückzug aus dem Alltag. Das fängt ja schon damit an, dass man sich umzieht, dieses nach Hause gehen von der Arbeit, sich vorbereiten auf die Loge, das ist im Grunde genommen auch schon ein ritueller Akt. Und mit Betreten des Logenhauses ist man dann auch in einer anderen Welt, man hat dann die Möglichkeit, den Alltag hinter sich zu lassen und die rituelle Arbeit auf sich wirken zu lassen und einfach auf andere Gedanken zu kommen.“
Genauer betrachtet handelt es sich bei der Freimaurerei also um eine sehr viel komplexere Vereinigung, deren Bedeutung für die Mitglieder so groß ist, dass sie es als einen Bund fürs Leben bezeichnen, der sie zu besseren Menschen erziehen soll. Diese Erziehung funktioniert jedoch nicht durch eine übergeordnete Instanz von oberhalb, die ihnen vorschreibt, wie dieses Ziel zu erreichen ist, sondern sie funktioniert für jeden Einzelnen individuell, indem er an sich selbst arbeitet.
Der Freimaurerorden
Struktur und Organisation
Als Freimaurerorden wird die Obödienz der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland bezeichnet. Er ist ein eingetragener Verein, dessen Satzung jederzeit im Vereinsregister der Stadt eingesehen werden kann. Anders als die anderen Obödienzen, ist er auf dem christlichen Glauben aufgebaut. In der Praxis heißt das, jeder Anwärter muss sich des christlichen Glaubens bekennen, um aufgenommen zu werden. Es wird ein Mitgliedsbeitrag erhoben, der in jeder Loge auf eine Höhe von 300 Euro jährlich festgelegt ist.
Der Orden teilt sich in drei Abteilungen auf: Die Johannisloge, die Andreasloge und das Ordenskapitel. Die einzelnen Abteilungen bearbeiten jeweils unterschiedliche Grade. Ihren Namen haben sie von Figuren aus dem Christentum erhalten. So ist Johannes der Täufer Schutzpatron der Johannisloge, Andreas der Apostel Schutzpatron der Andreasloge und Johannes der Evangelist Schutzpatron des Kapitels. Zusammengefasst sind die Logen des Freimaurerordens in so genannten Provinziallogen. Die Provinzen, nach denen sie aufgeteilt sind, entsprechen oftmals den jeweiligen Bundesländern. So sind beispielsweise die Logen Schleswig-Holsteins in der Provinzialloge von Schleswig-Holstein zusammengefasst, die ihren Sitz in Kiel hat.
Jede Loge verfügt über einen Beamtenrat, der alle drei Jahre neu gewählt oder wieder gewählt wird – höchstens jedoch für die Dauer von 9 Jahren, also drei Wahlperioden. Die Wahl erfolgt in einem demokratischen Wahlverfahren, das schriftlich abgehalten wird. Die Beamten vertreten und verwalten die Loge und teilen sich in einen Vorsitzenden Meister, einen Ersten und einen Zweiten Aufseher, einen Schatzmeister und einen Sekretär auf. Weitere Funktionen innerhalb der Loge sind unter anderem der Zeremonienmeister, der für die Einführung neuer Brüder und die Wahrung der Ordnung zuständig ist, oder der Bruder Redner, der bei jeder Tempelarbeit einen Vortrag zu einem frei wählbaren Thema hält. Er kann darüber hinaus auch delegieren und einem anderen Bruder die Aufgabe übertragen, wenn er aus zeitlichen Gründen nicht dazu in der Lage ist, oder das Fachwissen eines anderen Bruders gefragt ist. Eine weitere Funktion nimmt der Gabenpfleger ein, der für das karitative Engagement der Loge zuständig ist.
Der Logenmeister wird in manchen Logen auch als Meister vom Stuhl bezeichnet. Er ist zwar der Vorsitzende der Loge, versteht sich aber nicht als ausführende Gewalt, sondern eher als Ordnungshüter.
„Ich bin der Meinung der Logenmeister sollte sich verstehen “Primus inter pares“ - der Erste unter den Gleichen. Also eine Hierarchie, die, sagen wir mal so, ich hab jetzt ein gewisses Recht und eine gewisse Macht und ich kann dir dies und jenes sagen, […] die gibt es eigentlich nicht. Es gibt gewisse rituelle Dinge, wo das dann das Ritual vorsieht, aber, dass jetzt der Logenmeister aktiv sein Amt missbraucht, […] das gibt es nicht.“
Um Logenmeister zu werden, muss ein Bruder mindestens den sechsten Grad erreicht haben. Es existiert also eine gewisse hierarchische Struktur, jedoch beschränkt sich diese mehr auf die rituellen Arbeiten der Loge. Die Brüder, die nicht zum Beamtenrat gehören, unterscheiden sich zwar in ihren erreichten Graden, sind aber keiner Abstufung oder Hierarchie unterworfen.
Das Gradsystem
Wie eingangs schon erwähnt ist das Gradsystem des Freimaurerordens auf 10 Erkenntnisstufen aufgebaut. Man bezeichnet dieses Erkenntnismodell auch als Schwedisches System, denn es wurde zur Gründungszeit des Ordens aus Skandinavien übernommen.
„1770 wurde der Freimaurerorden erst gegründet, weil wir da erst die rituellen Gegenstände aus Schweden bekommen haben. Vorher existierte der Freimaurerorden gar nicht. […] Und so ist dann die Große Landesloge entstanden, mit diesen 10 Erkenntnisstufen. Und da kann man ja gut auch dran feststellen, dass diese Art, wie wir das im Orden kennen, ja auch in den nordischen Ländern existiert. In Dänemark, in Norwegen, in Schweden und in Island. Also da existiert auch dieses System.“
Die 10 Erkenntnisstufen gliedern sich nach den drei Ordensabteilungen, also der Johannisloge, der Andreasloge und dem Ordenskapitel, auf. In der Johannisloge werden die Grade 1 bis 3 bearbeitet, die Andreasloge umfasst die Grade 4 bis 6 und das Kapitel bearbeitet dann die Grade 7 bis 10. Der Aufstieg von einem Grad in den nächsten dauert ungefähr so lange wie das heranwachsen eines Kindes, also 9 Monate. Diese Zeit ist allerdings mehr als Richtwert zu verstehen. Wie schnell ein Bruder in die nächste Erkenntnisstufe aufsteigt ist unter anderem auch davon abhängig, wie oft er an den Logenarbeiten teilnimmt.
Die Johannis-Grade teilen sich auf in Lehrlings-, Gesellen- und Meister-Grad. Jede Erkenntnisstufe hat dabei ihre eigene Aufgabenstellung, die dort bearbeitet wird. So sind beispielsweise die Aufgaben in den Johannis-Graden: 1. „Schaue hinter dich“ (Lehrling) 2. „Schaue um dich“ (Geselle) und 3. „Schaue über dich“ (Meister). Der Anwärter muss sich also zunächst mit seiner Vergangenheit befassen, um herauszufinden, was ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er heute ist. Im Gesellengrad soll er sein momentanes Umfeld näher betrachten und analysieren, wo er im Berufsleben, in der Familie und im sozialen Umfeld steht. Die Aufgabe des Meistergrades ist schließlich, in die Zukunft zu schauen und sich darüber klar zu werden, wo man hin möchte und was für Ziele man sich steckt.
Hat ein Freimaurer alle dieser drei Johannis-Grade durchlaufen, gelangt er in die Andreas-Grade 4 bis 6, die sich ebenfalls in Lehrlings-, Gesellen- und Meister-Grad aufteilen. Diesen Graden wird dann jeweils die Bezeichnung der Loge vorangestellt, d.h. man bezeichnet einen Freimaurer im zweiten Grad als Johannis-Gesellen und einen Freimaurer im sechsten Grad als Andreas-Meister.
Im Ordenskapitel werden schließlich die Grade 7 bis 10 bearbeitet, die sich aufteilen in: 7. Stuartbrüder oder Ritter des Ostens und Prinzen von Jerusalem 8. Vertraute Salomonis oder Ritter des Westens 9. Vertraute Brüder St. Johannis l0. Vertraute des heiligen Andreas.
Der Aufbau dieser insgesamt 10 Erkenntnisstufen greift ineinander über, denn jeder Grad baut auf der Lehre des Vorigen auf. Ziel beim Erreichen dieser Erkenntnisstufen ist die Fertigstellung des eigenen kubischen Steines , also der eigenen Persönlichkeit.
„Wir im Freimaurerorden sind die einzige Gesellschaft, die 10 Erkenntnisstufen hat. 10 Erkenntnisstufen, die wirklich sauber aufeinander aufgebaut sind. Das müssen Sie sich vorstellen, als wenn sie ein Haus bauen. Der 1. Grad, der Lehrlingsgrad, ist das Fundament und irgendwann, wenn sie den 10. Grad erreicht haben, dann ist das Haus schlüsselfertig. So kann man sich das bildlich vorstellen, dass eine Erkenntnisstufe in die andere hinein fasst.“
Jede Loge darf ausschließlich die ihr zugehörigen Grade bearbeiten. Will ein Bruder nach dem 3. Grad in die nächste Erkenntnisstufe aufsteigen, muss er in eine Andreasloge wechseln. Die Mitgliedschaft in der Mutterloge bleibt jedoch bestehen – es werden lediglich die rituellen Arbeiten in der höheren Loge ausgeführt. Der Aufstieg in einen höheren Grad dauert unterschiedlich lange. Meistens sind es jedoch etwa 1 bis 1,5 Jahre, bis man in die nächste Erkenntnisstufe aufsteigt. Wie schnell der Aufstieg erfolgt hängt davon ab, ob und wie oft man sich an den rituellen Arbeiten beteiligt. Vor jedem Grad ist darüber hinaus eine Art Prüfung abzulegen, bei der der Anwärter beweisen muss, dass er die Lehre seiner bisherigen Grade verinnerlicht hat und er bereit für die nächste Stufe ist. Diese Prüfung ist bis zum sechsten Grad mündlich, d.h. sie ist in die rituelle Arbeit eingebettet. Um in das Kapitel aufzusteigen, also mindestens in den siebten Grad, muss dann eine schriftliche Prüfung abgelegt werden, bei der sieben Fragen beantwortet werden müssen. Das Thema der Fragen ist die Lehre der Freimaurerei allgemein und die Inhalte der ersten sechs Grade.
Das Erreichen dieser 10. Erkenntnisstufe ist eines der Ziele der freimaurerischen Lehre. Sie steht symbolisch für den Vorhof des Salomonischen Tempels, der in der Freimaurerei das Leben nach dem Tod darstellen soll.
Ordensregeln, Verhaltenskodexe und Pflichten
Die „Alten Pflichten“
Die Alten Pflichten wurden 1723 von dem englischen Prediger James Anderson verfasst, der damals den Auftrag erhielt, alles niederzuschreiben, was für die Freimaurerei von Bedeutung war. Diese Ordensregeln haben noch bis heute Bestand. Ihre Hauptmerkmale umfassen die Bereiche: Gott und Religion; Bürgerliche Obrigkeit; Logen; Meister, Aufseher, Gesellen und Lehrlinge; Regierung der Zunft bei der Arbeit und Betragen. In diesen Punkten werden den Freimaurern Anleitungen gegeben, wie sie sich in bestimmten Dingen zu verhalten haben und nach denen sie sich richten müssen. Eine dieser Grundregeln besagt, dass es innerhalb der Loge verboten ist, über Religion oder Politik zu reden. Die Diskussion darüber ist deshalb untersagt, weil es sich dabei um Gründe handelt, die weltweit zu Kriegen führen. Es sei an dieser Stelle anzumerken, dass die Meinungen der Informanten zum Thema Religion nicht konform sind. Die Mehrheit von ihnen zählt Religion zu den Dingen, die in der Loge tabu sind. Ein Informant zählte jedoch ausschließlich Politik dazu und gab an, dass über Religion durchaus gesprochen werden dürfe.
„Im Tempel ist Politik tabu. Grundsätzlich. Religion nicht. […] Also bei uns kann Religion durchaus das Thema des Vortrags sein, aber niemals Politik, das ist tabu.“
Da dieser Informant einer anderen Loge angehört, als die übrigen Informanten, lässt diese Tatsache vermuten, dass das Tabu in den Logen unterschiedlich gehandhabt wird. In den Alten Pflichten dagegen heißt es: „Auch sollt ihr nichts tun oder sagen, das verletzen oder eine ungezwungene und freie Unterhaltung unmöglich machen könnte. Denn das würde sich nachteilig auf unsere Eintracht auswirken und den guten Zweck vereiteln, den wir verfolgen. Deswegen dürfen keine persönlichen Sticheleien und Auseinandersetzungen und erst recht keine Streitgespräche über Religion, Nation oder Politik in die Loge getragen werden.“
Das Verbot wird hier sogar noch um das Thema Nation erweitert, das jedoch keiner näheren Beschreibung unterzogen worden ist. So bleibt unklar, was mit dem Begriff Nation gemeint ist. Es könnte sich hierbei also im weitesten Sinne auch um einen der Politik zugehörigen Bereich handeln. Auch wird in diesem Ausschnitt das Tabu mit einer möglichen Störung der Eintracht begründet. Zusammenfassend scheint das Verbot also im Laufe der Zeit unterschiedlich ausgelegt worden zu sein, so dass diese Verhaltensregel eher normativen Charakter hat.
Eine weitere Verhaltensregel ist das Bewahren der Identität eines Bruders. Seine Zugehörigkeit zur Bruderschaft wird in keinem Fall preisgegeben, es sei denn, es entspräche seinem eigenen Wunsch. Daneben gibt es noch eine Reihe von Regeln, die von den Mitgliedern als „normale gesellschaftliche Grundregeln“ betrachtet werden. Dazu gehören unter anderem Respekt gegenüber den Brüdern, Ehrlichkeit, Brüderlichkeit und Loyalität. Auch die Humanität ist ein wichtiges Kriterium, das in der karitativen Arbeit der Logen zum Ausdruck kommt.
„Wir sagen: Den Armen zu gedenken und zu spenden, damit auch den Menschen geholfen werden kann, die zurzeit nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.“
Zusammenfassend werden diese Ordensregeln mit den 10 Geboten des Christentums verglichen, d.h. sie sollen ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft, insbesondere auch in der Loge, gewährleisten. Das Einhalten all dieser Verhaltensregeln ist verbindlich und kann bei einem Verstoß zum Ausschluss aus der Loge führen.
Die vier „Meistertugenden“
Ein wichtiger Bestandteil dieser Konstitutionen sind auch die vier Meister-Tugenden. Sie beinhalten Vorsichtigkeit, Mäßigkeit, Barmherzigkeit und Verschwiegenheit. Barmherzigkeit bedeutet Empathie für andere, denn „aus dem Mitfühlenden spricht die Stimme des Herzens“. Mäßigkeit macht einen „frei in der Entscheidung“, denn man kennt seine Neigungen. Vorsichtigkeit steht in diesem Zusammenhang für Vernunft und Klugheit und Verschwiegenheit ist auch mit Schweigsamkeit zu deuten, denn „nur wer sich in der Stille übt, kann die innere Stimme wahrnehmen“. Das Einhalten dieser vier Tugenden ist ein wesentliches Ziel der Freimaurerei, das im Abhalten der Rituale geübt und gefestigt wird. Der Konsens dieser freimaurerischen Lehre wird auch als Königliche Kunst bezeichnet.
Die Arkandisziplin
Die Verschwiegenheit, die zu den vier Meistertugenden gehört, nach denen sich jeder Freimaurer zu richten hat, wird auch als Arkandisziplin bezeichnet. Ursprünglich bezog sich diese Arkandisziplin auf alles, was innerhalb der Loge passiert, d.h. mit Außenstehenden wurde in keiner Weise über die Arbeit und das Wirken der Freimaurer gesprochen. Mittlerweile hat sich die Einstellung der Freimaurer verändert und die Verschwiegenheit als solches wurde auf die rituellen Arbeiten und die Erkennungszeichen wie Passwörter und Handgriffe verlegt. Gründe für diese Verschwiegenheit gibt es mehrere. Zum einen ist sie Bestandteil der Meistertugenden und muss somit auch in der Praxis trainiert werden.
„Verschwiegenheit zu üben ist eine der größten freimaurerischen Pflichten und Eigenschaften, also übe ich das, […] indem ich sage, die Tür geht zu und alles das, was hier in diesen Mauern passiert, geht draußen keinen was an. […] Das ist ein Trainingsfeld und genau das wird da geübt. […] Und wie soll ich Verschwiegenheit üben, wenn ich sie nicht ausführe?“
Zum anderen wird die rituelle Arbeit als etwas beschrieben, das man nur verstehen kann, wenn man es selbst erlebt. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Rituale sehr stark mit Metaphern behaftet sind, die man Außenstehenden zuerst erklären müsste.
„Erst einmal denke ich, kann man es nicht wirklich darstellen. […] Zum anderen steckt in dem Ritual so viel drin, was man mit Worten, denke ich, nicht darstellen kann und die Gefahr ist, dass wir dieses wertvolle Gut, das wir haben, der Profanität preisgeben. Das ist unser Herzstück, wenn wir das herausschütten und sagen: Guck dir das mal an, wie gefällt dir das? Das würde das komplett entzaubern.“
Es ist also darüber hinaus für die Mitglieder von großer Bedeutung, ihre Rituale vor der Außenwelt zu schützen, um sich deren Zauber zu bewahren. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass selbst unter Freimaurern die Rituale in höheren Erkenntnisstufen in ihren Abläufen nicht bekannt sind. Das bedeutet, ein Lehrling im ersten Grad weiß nicht, was bei der Aufnahme in den nächsten Grad passiert. Somit würde auch innerhalb der Loge die Faszination des Neuen verloren gehen.
Ein letzter Grund für das Einhalten der Verschwiegenheit resultiert aus der Vergangenheit der Freimaurerei. Während der Zeit des Nationalsozialismus waren die Freimaurer massiver Verfolgung ausgesetzt und waren so gezwungen, sich komplett in ihre Deckung zurückzuziehen. Ein Freimaurer war also genötigt seine wahre Identität zu verbergen, was sich noch bis heute teilweise auf die Wahrung der Geheimnisse auswirkt.
Aufnahme und Eintritt in die Loge
Motivation
Ein Anwärter, der Interesse an der Aufnahme in eine Loge hat, wird als Suchender bezeichnet. Wie der Name schon sagt geht man davon aus, dass ein Interessent die Freimaurerei suchen muss. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Bruderschaft zwar keine Mitgliederwerbung betreibt, jedoch dafür zu sorgen hat, dass sie gefunden wird. Hintergrund dieses Gedankens ist, dass der Suchende bereits von allein den Wunsch nach etwas verspüren muss, was ihm in seinem Leben fehlt und er in der Freimaurerei zu finden glaubt.
„Man muss schon irgendwie auf einem Wege etwas in sich verspüren, dass man etwas sucht. Wir sind eben der Meinung, dass derjenige, der nun gewisse Dinge vermisst oder nach anderen Dingen strebt, die ihm im Alltag fehlen, dass er diese in der Freimaurerei finden kann.“
Oft kommt der erste Kontakt zur Freimaurerei durch Bekannte, Freunde oder Familienmitglieder zustande, die oft der Auslöser sind, um sich näher mit der Thematik zu beschäftigen. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass ein Interessent am Anfang sogar ein negatives Bild der Bruderschaft hat, das sich im Laufe der Zeit zum Positiven umkehren kann.
„Ich hatte eine Anti-Freimaurer Meinung. Da ein guter Freund mich ansprach, begann ich mich mit der Freimaurerei zu befassen, besorgte mit Literatur und siehe da, ich gelangte gleich an Anti-Freimaurer-Literatur aus dem Kopp Verlag. Teilweise wurden die schrecklichen Vorurteile bedient, die ich schon immer hatte. Die Beschäftigung mit Informationen aus dem Internet und verschiedenen anderen Sachbüchern brachte mich jedoch auf eine Bahn, die mich nicht mehr losgelassen hat.“
Viele Mitglieder berichten darüber hinaus davon, dass ihr Weg in die Freimaurerei anfangs keineswegs gradlinig verlaufen ist. Meist bringen ein Gespräch und die erste Annäherung an das Thema den Stein ins Rollen und machen die freimaurerische Lehre erst interessant.
„Wie bin ich dazu gekommen? Man kann vielleicht sagen, wie die Jungfrau zum Kinde. Also eigentlich nicht wirklich zielstrebig. Das hat sich so ergeben, über einen Freund. […] Der hat mit mir ein Gespräch geführt und das hat mich dann sehr inspiriert und der hat mich auch mit Literatur versorgt. […] Und dann habe ich für mich gesagt: Ja, daran habe ich Interesse. Und dann kam sozusagen der Stein ins rollen.“
Wie schon erwähnt, hat das Interesse an der Freimaurerei häufig auch einen familiären Hintergrund. Entweder ist eines der Familienmitglieder aktuell auch Freimaurer und führt den Interessenten an die Loge heran, oder aber ein Vorfahre ist Mitglied der Bruderschaft gewesen, was dann das Interesse an dem Thema geweckt hat.
„Und dann ist mein Urgroßvater Freimaurer gewesen. […] Das ist eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen, dass ich seinen Zylinder auf dem Kopf hatte.“ Ein weiterer, oftmals entscheidender Schritt ist auch die Tatsache, dass viele berühmte Persönlichkeiten in der Vergangenheit Freimaurer waren. Wenn es darum geht, die Vorurteile über die Bruderschaft zu bewerten und einzustufen, bevor man sich für einen Eintritt entscheidet, berichten einige Mitglieder davon, diese Persönlichkeiten als Maßstab benutzt zu haben.
„Also ich hab erkannt, das Internet hat mich nicht wirklich weiter gebracht und was mich dann immer wieder zurück gebracht hat war: Es gibt ja bekannte Freimaurer. Persönlichkeiten. Und da habe ich immer gedacht, das kann nicht sein. Winston Churchill ist kein Verschwörungstheoretiker. Oder Charlie Chaplin. […] Und ich bin dann immer wieder zurückgekommen, einfach sehr stark über die Persönlichkeit, wo ich mir gedacht habe, es muss da etwas anderes geben.“
Doch nicht nur der Kontakt zu Freunden und Familie kann den Anstoß geben, sich mit der Freimaurerei auseinanderzusetzen. Die Logen veranstalten heutzutage offene Gästeabende, bei denen sich jeder Interessent informieren kann. Häufig präsentieren sie sich auch auf städtischen Veranstaltungen, wie Weihnachtsmärkten oder Stadtfesten. So wird dem Interessenten ein unverbindlicher Kontakt zur Loge selbst ermöglicht, bei der er die Informationen aus erster Hand bekommt und Fragen an die Mitglieder stellen kann.
Aufnahmekriterien
Bis ein Suchender, der „vor der Tür der Loge steht“, aufgenommen wird, vergeht in der Regel ein Jahr. Bevor ein Anwärter jedoch der Bruderschaft beitreten kann, muss er zunächst einige Kriterien erfüllen. Er sollte ein Mindestalter von 21 Jahren haben, möglichst aktiv im Berufsleben stehen und er sollte in geordneten privaten, familiären Verhältnissen leben. Welchem Beruf er nachgeht spielt dabei keine Rolle, er sollte jedoch ein „Mann von gutem Ruf“ sein. Besonders das letzte Kriterium ist von entscheidender Bedeutung, ob ein Suchender in die Loge aufgenommen wird oder nicht. Aus diesem Grund wird innerhalb der Loge vorher intensiv darüber diskutiert. Auch die Nachbarlogen werden dafür zu Rate gezogen, um über mögliche Ausschlusskriterien Auskunft zu geben. Dieses Verfahren ist besonders hilfreich, wenn der Antragssteller bereits im Vorfeld versucht hat, in andere Logen aufgenommen zu werden und dort abgelehnt wurde. Kommt man dann zu dem Entschluss, dass ein Anwärter geeignet ist, werden seine Daten schriftlich festgehalten und innerhalb der Loge ausgehängt. Es bedarf dazu jedoch zweier Bürgen, die sich für den Suchenden einsetzen und seine Aufrichtigkeit garantieren. Kann er diese zwei Bürgen vorweisen, so kommt es zur so genannten Kugelung. Dabei handelt es sich um ein rituelles Abstimmungsverfahren, bei dem jeder Bruder eine weiße und eine schwarze Kugel erhält und über die Aufnahme des Suchenden abstimmt. Die weiße Kugel steht dabei für eine Zustimmung, die schwarze für eine Ablehnung des Antrags. Man benutzt deshalb die Ausdrücke hell und dunkel dafür. Theoretisch können bei der Kugelung bis zu drei schwarze Kugeln enthalten sein. Praktisch sollte es jedoch ein „hell leuchtendes“ Ergebnis sein, was bedeutet, dass bereits eine Gegenstimme zur Ablehnung des Bewerbers führen kann.
Ein ebenfalls wichtiges Kriterium, das hier nicht unerwähnt bleiben soll, ist das Geschlecht. Zwar gibt es heutzutage auch reine Frauenlogen und mittlerweile auch gemischte Logen – die Freimaurerei ist jedoch traditionell ein Bruderbund, zu dem Frauen keinen Zugang haben.
Austritt
Ein Austritt aus der Loge ist zu jederzeit möglich und den Mitgliedern frei gestellt. Die Freimaurerei wird jedoch als „Bund fürs Leben“ betrachtet, so dass es nur selten zu Austritten kommt.
„Das ist wie eine Ehe. Eigentlich ist es für den Rest des Lebens.“
Tritt ein Bruder z.B. altersbedingt, durch einen Wohnsitzwechsel oder Unstimmigkeiten mit anderen Brüdern doch aus der Loge aus, so kommt es häufig vor, dass er nur die Loge wechselt, der Freimaurerei als solches aber erhalten bleibt.
Symbole und Rituale
Rituale
Die Rituale der Freimaurer sind noch immer eines ihrer größten Geheimnisse. Um sie ranken sich zahlreiche Mythen und Theorien, nicht zuletzt deshalb, weil sie unter die Arkandisziplin fallen. Die rituellen Arbeiten sind im Grunde genommen das Herzstück der Freimaurerei. Sie machen einen großen Teil der Faszination aus, die von der Bruderschaft ausgeht und gehen auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurück. Über die Inhalte dieser Rituale kann man heutzutage zwar vieles im Internet nachlesen, offiziell ist es den Mitgliedern jedoch untersagt, sie im Detail preiszugeben.
Für jede der 10 Erkenntnisstufen gibt es gesonderte Rituale. Dazu zählen jeweils ein Eröffnungsritual, mit dem die Arbeit im Tempel begonnen wird, sowie ein Schlussritual, das die Arbeit beendet. Hinzu kommen die einzelnen Aufnahmerituale, die ein Bruder bei seiner Aufnahme in den Bund oder in den nächsten Grad zu durchlaufen hat. Neben diesen „Standard-Ritualen“ werden zu besonderen Anlässen auch Abstimmungs- oder Festrituale abgehalten.
Eines dieser Rituale kann z.B. eine Tafelloge sein. Dabei handelt es sich um ein rituelles Essen, das nach bestimmten Regeln abläuft. Dabei sitzen die Brüder an einem weiß gedeckten Tisch und halten verschiedene Trinksprüche auf das Vaterland, ihre Ehefrauen oder andere Brüder ab. Nach jedem Trinkspruch wird ein spezielles Glas, das über einen sehr dicken Boden verfügt und meist mit Wein gefüllt ist, schwungvoll auf den Tisch gestellt, so dass es ein lautes, knallendes Geräusch erzeugt. Aufgrund des donnernden Geräusches werden diese Gläser „Kanonen“ genannt.
Alle Rituale sind in ihrem Ablauf genau festgelegt und unveränderlich. Jeder Bruder hat dabei seine feste Position und genaue Instruktionen, was dabei seine Aufgaben sind. Alle Positionen, die das Ritual vorsieht, müssen dabei besetzt sein. Aufgrund der hohen Anzahl an Ritualen, die unter Umständen sehr lange dauern können, sind diese Abläufe schriftlich festgehalten. Für jedes Ritual gibt es also ein Ritualbuch, aus dem die Mitglieder auch während des Rituals ablesen können, was sie tun müssen. Diese Standardisierung hat auch den Vorteil, dass Logenarbeiten auf der ganzen Welt besucht werden können, ohne das man die entsprechende Sprache spricht.
„Ich könnte auch irgendwo auf Finnisch eine Logenarbeit besuchen, wenn sie meinem System entspricht, und ich wüsste ganz genau was, wann passiert. Minutiös. […] Das ist ein irrer Moment, wenn man das erste Mal eine Logenarbeit in einer fremden Sprache mitmacht und merkt, man ist Teil des Rituals.“
An einem Ritual teilnehmen darf nur, wer den zu bearbeitenden Grad bereits erreicht hat. Sind in einer Loge Brüder aus unterschiedlichen Erkenntnisstufen anwesend, so wird immer das Ritual des niedrigsten Grades abgehalten. Das hat unter anderem den Hintergrund, dass ein Lehrling im ersten Grad noch keine Kenntnis über die Inhalte des zweiten Grades hat und diese erst bei seiner Initiation kennenlernt.
Die rituelle Arbeit hat einige Funktionen. Eine davon ist das Trainieren der Tugenden, die in der freimaurerischen Lehre von Bedeutung sind. Es werden in den Ritualen also Situationen durchgespielt, in denen das Einhalten dieser Tugenden, wie Höflichkeit, Ausdrucksformen oder Respekt gegenüber den Brüdern, geübt werden kann. Ziel ist es, diese erlernten Fähigkeiten dann auch in der profanen Welt beizubehalten.
Symbolik
Symbole spielen in der Freimaurerei eine zentrale Rolle. Sie sind Bestandteil des Tempels, der Rituale, der Kleidung und auch der Lehrinhalte. Im weitesten Sinne kann die gesamte Freimaurerei unter dem Symbol des Bauens verstanden werden. Der Ursprung dieser Symbolik liegt noch in der Zeit der Werkmaurer und spiegelt sich noch heute in allen Bereichen der freimaurerischen Lehre wider. Im Folgenden möchte ich versuchen einige dieser Symbole zu erläutern. Ihre Zahl ist jedoch so groß, dass ich hier lediglich eine kleine Auswahl der wichtigsten Symbole getroffen habe. All diese Symbole sind in ihrer Bedeutung jedoch keinesfalls festgelegt. Jeder Bruder kann sie für sich individuell deuten und interpretieren, so dass sich lediglich um eine grobe und allgemeine Bedeutungszuschreibung handelt.
Der Salomonische Tempel ist sozusagen das höchste Bauwerk der Freimaurer. James Anderson soll in seiner Verfassung von 1723 den Bau des Salomonischen Tempels mit dem Bau der mittelalterlichen Sakralbauten verknüpft haben. So wurde er zum Sinnbild dessen, was durch das Fertigstellen der kubischen Steine errichtet werden soll – also der Idealzustand eines jeden Freimaurers. König Salomo soll den Tempel ca. 961 v. Chr. in Jerusalem als Gotteshaus und religiöses Zentrum erbaut haben. Seine Existenz ist jedoch archäologisch nicht nachgewiesen, so dass sie lediglich auf einen biblischen Ursprungs zurückzuführen ist. Der Bezug zur Bibel verdeutlicht in diesem Zusammenhang auch die christliche Basis des Ordens, die sich auch in weiteren Symbolen wiederfinden lässt.
Die wohl bekanntesten Zeichen der Freimaurerei sind Zirkel und Winkel, die man an fast jedem Logenhaus findet. Der Zirkel steht dabei für den Radius, indem man sich als Freimaurer bewegen darf. Der Winkel ist das rechteckige Zeichen für die feste Ordnung, die innerhalb der Loge herrscht. Er ist gleichzeitig auch das Symbol des Vorsitzenden Meisters, der diesen Winkel um den Hals trägt.
Das Dreifaltigkeitszeichen beinhaltet die Elemente Gottvater, Gottsohn und Heiliger Geist. Ursprünglich ist es ein altägyptisches, religiöses Zeichen, das von den Freimaurern übernommen wurde. Es handelt sich dabei um ein Dreieck, in dessen Mitte das Auge Gottes zu sehen ist. Eingerahmt ist es von einem Strahlenkranz, der die Allmacht Gottes symbolisiert. Zusammengefasst steht das Dreifaltigkeitszeichen für den Dreifach großen Baumeister der ganzen Welt , die Gottesvorstellung der Freimaurer.
Die Zahl Drei, die auch in dem Dreifaltigkeitszeichen enthalten ist, ist eine mystische Zahl und taucht in vielen Bereichen der Freimaurerei auf. So ist z.B. die Johannismaurerei aufgeteilt in drei Erkenntnisstufen (Lehrling, Geselle, Meister), eine Wahlperiode dauert stets drei Jahre, bei den Ritualen werden häufig drei Handlungen vollzogen und es stehen immer drei Säulen in jedem Tempel.
Diese Drei Säulen stehen für Weisheit, Stärke und Schönheit. Sie beziehen sich dabei auf den Tempel selbst, dessen Bau von Weisheit geleitet, von Stärke ausgeführt und von Schönheit geziert sein soll.
Ein Freimaurer selbst wird durch einen unbehauenen Stein symbolisiert. Durch die rituellen Arbeiten soll dieser Stein behauen werden, bis er am Ende kubisch ist. Die kubische Form soll gewährleisten, dass dieser Stein, also der Mensch, später in den Salomonischen Tempelbau passt. Dieser unbehauene Stein ist das Sinnbild des Menschen und seiner Persönlichkeit, den er durch Bearbeitung zum behauenen Stein machen kann. Die Bearbeitung erfolgt anhand der rituellen Arbeit und symbolisch gesehen mit Hilfe von Hammer und Meißel.
Die Pyramide ist Ausdruck der gesamten Ordensstruktur mit ihren Erkenntnisstufen, die ein Freimaurer im Laufe seines Lebens sozusagen erklimmt. Oben angekommen, ist er in der Lage auf die Pyramide, also die freimaurerische Lehre, herunterzuschauen.
Tempelarbeit
Als so genannte Tempelarbeit werden alle rituellen Arbeiten innerhalb der Loge bezeichnet. Der Begriff ist angelehnt an die Arbeit am unbehauenen Stein und geht in seinem Ursprung erneut auf die Arbeiten der Steinmetzgilden zurück. Jedes Ritual, das in der Loge durchgeführt wird, ist somit eine Arbeit. Das können Rituale in den unterschiedlichen Graden oder auch zu bestimmten Anlässen wie Festen sein. Die Mitglieder einer Loge treffen sich in regelmäßigen Abständen zur Tempelarbeit. Feste und andere besondere Anlässe, wie die Neuaufnahme eines Bruders, kommen gesondert hinzu. Zu diesem Zweck gibt es einen Arbeitskalender, in dem alle Rituale und Termine für das gesamte Jahr aufgelistet sind. Dies ist nicht nur wichtig für die Terminplanung der einzelnen Mitglieder, sondern auch insbesondere für Brüder in den unteren Graden, die gegebenenfalls an einigen Arbeiten höherer Grade nicht teilnehmen dürfen.
Örtlichkeiten, Kleidung und Sprache
Der Tempel
Das Logenhaus, in dem sich die Freimaurer versammeln und ihre rituellen Arbeiten durchführen, nennt sich Tempel. Hier ist wieder die Anlehnung an den Salomonischen Tempel erkennbar. Jeder Tempel ist in seiner Einrichtung an die Grade angepasst, die in ihm bearbeitet werden, d.h. in einer Loge können auch mehrere Tempel existieren. Ein Andreas-Tempel ist beispielsweise anders eingerichtet, als ein Johannis-Tempel, denn die Einrichtung muss den jeweiligen Lehrinhalten entsprechen. Alle Tempel zeichnen sich jedoch durch einige Gemeinsamkeiten aus. So steht im Osten jedes Tempels grundsätzlich ein Altar, auf dem das Dreifaltigkeitszeichen abgebildet ist. Hinter dem Altar findet der Vorsitzende Meister platz. Im Westen befinden sich zwei Pulte, an denen die beiden Aufseher sitzen. Sie bilden, zusammen mit dem Altar, ein gedachtes mystisches Dreieck, das sich wiederum mit dem Dreifaltigkeitszeichen deckt. Die Brüder sitzen kreisförmig angeordnet am Rand der Loge, wobei die Lehrlinge und Gesellen stets im Norden und die Meister im Süden Platz nehmen. Im Osten, zu Seiten des Altars, sitzen die Gäste, wie z.B. Logenmeister anderer Logen. Darüber hinaus existiert noch ein Rednerpult, an dem der Bruder Redner seinen Vortrag hält. Es wird deutlich, dass ein Teil der Einrichtung nach den Himmelsrichtungen angeordnet ist.
Darüber hinaus stehen in jedem Tempel die eingangs schon genannten drei Säulen, die für Weisheit, Stärke und Schönheit stehen. In der Mitte des Tempels befindet sich ein zusammengeklappter Arbeitsteppich, der erst zu Beginn eines Rituals geöffnet wird. Auf diesem Arbeitsteppich finden sich die wichtigsten Symbole der freimaurerischen Lehre. Er wird deshalb auch als eine Art Lehrtafel gesehen, nach der sich die Brüder richten können. Der Fußboden eines Tempels ist musivisch, d.h. er ist schachbrettartig angeordnet. Der Kontrast zwischen Hell und Dunkel symbolisiert dabei die Höhen und Tiefen, die die Brüder durchwandert haben.
Das Betreten eines Tempels ist grundsätzlich nur Mitgliedern des Ordens gestattet. Seit einigen Jahren ist es den Logen allerdings erlaubt, einen ungeschmückten Tempel zu präsentieren. Das bedeutet, einen Tempel, der nicht für eine rituelle Arbeit hergerichtet ist. Dies ist beispielsweise auch bei Weihnachtsfeiern oder anderen Veranstaltungen der Fall, bei denen auch Frauen und Kindern der Mitglieder anwesend sind.
Kleidung
Zu den rituellen Arbeiten in der Loge gehört auch das Tragen einheitlicher Kleidung. Sie besteht grundsätzlich aus einem schwarzen Anzug oder Frack, einem weißen Hemd, einer weißen Fliege, weißen Handschuhen und einem Zylinder. Hinzu kommen, je nach Erkenntnisstufe, ein Schurz und ein Beamtenband, sofern der Bruder ein Amt innehat. Die Schurze sind in jeder Loge anders gestaltet und unterscheiden sich in ihrem Aussehen nach den Erkenntnisstufen. Eine Besonderheit ist, dass Lehrlinge und Logenmeister den gleichen Schurz, nämlich schlicht in weiß gehalten, tragen. Dies soll Ausdruck des Gleichheitsprinzips sein, nachdem der Meister zwar hierarchisch über dem Lehrling – moralisch gesehen jedoch mit allen Brüdern auf gleicher Ebene steht, unabhängig der Erkenntnisstufen. Der Vorsitzende Meister trägt darüber hinaus einen Winkel um den Hals, der für sein Amt als festes Oberhaupt der Loge steht. Sein Stellvertreter trägt dementsprechend einen kleineren Winkel.
Neben dieser einheitlichen Kleidung gibt es noch eine Reihe von freimaurerischen Accessoires, wie etwa Ringe, Anstecknadeln oder Bijoux, den traditionellen Ordensabzeichen einer Loge.
Vokabular
Freimaurer bedienen sich eines bestimmten Vokabulars, das in erster Linie bei rituellen Arbeiten, aber auch im alltäglichen Leben zum Ausdruck kommt. Einige dieser Bezeichnungen möchte ich hier kurz anführen.
Die Mitglieder reden sich untereinander mit Bruder an, was die Verbindung aller Freimaurer zum Ausdruck bringt. Die Ehefrauen der Mitglieder werden dementsprechend als Schwestern bezeichnet. Alles, was nicht-freimaurerisch ist, gilt als profan. Die Bedeutung dieses Wortes ist in diesem Zusammenhang jedoch keineswegs mit „unbedeutend“ gleichzusetzen, sondern mit den Dingen des alltäglichen Lebens. Freimaurer sprechen also von der profanen Welt oder dem profanen Leben, um all das zu beschreiben, was außerhalb der Freimaurerei passiert. Der Sohn eines Freimaurers wird als Louton bezeichnet und ein Versprechen, Stillschweigen über etwas zu bewahren, das Brüder sich untereinander anvertrauen, wird auf Maurerwort gegeben. Einen Anwärter, der in einer Loge vorstellig wird, bezeichnet man als Suchenden. Hinzu kommen noch all die Bezeichnungen, die für die rituellen Gegenstände gebraucht werden.
Wohltätigkeit und Benefiz
Obwohl die freimaurerische Lehre in erster Linie auf dem Gedanken aufgebaut ist, durch Veränderung seiner eigenen Persönlichkeit positiv auf die Gesellschaft zu wirken, ist auch der humanitäre Charakter der Bruderschaft sehr ausgeprägt. Barmherzigkeit ist darüber hinaus eine der Meistertugenden und wird von den Brüdern aktiv gelebt und kommt in wohltätigen Projekten zum Ausdruck. Eines dieser sozialen Projekte ist z.B. die „Zinnendorf Stiftung“. Dabei handelt es sich um eine Einrichtung für schwerstpflegebedürftige junge Menschen in Hamburg Eppendorf, die sich zu 100 Prozent aus Geldern der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland finanziert.
Neben solchen Großprojekten unterstützen die ortsansässigen Logen auch soziale Projekte in ihrem Umfeld. Finanziert werden sie zum einen aus Mitgliedsbeiträgen und zum anderen aus Spendengeldern, die die Brüder zusätzlich sammeln. Zu diesem Zweck wird nach Abschluss der rituellen Arbeiten oft eine Art Klingelbeutel herumgereicht, in den jeder Bruder so viel Geld hinein wirft, wie er entbehren kann und möchte. Darüber hinaus wird auch gezielt Geld für bestimmte Projekte eingesammelt, bei denen vorher festgelegt wird, in welcher Höhe sich die Loge daran beteiligen will.
Das „Gottesbild“
Zwar ist der Freimaurerorden auf der Lehre des Christentums aufgebaut, die Vorstellungen eines Schöpfers unterscheiden sich jedoch von denen der Kirche. Die Freimaurerei hat ihre ganz eigene Vorstellung davon. Der Schöpfer wird als Dreifach großer Baumeister der ganzen Welt bezeichnet und ist an die Dreifaltigkeitssymbolik angelehnt. Das, was man sich unter diesem Dreifach großen Baumeister vorstellt, ist jedem Bruder freigestellt. Es wird also die Anerkennung eines Schöpfers vorausgesetzt – nicht jedoch die Vorstellung darüber, wie dieser zum Ausdruck kommt.
„Frag zehn verschiedene Freimaurer über ihr Gottesbild und du wirst zehn verschiedene Antworten bekommen. […] Im Orden ist es so: Das Gottesbild, die Akzeptanz eines Schöpfers, wie auch immer das gestrickt ist, das ist eine ganz persönliche Geschichte.“
Dieses Gottesbild wird als Metapher beschrieben, deren Ursprung wieder Parallelen zur Geschichte der Werkmaurer aufweist. Der Baumeister wird hier also als Metapher für den Schöpfer benutzt. Der Vorteil liegt dabei in der Offenheit der Vorstellung, die sich jeder Freimaurer selbst davon machen kann. Somit wird es prinzipiell allen Glaubenszugehörigkeiten ermöglicht, ihre Vorstellung eines Schöpfers darin unterzubringen, ohne den eigenen Glauben aufgeben zu müssen. Atheismus ist von dieser Lehre jedoch ausgeschlossen und nicht mit der Freimaurerei vereinbar.
Freimaurerei und Kirche
Das Verhältnis der Freimaurerei zur Kirche zeichnet sich durch eine gewisse Kontroversität aus. Einerseits basiert ihre Lehre auf dem Christentum. So befindet sich beispielsweise auf jedem Altar einer Loge eine geschlossene Bibel, die bei Beginn eines Rituals auf der Seite Johannes des Evangelisten aufgeschlagen wird. Auch die Schutzpatrone des Ordens sind Figuren aus der Bibel und die gesamte Lehre beruft sich auf das Ur-Christentum. Auf der anderen Seite wird von der Freimaurerei betont, dass sie keine Konkurrenz zur Kirche darstellen wolle. Offensichtlich ist es jedoch so, dass viele Mitglieder etwas in der freimaurerischen Lehre suchen, das sie in der Kirche nicht gefunden haben.
„Man findet eine ganze Menge Freimaurer innerhalb der Freimaurerei, die in Kirchen gescheitert sind. […] Ich habe das ja reichlich und genug in der Gemeinde erlebt. Ich bin hier quer durch die Gemeinden getingelt und bin überall an der Frage gestolpert: Wieso schreibt man mir eigentlich meinen Glauben vor?“
Die Freiheit, sich eine eigene Vorstellung über den Glauben machen zu können hat hier dazu geführt, dass sich der Informant gegen die Kirche und für die Freimaurerei entschieden hat. Eine gewisse Art von Konkurrenz ist also doch zu verzeichnen, auch wenn sie von Seiten der Freimaurerei nicht beabsichtigt ist.
Die Kirche, insbesondere die Katholische Kirche, scheint jedoch seit jeher ihre Vorbehalte gegen die Bruderschaft zu haben. Schon seit dem 18. Jahrhundert, als die Freimaurerei von Papst Clemens XII. verurteilt wurde, herrscht eine Kluft zwischen diesen beiden Lagern, die noch heute spürbar ist. Obwohl die 1981 beschlossene „Unvereinbarkeitserklärung“, die Freimaurerei und Katholizismus für unvereinbar erklärte und bei Verstoß mit der Exkommunizierung drohte, zwei Jahre später wieder gelockert wurde, werden noch heute einige dieser Vereinbarungen praktiziert. So soll es einem Katholiken z.B. nicht gestattet sein, sich der Freimaurerei anzuschließen, wenn er dort ein Amt innehat. In diesem Zusammenhang soll es auch schon zur Kündigung einiger Ämter von Mitgliedern der Kirche gekommen sein, die sich der Freimaurerei angeschlossen haben.
„Von Seiten der katholischen Kirche gibt es da noch massive Probleme. Es ist wohl so, dass ich auch Katholik und Freimaurer sein kann, solange ich in der Freimaurerei kein Amt innehabe. […] Da gibt es noch ganz üble Geschichten weswegen Leute vor dem Existenzruin stehen. Die von der katholische Kirche aus ihren Ämtern geschmissen werden, weil es heraus kam [dass sie Freimaurer waren].“
Bei der evangelischen Kirche soll das Verhältnis deutlich entspannter sein. In einigen Logen wird auch von Freimaurern berichtet, die gleichzeitig Pastoren in evangelischen Gemeinden sind.
Das Image der Freimaurer
Entstehung und Ursachen des negativen Images
Das Image, das die Freimaurerei innerhalb der Gesellschaft hat, ist geprägt von Vorurteilen und negativen Assoziationen. Doch dieses Image existierte nicht immer. Seinen Ursprung hat es hauptsächlich in der Zeit des Nationalsozialismus, die von den Freimaurern auch als Dunkle Zeit bezeichnet wird, aber auch in der Zeit des Ersten Weltkrieges, in der die Bruderschaft zusammen mit den Juden als Sündenbock für das Verlieren des Krieges herhalten musste. Dieses negative Image wurde dann später von den Nationalsozialisten aufgegriffen und hat eine Art Hetzjagd auf die Freimaurerei ausgelöst, bei der etliche Freimaurer in den Konzentrationslagern hingerichtet wurden. In der Gesellschaft wurde das Bild verbreitet, die Bruderschaft hätte einen Pakt mit dem Teufel und würde Unzucht betreiben. Viele Eigenschaften der freimaurerischen Lehre wurden aufgegriffen und ins Negative umgekehrt.
„Alles, was man über die Freimaurerei auch lesen würde, das wurde gnadenlos ins Negative gerissen. Brüderlichkeit wurde zu Homosexualität. […] In den Ordensregeln stand, dass kein Bruder sich an der Frau des Anderen zu vergreifen hat. Wenn man das schon in die Ordensregeln aufnehmen muss, wird es ja wohl Gang und Gäbe sein. Also alles wirklich komplett ins Negative gedreht, bis dahin, dass man ja auch liberal ist; dann bedeutet liberal ja auch liberal dem Judentum gegenüber. Das war 1933 ein Todesurteil.“
Den Freimaurern wurde also auch nachgesagt, Homosexualität und Ehebruch zu betreiben und darüber hinaus mit den Juden verbündet zu sein. Die massive Verfolgung der Freimaurer führte letztlich dazu, dass die Bruderschaft vollständig in der Versenkung verschwand. Die Freimaurerei führte von dort an eine Art Schattendasein, das sich bis heute nicht von seinem negativen Image erholt hat.
Vor dieser Zeit galt Freimaurerei keineswegs als negativ – im Gegenteil. Es gehörte sogar zum guten Ton in einer Loge zu sein und wurde, trotz der damals schon herrschenden Verschwiegenheit, von der Gesellschaft akzeptiert. „Es war Gang und Gäbe, dass Grundsteinlegungen öffentlicher Gebäude von Freimaurern gemacht wurde. […] Bei diesen Stadtumzügen, die ja immer noch stattfanden – in meiner Kindheit gab es das noch – war es völlig normal, dass die Vereine sich präsentiert haben. Da sind die Freimaurer mit Anzug und Zylinder durch die Straße gelaufen.“
Die negative Assoziation mit der Bruderschaft ist also nicht zwangsläufig mit ihrer Verschwiegenheit und der daraus resultierenden Unwissenheit der Menschen zu erklären, sondern sie ist vielmehr das Resultat der Negativpropaganda aus der Dunklen Zeit. Die Verschwiegenheit hat dann im Nachhinein dazu beigetragen, dass sich dieses Image im Laufe der Zeit nicht wieder korrigiert hat und bis heute geblieben ist.
Die vielen Mythen rund um die Praktiken der Freimaurer sind unter anderem ein Produkt der Spekulationen, zu denen die Geheimhaltung geführt hatte. Viele dieser Geschichten lassen sich leicht auf ihre Ursprünge zurückführen. Die Legende, Freimaurer würden sich dreimal helfen, dann müssten sie sich umbringen, ist eine davon. Ihr Ursprung liegt in der Zeit der Militärlogen, in der Soldaten sich häufig aus verlorener Ehre umgebracht haben. Waren diese Soldaten dann zufällig auch Mitglied einer Loge – und das war zu dieser Zeit nicht unüblich – so war die Verbindung zwischen dem Freitod und der Bruderschaft schnell hergestellt.
Eine andere Legende ist beispielsweise die, das Freimaurer eine eigene Gottheit namens GAOTU anbeten würden. Dieses Gerücht lässt sich auf die Abkürzung der englischen Bezeichnung für den Großen Baumeister der ganzen Welt, nämlich Grand Architect of the Universe, deren Anfangsbuchstaben zusammengesetzt das Wort GAOTU ergeben.
Diese Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt der Gerüchte und Theorien, die über die Freimaurerei im Umlauf sind. Sie zeigen, dass sich die meisten dieser Mythen auf reale Fakten zurückführen lassen, die meist falsch interpretiert worden sind.
Außendarstellung und Werbung
Die Verschwiegenheit hat also schon immer Anlass zu Spekulationen und auch zu Verschwörungstheorien jeglicher Art gegeben. Es stellt sich die Frage, warum die Bruderschaft nicht gegen dieses negative Image ankämpft und das Bild in der Öffentlichkeit richtig stellt. In dieser Angelegenheit scheiden sich auch unter Freimauern die Geister. Einige Brüder, meist die Älteren und eher traditionell Eingestellten, lehnen jede Form der Öffentlichkeitsarbeit ab.
„Andere Brüder sagen, wir müssen die Arkandisziplin noch verschärfen. Jegliche Präsenz im Internet, in der Öffentlichkeit, in Zeitschriften, ist negativ für uns.“
Die moderne Freimaurerei jedoch, präsentiert sich heute umso mehr in der Öffentlichkeit, um den Vorurteilen entgegenzuwirken. Sie ist insgesamt offener geworden und betreibt Aufklärung mittels Homepages, Gästeabenden, Tagen der offenen Tür, Veranstaltungen oder auch offizieller Bücher und Verlautbarungen. Ein Schritt in diese Richtung wurde auch bereits 1979 mit der Gründung des Freimaurermuseums in St. Michaelisdonn gemacht. Es birgt eine Vielzahl freimaurerischer Exponate und gehört zu den größten Museen seiner Art in Europa. Jeder Interessent kann sich dort über die Geschichte und das Wirken der Freimaurer informieren und erhält darüber hinaus die Möglichkeit, Fragen aller Art zu stellen. Ein weiterer Schritt wurde mit der Gründung des Online-Portals Freimaurer-Wiki getan, das, neben den offiziellen Homepages der Logen, seit einigen Jahren einen Teil der Internetpräsenz der Freimaurerei darstellt. Die Gästeabende dienen der Information für interessierte Bürger und auch für Suchende, die der Loge ihr Interesse bekunden wollen.
Der Eindruck, den ich selbst auf einem dieser Gästeabende gewonnen habe, war der einer aufgeschlossenen und offenen Loge, die sich der Öffentlichkeit präsentiert und den Fragen der Besucher stellt. Es wurde zu keinem Zeitpunkt das Bild einer verschwörerischen Gesellschaft vermittelt, die sich gegenüber der Öffentlichkeit ablehnend und verschlossen verhält. Zu dem Publikum zählten allerdings, wie ich im Nachhinein erfahren habe, hauptsächlich die Mitglieder selbst und deren Angehörige. Da der Abend für Besucher offen war und auch von der regionalen Presse im Vorfeld angekündigt worden war, kann dieser Umstand nur mit dem geringen Interesse der Öffentlichkeit erklärt werden. Die Fragen, die den Veranstaltern gestellt worden sind, wurden ohne Ausnahme beantwortet und erweckten nicht den Eindruck, unerwünscht zu sein. Das Gegenteil war der Fall – denn auf mich wirkten die Organisatoren sogar froh über das Interesse.
Da die Logen offiziell keine Werbung machen, müssen sie dafür sorgen, dass Interessenten eine Möglichkeit haben, mit der ihnen in Kontakt zu treten. Verfechter der Arkandisziplin sehen darin jedoch kein Problem für die Neugewinnung von Mitgliedern.
„Wir rekrutieren uns hier aus Suchenden, also man muss uns finden. Wir haben kein Problem – also das ist die Aussage derer – es gibt keine Gefahr, dass die Freimaurerei untergeht. Es wird immer welche geben.“ Insgesamt ist die Freimaurerei in den letzten Jahren etwas aus ihrer Versenkung aufgetaucht und wieder mehr in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Sie präsentiert sich deutlich offener und wirkt bestrebt, ihr negatives Image zu verbessern.
Die Freimaurer - ein Geheimbund?
In Anlehnung an die verschiedenen Definitionen von Geheimbünden, die eingangs vorgestellt wurden, möchte ich an dieser Stelle die Struktur und Organisation der Freimaurer mit den Merkmalen dieser Definitionen vergleichen, um ihre Gültigkeit zu überprüfen. Eines der genannten Merkmale von Geheimbünden ist, dass ihre Mitglieder meist, jedoch nicht immer, männlich sind. Obwohl es heute eine Vielzahl an Frauen- und auch an gemischten Logen gibt, ist die Freimaurerei traditionell doch eine Männerdomäne. Dieses Merkmal kann also ohne weiteres für gültig erklärt werden. Eine weitere Eigenschaft von Geheimbünden soll ihr kultischer, religiöser oder politischer Einschlag sein. Da es innerhalb der Loge verboten ist, über Politik zu diskutieren und auch über religiöse Ansichten nicht debattiert wird, kann hier wohl kaum von einem solchen Einschlag die Rede sein. Die Natur der Freimaurerei scheint eher humanitär zu sein, denn zu ihren Hauptmerkmalen zählen neben Brüderlichkeit auch Barmherzigkeit und Toleranz.
Das nächste Charakteristikum ist laut Definition die strenge Geheimhaltung der Ziele, Zusammenkünfte und Gebräuche. Diese Eigenschaft lässt sich weder ganz bestätigen noch widerlegen. Um ihre Ziele machen die Freimaurer kein Geheimnis. In jedem gut recherchierten Buch kann man sich darüber informieren und auch jeder Freimaurer hätte wohl kaum Hemmungen bei der Beantwortung dieser Frage. Auch die Zusammenkünfte stellen kein großes Geheimnis dar – einige Logen präsentieren ihre Arbeitskalender sogar im Internet, so dass er für jedermann einsehbar ist. Die Gebräuche, sprich Rituale, unterliegen jedoch immer noch der Arkandisziplin und somit der Verschwiegenheit der Brüder und treffen somit auf die Definition zu. Über die eigene Gerichtsbarkeit innerhalb des Ordens konnte ich während meiner Untersuchung nichts Genaues in Erfahrung bringen, so dass ein Vergleich an dieser Stelle unmöglich ist. Eindeutige Hinweise auf eine eigene Rechtsprechung habe ich jedoch keine finden können. Was hingegen ohne weiteres bestätigt werden kann ist die Existenz von Gemeinschaftshäusern, in denen sich die Mitglieder eines Bundes versammeln. Im Fall der Freimaurer sind dies die Logenhäuser und insbesondere die Tempel, in denen die rituellen Arbeiten und die Zusammenkünfte stattfinden.
Ein weiteres Merkmal von Geheimbünden soll laut Definition die Aufnahme von Novizen sein, die stets durch Prüfungen und spezielle Einweihungszeremonien vonstatten geht. Dieser Umstand findet sich auch in der Freimaurerei wieder. Ein Suchender muss sich einer Prüfung durch die Loge unterziehen, die dazu dient, seine Absichten und seine Tauglichkeit unter Beweis zu stellen. Männer mit unehrbaren Absichten oder gar krimineller Vergangenheit werden nicht in die Bruderschaft aufgenommen. Kommt es zur Aufnahme eines neuen Bruders, so wird diese stets von einem Aufnahmeritual begleitet. Diese Initiation findet zwar bei jeder Aufnahme in den nächsten Grad statt, sie ist jedoch keine Voraussetzung für die vollwertige Mitgliedschaft und stimmt somit nicht mit der Definition überein.
Das Kriterium der nicht-verwandtschaftlichen Basis kann jedoch bestätigt werden, denn eine Verwandtschaft unter den Mitgliedern spielt in keiner Weise eine Rolle. Mit der Aufnahme in den Bund wird jedes Mitglied als Bruder bezeichnet, d.h. es wird – ungeachtet der konsanguinalen oder affinalen Verwandtschaft – ein Verwandtschaftsverhältnis konstruiert, das die Verbundenheit unter den Mitgliedern zum Ausdruck bringen soll. Alter und Generation spielen hier keine Rolle, anders als es in geheimen Gesellschaften häufig der Fall sein soll. Die hierarchische Struktur bezieht sich lediglich auf die Beamten und deren Funktionen innerhalb der Loge, so wie auch in gewisser Hinsicht auf die Unterschiede der erreichten Grade und das damit zusammenhängende Wissen. Die Mitgliedschaft ist nach Definition eines Geheimbundes freiwillig oder auch durch Kooptation geprägt. Auch dieses Charakteristikum stimmt, denn in der Freimaurerei geschieht dies in Form der Kugelung.
Zusammengefasst ergeben sich aus dem Vergleich der Definitionen eines Geheimbundes mit den Charakteristika der Freimaurer einige Übereinstimmungen. Rein wissenschaftlich betrachtet erfüllt die Bruderschaft zwar längst nicht alle, jedoch die meisten Kriterien für die Bezeichnung eines Geheimbundes. Es muss allerdings dabei beachtet werden, dass der Begriff Geheimbund in der Öffentlichkeit völlig anderen Bedeutungszuschreibungen unterliegt, als in der Wissenschaft. KNACKSTEDT hat dieses Problem mit der fälschlichen Abgrenzung des Begriffes „geheim“ im Gegensatz zu „öffentlich“ umschrieben. Das Resultat ist, dass der Begriff Geheimbund mittlerweile für alle Arten von Verbindungen benutzt wird, ganz gleich ob sie den Merkmalen entsprechen oder nicht. Meiner Ansicht nach ist es durch dieses Definitionsproblem zu einer Bedeutungsverschiebung gekommen, die Geheimbünde zwangsläufig mit Kriminalität, Okkultismus und Verschwörungstheorien in Verbindung bringt. In Bezug auf dieses vorherrschende Bild kann der Bund der Freimaurer keineswegs als Geheimbund bezeichnet werden, denn er betreibt weder Okkultismus noch ist er in kriminelle Machenschaften verstrickt. Es gilt also diese beiden Bedeutungszuschreibungen des Begriffes Geheimbund zu unterscheiden und in den jeweiligen Kontext, in dem er gebraucht wird, einzuordnen.
Schlussbetrachtung und Ausblick
Abschließend lässt sich über die Freimaurerei sagen, dass es sich bei ihr um eine international verbreitete Vereinigung handelt, die als Verein im Vereinsregister eingetragen ist. Ihr Ursprung geht auf die Steinmetzbruderschaften des 18. Jahrhunderts zurück, die für den Bau sakraler Monumente zuständig waren. Die gesamte Freimaurerei wird deshalb unter dem Symbol des Bauens verstanden, bei dem ein Freimaurer durch einen Stein symbolisiert wird, den er bearbeiten und zu einem Kubus formen muss. Diese Form ist entscheidend für das Errichten des Salomonischen Tempels, in den sich nur ein kubischer Stein einfügen kann. Grundgedanke der freimaurerischen Lehre ist es, die Persönlichkeit des einzelnen Menschen zu verbessern und somit positiv auf die Gesellschaft zu wirken. Das Einhalten der vier Meister-Tugenden – Barmherzigkeit, Vorsichtigkeit, Mäßigkeit und Verschwiegenheit – wird durch das Abhalten ritueller Praktiken geübt. Wie auch in der Freimaurerei im Allgemeinen spielt in diesen Ritualen Symbolik eine tragende Rolle. Die Wahrung der Ritualinhalte fällt unter die so genannte Arkandisziplin.
Die Freimaurerei unterliegt einem Gradsystem, das nach Lehrlings-, Gesellen- und Meistergrad aufgeteilt ist. Das Durchlaufen der einzelnen Grade wird durch Initiationsriten vor jedem Grad vollzogen. Neben der Arbeit an der eigenen Persönlichkeit spielen auch karitative Projekte eine Rolle, die von der Freimaurerei finanziert und unterstützt werden. Der Gedanke Gutes zu tun, ist bereits in den Meistertugenden verankert und ein wichtiges Charakteristikum des Bundes.
Das Verhältnis zur Kirche ist nach wie vor angespannt – jedoch geht das Misstrauen dabei von Seiten der katholischen Kirche aus. Obwohl der Orden auf der christlichen Lehre basiert will die Freimaurerei nicht als Konkurrenz zur Kirche verstanden werden. Sie ist ihr gegenüber keineswegs feindlich eingestellt und hat sogar Geistliche in ihren Reihen. Die katholische Kirche sieht in ihr jedoch eine Art kirchenfeindliche Institution und verbietet ihren Mitgliedern, in der Freimaurerei ein Amt zu übernehmen. Warum das Verhältnis seitens der Kirche so problematisch ist, bleibt nur zu vermuten. Es liegt der Schluss nahe, dass sie die Bruderschaft allen Absichten zum Trotz als Konkurrenz und somit als Bedrohung empfindet, denn viele Gemeindemitglieder haben aufgrund der freien Vorstellungen ihres Glaubens ihr Glück in der Freimaurerei gefunden. Dies sind jedoch lediglich Spekulationen, die zu überprüfen im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist.
Ihr negatives Image innerhalb der Gesellschaft resultiert aus der so genannten Dunklen Zeit, die vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs andauerte. Durch die massive Negativpropaganda und die Verfolgung durch die Nationalsozialisten war die Bruderschaft gezwungen, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Von dem Image, das während dieser Zeit durch Spekulationen und Unwissen entstanden ist, hat sie sich bis heute noch nicht erholt. Die moderne Freimaurerei zeigt sich deshalb in den letzten Jahren deutlich offener und bestrebt, diesen Vorurteilen entgegenzuwirken. Durch Gästeabende, Informationsveranstaltungen und die Veröffentlichung von Fachliteratur soll der negativen Informationspolitik im Internet und in einigen unseriösen Verlagen Einhalt geboten werden.
Die Untersuchungen zur Freimaurerei haben deutlich gemacht, wie komplex dieser Gegenstand ist. Viele Bereiche sind in der Forschung noch unzureichend behandelt worden und bieten Möglichkeiten zur Vertiefung der Thematik. Besonders die Wirkungsgeschichte der Freimaurerei, in Bezug auf die Gesellschaft, wäre meiner Meinung nach interessant zu untersuchen, da ihre positive Veränderung durch die Verbesserung der eigenen Persönlichkeiten zu den erklärten Zielen der Freimaurerei gehört. Das Hauptaugenmerk könnte dabei auf der Frage liegen, wie und ob die Freimaurerei Einfluss auf die Gesellschaft nimmt. Auch die Forschung zu neueren Logenformen, wie Frauenlogen und gemischten Logen, ist noch weitgehend unberührt, obwohl sie mittlerweile zum Gesamtbild der Bruderschaft hinzugezählt werden müsste.
Da ich mich nur mit einem Zweig der Freimaurerei, dem Freimaurerorden, beschäftigt habe, so entstand im Laufe der Untersuchungen immer mehr das Gefühl, diesem ausgeprägten System samt seiner tiefgreifenden Lehre und Symbolik nicht gerecht zu werden. Diese Arbeit kann und will deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da es sich lediglich um eine oberflächliche Darstellung handelt, die das Wesen dieser Jahrhunderte Alten Bruderschaft in ihrem Kern nicht erfassen kann.
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