Wien, ein altes Logenbild, und Bruder Mozart

Aus Freimaurer-Wiki

Bunte Wämse, spitze Degen, viele Rätsel

‚Innenansicht einer Wiener Loge’: So nennen Kenner gewöhnlich dieses Gemälde aus dem späten 18. Jahrhundert. Was heißt Kenner?! Das Bild ist eines der bekanntesten der Freimaurergeschichte. Von Rudi Rabe.

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Das knapp einen Meter breite und einen Dreiviertelmeter hohe Ölbild vom Ende der 1780iger Jahre wirft Fragen auf, die auch Fachleute kaum beantworten können? Was zeigt es wirklich? Eine ganz konkrete Loge in Wien? Wenn ja, welche? Zeigt es, wie man meinen könnte, die Aufnahme eines Suchenden? Und ist der Bruder ganz rechts wirklich der Bruder Wolfgang Amadeus Mozart? Und der neben ihm der Theaterdirektor und Librettist der ‚Zauberflöte’ Emanuel Schikaneder? Diese personellen Zuschreibungen machten das Bild endgültig zu einer Sensation für die Freimaurer und ihre Geschichte. Ob sie stimmen, muss offen bleiben.

Datierung Ende der 1780iger Jahre oder um 1790

Das ist unbestritten. Diese wenigen Jahre waren das Goldene Jahrzehnt der alten Wiener Freimaurerei, und zugleich lag sie in den letzten Zügen: Zuerst reglementierte sie Joseph II.; das war noch gut gemeint. Und 1794 verbot sie dann die reaktionäre Staatsführung Franz II. unter dem Eindruck des französischen Revolutionsterrors, der den Freimaurern angehängt wurde. In einem der Jahre davor war das Bild von einem Künstler gemalt worden, dessen Identität ebenso wie viele Bilddetails nicht eindeutig geklärt sind.

Viele Jahrzehnte war das Gemälde in der Öffentlichkeit nicht präsent. Es wurde vererbt und vererbt bis es schließlich 1926 wieder das Licht der Welt erblickte: Der Grazer Landesbeamte und Kleinadelige Rudolf von Tinti brauchte Geld, und so verkaufte er es an das Wiener Stadtmuseum. Für die nach dem Ersten Weltkrieg 1918 nach langer Unterdrückung gerade wiedererstandene österreichische Freimaurerei war das eine Sensation. Und bald setzte die Bildexegese ein.

Eine Interpretation folgt der anderen

Manche Freimaurer- und Musikforscher wagten sich in ihren Deutungen weiter vor, andere blieben zurückhaltend, wie etwa der Schweizer Autor Harald Strebel. In seinem Buch ‚Der Freimaurer Wolfgang Amadé Mozart’ schrieb er 1991: „Aufgrund der historischen Dokumente und Kenntnis der maurerischen Bräuche der damaligen Zeit steht fest, dass es sich bei der ‚Innenansicht’ nicht um eine bestimmte Loge und eine historisch verbürgte Logenarbeit handeln kann. Der anonymen gebliebenen Maler hat offenbar in freier künstlerischer Art und Weise verschiedenartige Vorgänge im Inneren einer Loge auf EINEM Bild festgehalten. Zwar findet sich in der vorderen Bildmitte der Hinweis auf ein Aufnahmeritual (aufgrund der verbundenen Augen eines ‚Suchenden’), jedoch steht das gesellige Zusammentreffen, das in der Regel erst nach der eigentlichen Logenarbeit stattfindet, im Mittelpunkt der Darstellung. Dass er gleichzeitig berühmte Freimaurer – wie zum Beispiel Mozart – verewigen wollte, ist durchaus möglich.“ Diese Interpretation steht wohl auf festem Grund. Ihr schließt sich auch Rüdiger Wolf an, der erfahrene frühere Direktor des Freimaurer-Museums Rosenau im österreichischen Waldviertel.

Historische Wissenschaft und historische Phantasie

Wir wissen: Wissenschaft muss seriös sein, doch ohne Phantasie geht es auch nicht, jedenfalls so lange diese ebenfalls seriös bleibt. Daher folgt nun eine interessante und detailreiche Expertise, welche die richtige Mitte hält. Ihr Autor ist Karel Kubinzky, Historiker und Universitätsprofessor aus Graz, wo das Bild ja 1926 auftauchte. Den folgenden Text stellt das Freimaurer-Wiki mit seiner Genehmigung online. Karel Kubinzky hat ihn 1993 verfasst.

Karel Kubinzky: Das ‚Tintibild’

Über das Bild ‚Innenansicht einer Wiener Loge um 1790’

Eines der berühmtesten freimaurerischen Bilder des 18. Jahrhunderts stammt aus Österreich. Als größeres Ölbild besitzt es mehr Originalität und Aussagekraft als die vergleichbaren Graphiken von Freimaurer-Ritualen aus jener Zeit. Es stellt – zumindest nach der offiziellen Diktion – ein Aufnahmeritual in der Loge ‚Zur gekrönten Hoffnung’ im Orient Wien des späten 18. Jahrhunderts dar. Kaum eine Freimaurer-Ausstellung oder illustrierte Publikation über maurerische Geschichte kommt ohne eine Abbildung des Gemäldes aus. Bei der Wiener Freimaurer-Ausstellung 1992 war das Bild als dreidimensionaler Raum nachgebaut, um dem Besucher wenigstens etwas das Gefühl zu geben, in einer historischen Loge gewesen und überdies Nachbar des dort abgebildeten Bruders Mozarts zu sein.

Scharfsinnige und weniger scharfsinnige Deutungen

Seit der öffentlichen Kenntnisnahme der ‚Innenansicht einer Wiener Loge’ - so der offizielle Name - im Jahre 1926 gab es eine Reihe mehr oder weniger scharfsinniger Publikationen und Interpretationen zu diesem Bild. Der im Englischen gebräuchliche Titel ist ‚Initiation(!!) in a Viennese Lodge’, und bis zu der nun losgetretenen Diskussion gab es keinen Zweifel an der hier dargestellten Rezeption. Ganz vorsichtige Brüder schwiegen sich - aus welchen Gründen auch immer – allerdings in letzter Zeit über den Inhalt der Darstellung aus. Dies geschah auch im Katalog der Wiener Ausstellung 1992.

So möchte nun auch ich einen Beitrag zur Interpretation leisten. Ich werde versuchen, das Bild zu beschreiben und auch die detektivische Arbeit, die mit diesem Bild verbunden ist, zumindest teilweise rekonstruieren.

Das Bild ist erst seit 1926 öffentlich

Die Österreichische Post verwendete das 'Logenbild' als Motiv für eine Briefmarke: für Sammler oder zum Briefe verschicken.
Der dienende Bruder
Der rauhe Stein
Der 'Meister vom Stuhl‘
Ein 'Suchender' im Vordergrund; es gibt ihn nochmals im Hintergrund
Wohin mit den Degen?
Schwätzen und Schnupfen
Ein Hut, ein Hut ...
Ganz links vielleicht einer der Esterhazy's ... er war gar nicht in Wien. Daher hat ihn der Maler im Dunkeln stehen lassen
Einer von zwei katholischen Geistlichen: damals in den Wiener Logen nichts Seltenes
Und das könnte Mozart sein: der rechts ... vielleicht im Gespräch mit Schikaneder, dem Librettisten der 'Zauberflöte'

Beginnen wir in der Gegenwart. 1926 verkauft der Landesregierungsrat und Reichsfreiherr Rudolf von Tinti aus Graz (damals Gemeinde Fölling) ein wertvolles Familienandenken. Das Objekt des Handels war ein 74x94 cm großes Ölbild eines vorerst unbekannten Meisters. Wir können Tinti unterstellen, dass es in den 1920erJahren einem pensionierten Landesregierungsbeamten mittlerer Ranghöhe finanziell nicht besonders gut ging. Wie sich seine beiden noch lebenden Söhne erinnern (1993), ging es damals um die Übersiedlung in die Grazer Schillerstraße und deren Finanzierung. Die Freiherrn von Tinti und auch Rudolf Tinti hatten schon bessere Tage erlebt. Die Familie gehörte im 18. Jahrhundert zur sozialen Elite des Staates. Bei dem Versuch, 1874 durch eine Petition an die Reichsratsabgeordneten die Wiedererrichtung der Freimaurerei im Österreichteil der Doppelmonarchie zu erreichen, wurde in der kurzen Liste prominenter Brüder aus dem 18. Jahrhundert neben klingenden Namen wie die Fürsten Dietrichstein und Esterhazy ausdrücklich auf den Namen Tinti hingewiesen.

Offenbar ein Notverkauf der Familie Tinte in Graz

Die Aussage, dass sich das Bild schon lange im Familienbesitz befand, entspricht den Tatsachen. Zwei Familienmitglieder waren Brüder der Loge ‚Zur Eintracht’. Auch in der ersten Loge Österreichs, in der ‚Aux Troix Canons’ stand ein Tinti in der Bruder-Kette. Es ist kennzeichnend, dass der Bildverkäufer erst später von dieser so nahen verwandtschaftlichen Verbindung zum ursprünglichen Bilderwerber erfahren hat. Zunächst dachte er, das Bild anderen Verwandten, die Büder waren, zu verdanken: dem Herrn von Trattern (1717-1788) oder dem Ritter von Keess (1749-1799). Weder dem das Bild verkaufenden Tinti, noch seinen von mir 1993 zu diesem Thema befragten Söhnen, war der Umstand, Freimaurer in der näheren Familie gehabt zu haben, irgendein Problem. Das Bild selbst erhielt erst bei späterer Restaurierung jene Bildschärfe und detaillierten Inhalte, die es heute zu interpretieren gilt.

Das Wiener Stadtmuseum kaufte das Gemälde um 1800 Schilling

Die sozialdemokratisch geführte Gemeinde Wien erwarb 1926 durch ihr Historisches Stadtmuseum das Bild um 1800 Schilling. Die Schillingwährung war erst im Jahr davor eingeführt worden. Der Betrag von 1800 Schilling ist von mittlerer Höhe, darum konnte man zum Beispiel nicht das Grazer Heimatrecht erwerben (2.000 Schilling), andererseits waren für 1800 Schilling 18.000 Inlandspostkarten aufzugeben. So 100.000 bis 200.000 Schilling (7.000 bis 14.000 Euro) dürfte der Betrag heute (= 1993) umgerechnet wert sein. Wahrscheinlich wären sogar im relativ kleinen Orient Graz heute einige Brüder bereit, einen so hohen Betrag für dieses einmalige Bild auszugeben.

Wovon berichtet unser Ölgemälde?

Der gezeigte Raum soll sich nach der Tradition in dem noch bestehenden Wiener Haus Schwertgasse 3 befinden; das ist zwischen der Kirche Maria am Gestade und der Wipplingerstraße. Ein dienender Bruder zieht den Vorhang auf und gewährt dem Beschauer den Blick auf das Innenleben einer Loge. Die schaukastenartige Rauminszenierung wird durch eine stark perspektivische Darstellung unterstrichen. Der rechteckige Raum wird von einer Öllampe erleuchtet, die durch einen Seilzug an der Wand rechts befestigt ist. Wir sehen eine dreieckige Lampe mit drei Dochten. Sie kommt als Tempel-Ausstattung eines Hochgrades im Ritual der ‚Großen Landesloge von Deutschland’ (GLL) vor. Allerdings stimmen die anderen Details der Tempel-Ausstattung nicht mit der Literatur überein.

Die beiden Seitenfronten schmücken die Statuen oder wahrscheinlich besser: die Wandmalerei von Hermes (rechts) – vielleicht als ikonographisch falsch dargestellter Hermes Trismegistos eine Gottheit voll Bezug auf Magie und auch auf die Maurerei – und (links) ein alter Mann mit einer Lampe oder auch einer Schale (vielleicht ist es Johannes der Täufer und damit der Patron der Freimaurer).

Ist es eine Rezeption: die Aufnahme eines ‚Suchenden’?

Im Osten befindet sich an der Wand ein illusionistisches Gemälde, das viel Wasser und wenig Land darstellt, geziert durch eine Sonne mit einem eingeschriebenen sechszackigen Stern (“leuchtender Stern") und einen Regenbogen. Auf Wunsch kann daraus der Rückgang der Sintflut abgelesen werden. Zur Bildsymbolik würde recht gut die Loge ‚Zur gekrönten Hoffnung’ passen. Das Bild soll noch längere Zeit nach der ersten Freimaurer-Blüte des 18. Jahrhunderts zu sehen gewesen sein. Beim dreistufigen Aufgang in den Osten sind links der Rauhe Stein und rechts der Glatte Stein zu sehen. Die ‚Wiener Schriften’ beschreiben 1957 den Bildinhalt wie folgt: Eben sei eine Rezeption in die entscheidende letzte Phase eingetreten. Der Suchende trägt noch die Augenbinde und wird hier begrüßt oder belehrt. So einfach ist es jedoch mit der Interpretation sicherlich nicht.

Ist es vielleicht eine der großen Logen im damaligen Wien?

In Frage kommen: ‚Zur wahren Eintracht’, ’Zur gekrönten Hoffnung’ oder eine der Sammel-Logen ‚Zur Wahrheit’, oder ‚Zur neugekrönten Hoffnung’. Einiges spricht für ‚Neu gekrönte Hoffnung’ als letzte große Loge im Wien jener Zeit. Der Tempel muss allerdings nicht unbedingt mit der hier arbeitenden Loge übereinstimmen. So ist auch die im Gemälde vielleicht angedeutete „Hoffnung" als Bild im Osten nur bedingt ein lndiz für die Logenzugehörigkeit der hier arbeitenden Brüder. Da zumindest zwei unterschiedliche Schurze (mit roten Rosen und mit blauen) zu erkennen sind, lässt dies die Anwesenheit von zumindest zwei verschiedenen Graden ablesen. Der eine der beiden Altäre, wohl dem Meister vom Stuhl zugeteilt, trägt einen dreiarmigen Luster, ein offenes Buch – wohl die Bibel – ein Schwert und einen Totenkopf. Der rechte Altar trägt ebenfalls einen dreiarmigen Leuchter und die Setzwaage und ist dementsprechend heute dem 2. Aufseher zugeteilt. Vielleicht war es einst der 1. Aufseher? Die beiden korinthischen Säulen seitlich des Ostens tragen züngelnde Schlangen, die sich - wie anderswo das Weinlaub -um die Säulen schlängeln. Die ehernen Säulen mit den Schlangen sind sowohl Teil der biblischen Symbolik als auch der Freimaurerei.

Klar ist: Die Szene zeigt Ungleichzeitiges gleichzeitig

Die Brüder in den beiden Kolonnen (= Sitzreihen) haben das in solchen Situationen übliche Problem, sie wissen nicht wohin mit dem Degen, daher kommt es im Sinne der Realitätsnähe zu recht unterschiedlichen Lösungen. Auch das muntere Schwätzen der Brüder untereinander und sogar der hingebungsvoll Schnupftabak einziehende Bruder (dritter von rechts) entspricht einem koketten Spiel des Malers mit der Realität. Ein Tapis im heutigen Sinne findet sich nicht, wohl aber eine Art Landkarte sichtlich gleicher Funktion, nämlich der einer Lehrtafel. Im Rahmen der hier dargestellten Parallelhandlung werden mehrere konsekutive Phasen der dramatischen Handlung in diesem erzählenden Bild als simultan dargestellt. So finden wir den vermeintlichen Rezipienten auf dem exotisch wirkenden Tapis und gleichzeitig auch im Vordergrund. Dort, wo er wahrscheinlich einen Eid ablegt oder den Handgriff mitgeteilt bekommt.

Malerisch: die Degen und Perücken

Die meisten Brüder tragen Degen und Perücken. Während letzteres nur ein Zeitdokument ist, haben die Degen darüber hinaus noch ihre Bedeutung im Ritual. So trägt der Zeremonienmeister, oder vielleicht ist es auch ein vorbereitender Meister oder ein Experte, einen erhobenen Degen. Bei dieser Gelegenheit ist darauf hinzuweisen, dass Degen und Schwerter als Teil des Rituals nicht aus dem von England importierten Ritual stammen. Dort gibt es nur zum Beispiel ein Amtsschwert des Großmeisters. Erst im Zuge de Verbindung mit der Idee von Ritterorden und der Ausbildung von vielgradigen Systemen wie das der schwedischen Lehrart und der ‚Großen Landesloge von Deutschland’ benutzte man Degen als Regalia im rituellen Ablauf. So ist zum Beispiel auch unser Stahldach für englische Brüder gleich fremd wie exotisch.

Es bleibt ein Rätsel: In welchem Grad wird gearbeitet?

Alle Brüder tragen ein Meisterbijou, auch der vermeintliche Rezipient. Es waren also schon alle Anwesenden Meister, und es handelt sich daher nicht um ein Ritual im ersten Grad. Hiermit beginnen die Probleme der Interpretation. Da der zu befördernde Bruder sowohl bei seiner Belehrung auf der tapisartigen Landkarte einen Hut trägt, dort ist er am Rücken des Wandernden befestigt, als auch im Vordergrund den Hut in der Hand hält, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass er aus einem Grad mit Kopfbedeckung in einen Grad ohne Hut aufsteigt. Die anderen Brüder tragen ja keine Hüte. Nur auf der rechten Sitzbank ist ein Hut recht achtlos abgelegt. Das Meister-Bijou und der Schurz, der vermutlich auf dem Bild zu erkennen ist, weist unseren vermeintlich Suchenden ebenfalls als schon arrivierten Bruder aus. Auch die für eine Johannis-Freimaurerei üblichen drei Lichter fehlen. Ebenso vermissen wir die typischen Kennzeichen eines Neophyten jener Zeit: entblößte Brust, entblößtes rechtes Knie und ein niedergetretener Schuh.

Dafür gibt es zwei dreiarmige Leuchter im Osten und eine größere Zahl dreifacher seitlicher Wandarme. Bei einem so sehr als Dokumentation gedachten Bild voll Einzelheiten hätte der Maler sicherlich auf Details, die für den Ritualvorgang zentrale Bedeutung haben, nicht vergessen. Schließlich gab sich der Maler sogar Mühe, die einzelnen Brüder erkennbar darzustellen.

Vielleicht ein Kapitelgrad

Ich bin der Meinung, dass es sich hier um die Aufnahme in einen Kapitelgrad (= Hochgrad) handelt. Um dies zu verstehen, bedarf es einer kurzen Darstellung des Wiener Logenlebens im 18. Jahrhundert. Die berühmte erste Loge in Österreich (‚Aux Trois Canons’ 1742) gehörte dem System der ‚Drei Weltkugeln’ an. Die folgenden Logen-Gründungen in Wien in den frühen 1770iger Jahren (‚Zu den drei Adlern, 1771) ist dem siebengradigen System der ‚Strikten Observanz’ zuzurechnen. Noch im gleichen Jahr aber entsteht auch eine Loge (‚Zum heiligen Josef’) nach dem Ritual der GLL von Deutschland. Diese bildet dann zusammen mit einer weiteren Gründung (‚Zur gekrönten Hoffnung’) die Provinzialloge von Österreich. Diese Provinzialgroßloge gehört weiterhin dem System der GLL an. Erst 1784 entsteht im Zuge der Reformen die ‚Große Landesloge von Österreich’.

Jedenfalls ein buntes masonisches Durcheinander

Warum ich das hier erzähle? Weil ich damit erstens den schwierigen Weg zu einer österreichischen Großloge darstellen möchte, und weil ich auf die unterschiedlichen und durchaus miteinander nicht harmonisierenden Systeme hinweisen möchte. Die ‚Drei Weltkugeln’ (heute in Deutschland: Große Nationale Mutterloge zu den drei Weltkugeln) und die ‚Große Landesloge von Deutschland’ (heute in Deutschland auch bekannt als Freimaurerorden) besitzen, außer den drei Johannisgraden, auch noch Andreasgrade und Kapitelgrade. Von der Wiener Loge ‚Die Freigebigen’ ist überliefert, dass es dort auch Grade im Clermont-System (= historischer Hochgrad) gab. Also ein recht buntes Bild.

In diese maurerische Landschaft passt unser Bild. In der Spätzeit jener Epoche, unter Kaiser Leopold II., arbeitete in Wien unter anderem auch die Loge ‚Zur Liebe und Wahrheit’, die rosenkreuzerische Elemente im Ritual besaß. Auch die ‚Asiatischen Brüder’, die starke personelle und inhaltliche Überschneidungen mit den Logen der Freimaurerei hatten, besaßen in Wien ein Zentrum ihrer Arbeit. Aus dem Umfeld der Freimaurer kamen schließlich die Logen der sich gegenseitig bekämpfenden ‚Illuminaten’ und die ‚Gold- und Rosenkreuzer’. Als aufgrund der Politik von Kaiser Franz II. das Licht in den letzten Wiener Logen verlosch, gab es keine Großloge von Österreich mehr. Damals lebte wieder die Verbindung zur ‚Großen Landesloge von Deutschland’ auf. Die ‚Große Landesloge von Österreich’ und die GLL von Deutschland dürften das gleiche Zinnendorferische System besessen haben. In diesem System gibt es in den 80erJahren des 18.Jh. 11 Grade (3 Johannisgrade, 3 Andreasgrade und 4Kapitelgrade sowie einen Kommandeurgrad). Blau gestaltete Schurze gab es laut Auskunft Wiener Brüder auch in den Andreasgraden, rote in den Kapitelgraden. Im Übergang beider Systemteile könnte die Handlung stattgefunden haben.

Ein vermessener Wunsch: die Identifizierung der Personen

Da wir genau genommen recht wenig über die rituelle Darstellung wissen und auch bei der Identifikation der Loge nicht sicher sind, ist die Entschlüsselung der Personenportraits ein recht kühnes Unterfangen. H. C. Robbins Landon hat jedoch 1982 den Versuch einer Identifikation unternommen. Im Katalog der Freimaurer-Ausstellung im Museum der Stadt Wien im Jahre 1984 ist dieser Versuch übersetzt und gedruckt. Es gibt zwar auch andere Zuschreibungen – verbleiben wir aber der Einfachheit und Plausibilität wegen bei dieser Darstellung.

Quellenstudium, Portraitvergleich und auch ein Quantum kundiger Phantasie sind die Mittel der Zuordnung. Einige der Brüder tragen Uniformen, andere eher nationale Kleidungsvarianten, zwei sind im geistlichen Habitus dargestellt. Nach Landon sind vier Angehörige der Familie Esterhazy dargestellt. So als Stuhlmeister Graf Johann Esterhazy, und als sinnend abseits stehender Bruder in der linken vorderen Ecke Franz Seraphin Graf Esterhazy. Wenn diese Interpretation stimmt, war jener Graf anlässlich dieses Rituals nicht in Wien, sondern in Siebenbürgen. Daher wurde er nur als abseits stehender Gast gemalt. Der weißgekleidete Geistliche in der Mitte der südlichen Kolonne ist vermutlich Johann Lambert von Hanotte, der Kanonikus und Prälat zu Huy und Lüttich. Der Mönch nahe der südöstlichen Ecke der Kolonne vielleicht Kapuziner-Pater lgnaz Faber. Der Bruder mit erhobenem Degen rechts des Aufgenommenen kann laut Portraitvergleich Wenzel Tobias Eppstein sein, bei ihm möchte ich aus subjektiven Gründen kurz verweilen.

Eppstein, damals erst kürzlich geadelt (Edler von Ankerberg), war auch Mitglied der Pressburger Loge ‚Zur Verschwiegenheit’ (Pressburg = Bratislava) und ob seiner Scherze und seines Freimaurer-Engagements in der zeitgenössischen Freimaurer-Szene bekannt. Im profanen Leben war Eppstein Gubernialrat in Innsbruck und durch seinen erst kürzlich erfolgten Übertritt vom Judentum zur katholischen Kirche ein interessanter religiöser Wechselgänger jener Zeit. Übrigens war er auch der leibliche Bruder meiner Ur-Ur-Ur-Großmutter.

Doch der Bruder ganz rechts ... der kann schon Mozart sein

Am sichersten möchte man bei der Identifikation des Bruder ganz rechts außen sein: Sieht er nicht aus, wie wir uns Wolfgang Amadeus Mozart vorstellen? Da alle freimaurerischen Systeme Wiens jener Zeit jenseits der drei Johannisgrade eine Fortsetzung fanden, kann – auch ohne dass es dafür ausdrückliche Beweise gibt - angenommen werden, dass Bruder Mozart nach seiner Erhebung 1785 weiter im Freimaurer-System aufstieg. Sechs Jahre bis zu seinem Tod 1791 hatte er noch hierfür Zeit. Das Bild wird mehrheitlich für die Zeit kurz vor und um 1790 angesetzt.

Mindestens zwei Maler kommen in Frage

Wer hat nun das Bild gemalt? Der Einfachheit halber zusammen gefasst: Wir wissen es nicht. Wohl aber gibt es Vermutungen und Spekulationen. Bruder Ignaz Unterberger (I748-1797), der auch für Mozarts ‚Maurerfreude’ ein Titelblatt gestochen hatte, kommt dafür in Frage. Aber auch Achaz Gottlieb Raehmel (1732-1810) kommt aufgrund eines Malvergleichs als Schöpfer unseres Bildes in Frage.

Fassen wir wichtige Merkmale des Rituals und der Tempel-Ausstattung zusammen: Es gibt keinen Tapis, keine Lichter in der Tempelmitte, weder drei, noch mehr. Der 1. Aufseher hat neben dem Meister vom Stuhl seinen Platz. Die Brüder tragen Degen - auch als ein Teil des Rituals - und keine Hüte. Das Bild stammt aus der Hochzeit der Freimaurerei Österreichs im 18. Jahrhundert und aus Wien. Die ‚Asiatischen Brüder’ kommen für das hier gezeigte Ritual nicht in Frage, da sie eine besondere Kleiderordnung mit auffallenden Gewändern besitzen. Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass einige Details des Bildes durchaus in den Rahmen einer Rezeption passen. So fehlen die für höhere Grade typischen Regalien. Die Bijous würden schließlich am besten in den 3. Grad passen.

Fazit: Viele Geheimnisse bleiben

Das Tinti-Bild, den Maler kennen wir nicht sicher, ist jedenfalls voll noch ungelöster Geheimnisse. So ist es in doppelter Form maurerisch: vom Inhalt her und von der kryptischen Symbolsprache.

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