Kapitel von Clermont
Inhaltsverzeichnis
Kapitel von Clermont
Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)
ein Chevalier de Benouville oder Bonneville (nicht zu verwechseln mit Nicolas de Bonneville, der in "Les Jesuites chassés de la Maçonnerie..." 1788 Zusammenhänge zwischen Jesuiten und Hochgradmaurerei behauptete), ein Jacobit, soll 1754 in Paris, Faubourg de la Nouvelle France, in Verbindung mit den Stuarts ein Hochgradkapitel eingesetzt haben, das sich Chapitre de Clermont nannte.
Clermontkapitel
Schiffmann ("Die Entstehung der Rittergrade", 1882) glaubt, diese zuerst von Thory (Acta Latomorum 1818) aufgestellte Annahme widerlegen zu können; Lantoine ("Histoire de de Franc-Maçonnerie francaise", 1925) hält sie aufrecht und läßt auch die Möglichkeit offen, daß aus diesem Kapitel 1758 der "Rat der Kaiser vom Osten und Westen" entstand. Ein im Siebenjährigen Krieg kriegsgefangener Offizier, der Marquis Gabriel Filley de Lerneu, brachte 1758 ein Clermontkapitel nach Berlin.
Hierosolymatisches Hochkapitel
Im Dezember dieses Jahres richtete er es neben einer französischen Militärloge ( "La Fidélité") bei der Mutterloge "Zu den drei Weltkugeln" als Kapitel von Jerusalem-Rittern ein. 1760 wandelte es der Stuhlmeister der "Drei Weltkugeln", v. Printzen (s.d.) in ein "hierosolymatisches Hochkapitel" um. Er sandte dann den entlassenen anhaltischen Konsistorialrat Philipp Samuel Rosa (s.d.), der sich in der Maurerei als Glücksritter versuchte, als Legaten aus, um in den norddeutschen Logen Kapitel zu gründen. Das Ritual, das sich an Offenbarung Johannis, Kapitel 4, anlehnte und die Kultlegende, teils eine Weiterführung der Hiramssage, nämlich die Rache an den Mördern, teils eine Ausdeutung der Offenbarung Johannis, Kapitel 21, 22, von dem neuen Himmel, der neuen Erde und dem neuen Jerusalem, übten eine starke Anziehungskraft aus. Der ritualistische Aufbau des Kapitels, das seinen Namen dem französischen Großmeister Grafen v Clermont (s.d.) zu Ehren tragt (vergl. Runkel, "Geschichte der Freimaurerei in Deutschland", 1. Bd., 1931), war folgender:
1. Ein schottischer Grad, in dem von vier nach Jerusalem gewanderten schottischen Brr. im Grundstein des Salomonischen Tempels gefundene drei seltsame Schalen eine Rolle spielten. Diese Schalen seien nach Schottland gebracht worden, wo die Finder von König David II. zu Rittern des Distelordens gemacht wurden. Durch den Besitz der Schalen sei es möglich geworden, die Zentralwissenschaft wieder zu bearbeiten, deren Kenntnis seit Salomons Tod verlorengegangen sei; in der Folge sei dieses Wissen von den aus Jerusalem zurückgekehrten Schotten den ersten Tempelherren anvertraut worden.
Daher müsse auch jetzt jeder schottische Br. und Ritter sich verbinden, die Kunst theoretisch oder praktisch zu bearbeiten. Dazu solle die philosophische Beschäftigüng auf dieser Stufe führen. Der philosophische Bau der Schotten, die Arbeit "auf Grund der fünf Meisterpunkte", werde befördert durch das Wissen um das Geheimnis der drei Schalen. Der Buchstabe I auf der ersten bedeute Salz, den Grundleib aller Dinge, das G auf der zweiten Schwefel. Die dritte trage keinerlei Inschrift: das deute auf Merkur, den allgemeinen Weltgeist.
Ebenso unsinnig wie der Inhalt dieses Grades war der der folgenden.
Der Schottische Ritter wurde:
2. Adlerritter (Kapitel der Auserwählten, Elu-Grad) und hatte sich als solcher mit den "hermetischen Wissenschaften" zu beschäaftigen, dann
3. Tempel ritter (Eques illustris), und schließlich
4. Ritter Gottes (Chevalier sublime) . Dieser im neuen Jerusalem spielende Grad vurde im Hochkapitel bearbeitet; seine Zeremonie sollte den Kandidaten in engste Gemeinschaft mit Gott bringen.
Clermont-Rosaisches System
Die Kapitel des Clermontschen Ritus, der bald allgemein als Clermont-Rosaisches System bezeichnet wurde, beschäftigten sich also mit alchimistischen, physikalischen und mechanischen Dingen, suchten bei den Mitgliedern Verständnis für Gewerbe- und Industrieförderung zu wecken und schufen eine Erziehungsanstalt, die "Rosenschule". Kirchlich war der Clermontismus deistisch-irenisch, die aber auch in diesem System liegende romantische katholisch-mittelalterliche Tendenz zeigte sich in Titeln, im Gebrauch der lateinischen neben der französischen Sprache, in der offiziellen Anwendung von Ritternamen und auch darin, daß man von den bloßen Zusammenhängen des Ursprungs der Freimaurerei mit dem Orden der Ritter des heiligen Bischofs von Jerusalem zur Erzählung von der Fortsetzung des Ordens der Templer durch die Bruderschaft überging. (Wolfstieg, "Ursprung und Entwicklung der Freimaurerei", 3. Band Seite 107 ff.)
Der Betrüger Johnson (s.d.) brachte 1763 in Jena fast alle Kapitel des Clermontschen Systems durch seine Unverfrorenheit in seine Hand.
Meyers Konversationslexikon
In Frankreich gründete 1754 der Chevalier de Bonneville ein Kapitel der Hochgrade, genannt das Kapitel von Clermont (von seinem Logenlokal, dem Palast Clermont zu Paris). Diesem folgten 1756 das der "Ritter vom Orient", 1758 das der "Kaiser vom Morgen- und Abendland", welche sich die pomphaftesten Titel beilegten und 25 Grade hatten. Von da ab entstanden der Reihe nach die verschiedenartigsten Hochgradsysteme und Oberbehörden. Nach Schweden war die Freimaurerei schon 1736 verpflanzt worden, wo König Friedrich 1738 ihre Versammlungen bei Todesstrafe verbot; später stellte er sich jedoch selbst an ihre Spitze.
Sie gestaltete sich hier um 1760 auf Grund französischer und andrer Hochgradmaterialien zu einem eignen, hierarchisch eingerichteten, gnostisch-kabbalistischen System mit 9 Graden um, das sich in den alleinigen Bewahrer des Geheimnisses, den Ordensmeister (Vicarius Salomonis, Stellvertreter Christi) zuspitzt.
In Rußland konnte lange Zeit keine eigentliche Großloge zustande kommen, wiewohl Kaiserin Katharina II die Freimaurerei sehr begünstigte. Hier wie in Polen wurden 1822 die Logen geschlossen. In Holland hatte die Freimaurerei unter der Bedingung, daß alle Logen des Landes unter einer Großloge zu Haag ständen, 1756 die Anerkennung von seiten des Staats erlangt. In Dänemark wurde 1792 die Freimaurerei von Staats wegen unter den Großmeister Prinzen Karl von Hessen gestellt; die Großloge arbeitet nach dem schwedischen System. In der Schweiz gab es ehedem verschiedene Oberbehörden; seit 1844 haben sich die Schweizer Logen zu einer Großloge "Alpina" geeinigt. Auch in Italien blühte die Freimaurerei; fast in allen Städten der Lombardei entstanden Logen, ja selbst in Rom wurde eine solche konstituiert und trat mit dem Großen Orient in Paris in Verbindung. Bald aber teilten diese Logen das Schicksal der neapolitanischen, spanischen und portugiesischen und wurden nach der Restauration wegen ihrer Verwandtschaft mit den französischen Logen sämtlich sistiert. Seit der Einigung Italiens unter dem Zepter Viktor Emanuels tauchten rasch auch die Logen wieder auf, die sich 1874 zu einer Großloge, dem Großorient zu Rom, vereinigten, der 1875 seinen Tempel feierlich einweihte.
Der geschichtliche Verlauf der Freimaurerei in Deutschland zeigt im großen und ganzen dieselben Momente, die wir bisher in ihrem allgemeinen Entwickelungsgang kennen lernten: erst die reine englische Maurerei (Geselligkeit, Toleranz, Wohlthätigkeit), sodann die Verirrungen des Hochgradwesens (Templerei, Rosenkreuzerei, Magie), endlich in diesem Jahrhundert Humanitätskultus, letzterer jedoch mit bewußterer Basis als in allen übrigen Ländern.
Kaum war 1733 zu Hamburg die erste Loge in Deutschland von der englischen Großloge gegründet worden, als in kurzer Zeit so viele andre entstanden, daß schon 1737 Heinrich Wilhelm v. Marschall, Erbmarschall von Thüringen, zum Provinzialgroßmeister für Obersachsen ernannt wurde.
Eine bedeutende Förderung erhielt die Sache der Freimaurerei dadurch, daß sich 1738 Kronprinz Friedrich von Preußen durch eine Deputation von Hamburg zu Braunschweig aufnehmen ließ. Das französische Templerwesen fand auch in Deutschland Eingang und mit ihm zugleich die übrigen Hochgrade, deren ganze Entwickelung sich an die Geschichte der sogenannten Strikten Observanz anknüpfte. Der Stifter und Verbreiter derselben war der Reichsfreiherr Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau.
Derselbe war in Paris zum Katholizismus übergetreten, 1743 von dem Clermontschen Hochkapitel zu den höhern Graden, selbst zum Tempelherrn, befördert. Nach Deutschland zurückgekehrt, errichtete er einen Logenbund, welchem er den Namen "Strikte Observanz" gab, weil in den lateinischen Reversen jedes Mitglied strengen Gehorsam (strictam obedientiam) geloben mußte. Man teilte den "Orden" in neun Ordensprovinzen. War Hundt ein wohlmeinender, betrogener Betrüger, so folgten ihm bald bewußte Gauner und Schwindler, zunächst Phil. Sam. Rosa, der eine Zeitlang mit einem neuen System sein Wesen trieb.
Ihm folgte der Kriegsrat v. Koppen 1767 mit der Stiftung Afrikanische Bauherren, welche ihre geheime Weisheit von den ägyptischen Großmeistern, den Pharaonen, herleiteten, sodann Johnson a Fünen (sein eigentlicher Name war Becker oder Leucht), der in dem Kapitel des Rosaschen Systems zu Jena 1763 mit dem Vorgeben auftrat, der Großprior des wahren Templerordens zu sein. Inzwischen trat der nachmalige darmstädtische Hofprediger Stark mit dem Klerikat der Tempelherren hervor, das sich auf dem Konvent zu Kohlo mit der Strikten Observanz zu vereinigen suchte, und trieb der Geisterseher Schrepfer sein Wesen in Leipzig.
Diese Wirren führten (1775) zu einem Konvent in Wiesbaden und (1782) zu dem von Wilhelmsbad bei Hanau, wo als Zweck der Freimaurerei die moralische Vervollkommnung auf Grundlage der christlichen Religion festgesetzt, doch zugleich der noch immer nicht ganz erloschenen Vorliebe für das Rittertum durch die Gründung eines neuen Grades, "der Ritter von der Wohlthätigkeit", Rechnung getragen wurde.
In diesem Wilhelmsbader oder rektifizierten (schottischen) System, dem nun der Herzog von Braunschweig seine ganze Pflege zuwandte, erlosch nach seinem Tod allmählich die Strikte Observanz. Von jetzt ab regte sich in der deutschen Brüderschaft das Streben nach Rückkehr zu den alten, einfachen Grundlagen der echten Freimaurerei. Deutschland übernahm nun an Stelle des stabil verbleibenden England die Aufgabe, durch gründlichere Erfassung der Idee der Maurerei und durch sorgfältige Erforschung ihrer Geschichte diese Rückkehr anzubahnen. Dahin gehören die Bestrebungen des eklektischen Bundes, der mit dem am 18. März 1783 erlassenen Zirkularschreiben, das zugleich die Bundesakte bildete, in Frankfurt a. M. ins Leben trat.
Das sogenannte "christliche Prinzip", das er anfangs festhielt, streifte er 1843 ab. Ihm folgte die Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1784, die mit ihren Töchterlogen von allen maurerischen Verbindungen, also auch vom Wilhelmsbader System, sich für unabhängig und das Wesen der Freimaurerei in den drei Johannisgraden für abgeschlossen erklärte; zwar fügte sie noch vier Hochgrade hinzu, doch nur als Erkenntnisstufen, welche die Kenntnis der verschiedenen Systeme und ihrer Symbole vermitteln sollen, ohne irgend eine Art Suprematie zu üben.
In gleicher Weise vollzog die aus der Loge Royal York durch Trennung in vier Logen hervorgegangene Großloge Royal York zur Freundschaft unter der Leitung von Ignaz Aurelius Feßler eine Revision ihres Rituals und ihrer Verfassung und nahm statt der vier höhern Grade sechs Erkenntnisstufen an (Allerheiligstes, Justifikation, Feier, Übergang, Heimat, Vollendung). Im Jahre 1803 wurden die sechs Erkenntnisstufen auf eine reduziert.
Eine noch entschiedenere und bedeutsamere Umgestaltung erfuhr die Große Loge von Niedersachsen zu Hamburg, ursprünglich eine englische Provinzialloge, durch Schröder (Schrödersches oder Hamburger System), insofern dieser alle höhern Grade beseitigte und nur die drei Johannisgrade stehen ließ und zugleich das Reinmenschliche zum Prinzip erhob. Im Gegensatz hierzu verharrte die dritte preußische Großloge in ihrer Ausnahmestellung.
Der preußische Generalstabsarzt Ellermann, infolge von Adoption v. Zinnendorf genannt, der von dem Großsekretär der Großloge in Schweden deren Akten zum großen Teil erhalten hatte, erklärte die Strikte Observanz für unecht und vereinigte 1770 zwölf auf der Basis der schwedischen Ordensdokumente gegründete Logen zu einer Großen Landesloge Deutschlands.
Da sich dieselbe als maurerische Oberbehörde aller deutschen Logen aufwarf, konnten Streitigkeiten mit den übrigen Großlogen nicht ausbleiben; selbst die Großloge von Schweden nahm eine Zeitlang eine feindliche Stellung zu ihr ein, bis sie erst später ihr die vollständigen Akten auslieferte. Außer den genannten sechs Großlogen entstanden in Deutschland noch vier, nämlich 1813 die Landesloge von Sachsen, die Große Loge des Königreichs Hannover, welche sich 1866 infolge der Einverleibung des Landes auflösen mußte, und deren Logen sich meist der Großloge Royal York anschlossen, die Großloge Zur Sonne in Bayreuth und 1846 die Großloge zur Eintracht in Darmstadt.