Oberösterreich
Inhaltsverzeichnis
Linz
Wie sich die Freimaurerei in der oberösterreichischen Hauptstadt Linz entwickelte: von der ersten Logengründung 1783 bis zu den vier Logen 2018. Und dazwischen mehr als ein Jahrhundert freimaurerische Dunkelheit. Von Rudi Rabe.
Der freimaurerische Inhalt dieser Seite basiert weitgehend auf einem Text von Gerhard Forsthuber aus dem Jahr 2005:
„Kleine Geschichte der Freimaurerei in Linz“. Weitere ausführliche Informationen über die Freimaurerei im allgemeinen und in Oberösterreich siehe unten bei den Links: Jahrbuch der Stadt Linz.
Stand 2018: Vier Logen der ‚Großloge von Österreich’ und eine des ‚Droit Humain’.
Die erste Loge 1783 bis 1793: 'Zu den Sieben Weisen'
Die Geschichte der Loge ‚Zu den Sieben Weisen’ beginnt am Höhepunkt der Ausbreitung der Freimaurerei in den habsburgischen Ländern. Auslöser waren die Bestrebungen Kaiser Josephs II., die Einflüsse der benachbarten Kirchenprovinzen Passau und Salzburg auf die Verwaltung und das Schulwesen in ‚Österreich ob der Enns’ (Oberösterreich) zurückzudrängen. Das deckte sich mit freimaurerischen Vorstellungen. Mehrere führende Beamte, die Joseph II. in Linz neu ernannte, waren Mitglieder Wiener Freimaurerlogen.
Einer war der Philosophieprofessor Anton von Scharf. Er kam nach Linz mit dem Auftrag Ignaz von Borns, des berühmten Stuhlmeisters der Wiener Loge ‚Zur wahren Eintracht’, hier eine Loge zu gründen. Mit Hilfe von Brüdern aus Wien, Prag und Regensburg stiftete er 1783 die Loge ‚Zu den sieben Weisen’. Die Logenarbeit litt allerdings unter den damals herrschenden Richtungsstreitigkeiten zwischen den ausufernden Hochgradsystemen und der reformierten Freimaurerei mit nur drei Graden nach englischem Muster. Dennoch konnte sich die neue Loge etablieren. 1792 zählte sie 56 Mitglieder.
Während der Französischen Revolution stieg das Misstrauen der Mächtigen gegen alles Freidenkerisch-Aufgeklärte, also auch gegen die Freimaurerei. Und so befahl der reaktionäre Kaiser Franz I./II. die Selbstauflösung der österreichischen Logen. Am 17. Dezember 1793 kamen die Linzer Brüder diesem Verbot nach. Sie konnten sich jetzt nur noch privat treffen.
Das Verbot kam nicht über Nacht, es war eine Art Eskalation. Noch im Mai 1783 hegten die Brüder einen Rest von Hoffnung. Und so schrieben sie an die kaiserliche Regierung in Wien, sie hätten es "für rathsamer erachtet, seit beynahe einem Jahre wegen der gegenwärtigen Zeitumstände keine Versammlungen zu halten, und es werden erst nach vorgegangener Änderung der Zeitumstände die Versammlungen wieder fortgesetzt werden." Sie konnten sich wohl nicht vorstellen, wie lange das dauern würde: Die "Zeitumstände" änderten sich erst 1918 mit dem Ende der Monarchie. Und in Linz dauerte es sogar 176 Jahre bis im Jahre 1949 wieder eine Freimaurerloge gegründet werden konnte.
Ein Freimaurerkränzchen 1911 bis 1934
Das absolute Freimaurerverbot der habsburgischen Administration wurde von 1867 an gemildert, weil jetzt der ungarische Teil der Monarchie das Vereinsrecht liberal handhabte. Dadurch war es von Wien aus möglich, über der nahen Binnengrenze sogenannte Grenzlogen zu gründen. In Linz scheiterten Ansätze dazu an der vom Linzer Bischof Rudigier geschaffenen reaktionären Atmosphäre.
Erfolgreicher war der im nahen Pregarten als Gemeindearzt arbeitende Viktor Rogner, Mitglied der Grenzloge ‚Eintracht’ in Preßburg (heute: Bratislava/Slowakei). Gemeinsam mit zwei Mitgliedern der Grenzloge ‚Schiller’ sammelte er die in der oberösterreichischen masonischen Diaspora lebenden Freimaurer und gründete 1911 ein sogenanntes Freimaurer-Kränzchen. Die meisten Brüder kamen aus der Schlaraffia. Während des Ersten Weltkrieges ruhten die Aktivitäten.
Das Ende der Monarchie brachte der Freimaurerei in Österreich wieder die Legalität. Am 8. Dezember 1918 trafen sich österreichische Freimaurer zur Gründung der ‚Großloge von Wien’. Diese bildete sich aus den bisher auf ungarischem Gebiet arbeiteten Wiener Grenzlogen.
Das Linzer Freimaurerkränzchen wurde 1922 reaktiviert. Wieder kamen die meisten Brüder aus der Schlaraffia. Differenzen mit der Großloge von Wien entstanden dann aber wegen der Einbindung von Ehefrauen in die rituelle Logenarbeit nach französischem Muster. Das Problem konnte gelöst werden, zu einer Logengründung reichte das personelle Reservoir jedoch nicht. Die Verschlechterung des politischen Umfeldes durch das kleriko-faschistische Dollfuß-Regime führte schließlich 1934 zur Auflösung des Kränzchens. Die Brüder konnten nur mehr auf gesellschaftlicher Basis zusammen kommen, und nachdem im Sommer 1937 bei einer Zusammenkunft im Gasthaus Elisabethbad ein Explosionskörper durchs Fenster geworfen wurde, gab es nur noch Treffen in privaten Räumen.
1949: Wiedergründung der 'Zu den sieben Weisen'
Anlässlich der Lichteinbringung in die Wiener Loge ‚Gleichheit’ am 27. April 1948 betonte deren Stuhlmeister Anton Endstorfer die Notwendigkeit, das maurerische Gedankengut in die Bundesländer hinauszutragen, „der Boden sei dafür vorhanden ... Beweis dafür sei, dass die Loge ‚Gleichheit’ noch im Stadium ihrer Gründung mit einer Reihe von Suchenden aus Linz Fühlung aufgenommen hat. Die programmatische Bearbeitung dieser ersten Etappe für eine Logengründung in Linz soll die erste Aufgabe“ der Loge 'Gleichheit' sein.
In den allerersten Jahren der amerikanischen Besatzung ab 1945 bestand in Linz keine Möglichkeit für die Entfaltung maurischen Lebens. Doch als es dann besser wurde, war es dem deputierten Meister der Wiener Loge ‚Gleichheit’, Erich Blumberg (Foto unten), zu verdanken, dass die maurerische Besiedlung von Linz so rasch vor sich ging. In nur eineinhalb Jahren schaffte er es, vierundzwanzig Suchende und ein Mitglied der Wiener Sammelloge ‚Humanitas Renata’ (den Linzer Bürgermeister Ernst Koref) der Loge ‚Gleichheit’ zuzuführen. Diese Gruppe versammelte sich im Oktober 1949 zur Gründung einer Loge in Linz. Sie wählte Blumberg zum Stuhlmeister. Die Vereinsbehörde stimmte zu, und so entstand in Linz zum zweiten Mal die Loge ‚Zu den Sieben Weisen’.
Weitere Logengründungen in Zeitabständen
Der maurerische Ehrgeiz Blumbergs stieß aber auch auf Unverständnis. Er wurde schon im November 1950 wieder abgewählt. Die zu rasch rekrutierte Bruderschaft war nicht homogen. Dennoch entwickelte sich die Loge. Anfang der 1960iger Jahre hatte sie 73 Mitglieder. Die Präsenz ließ aber zu wünschen übrig. In der Loge war zu viel politische Prominenz, die für maurerische Arbeit kaum Zeit hatte.
1962: In diesem Jahr spalteten sich schließlich 21 Brüder ab und gründeten eine zweite Linzer Loge, die ‚Johannes Kepler’.
2008: Gründung der 'Johannes Reuchlin'.
2018: Gründung der Loge 'Zum Licht im Salzkammergut' in Gmunden.
Mehrmals wechselten die Linzer Logen in diesen Jahrzehnten ihr Domizil bis sie in einem Neubau im Osten der Stadt landeten. Großzügige Spenden aus dem Kreis der Bruderschaft halfen, das Projekt schuldenfrei abzuwickeln.
Bleibende Verdienste für die Entspannung des Verhältnisses der Katholischen Kirche zur Freimaurerei erwarb sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960iger und 1970iger Jahren der oberösterreichische Freimaurer Kurt Baresch.
Ernst Koref (1891 bis 1988)
Der Linzer Bürgermeister war in den Nachkriegsjahrzehnten der in der Öffentlichkeit bekannteste oberösterreichische Freimaurer. Der sozialdemokratische Politiker war sofort nach Kriegsende im Mai 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht als Bürgermeister eingesetzt worden, und er blieb das durch mehrere demokratische Wahlen bestätigt bis 1962. In den Jahren davor wurde er zuerst von der schwarzen Diktatur und dann von der braunen Nazi-Diktatur mehrmals eingesperrt.
Koref war Gründungsmitglied der 'Zu den Sieben Weisen'. Bei der 200-Jahr-Feier der Großloge von Österreich im April 1984 war er längst Ehrenmitglied der Großloge und mit 94 Jahren der älteste Freimaurer.
Andere Bundesländer
- Steiermark: 5 Logen der GLvÖ und 2 des DH in Graz.
- Kärnten: 5 GLvÖ-Logen in Klagenfurt und Villach; 2 DH.
- Niederösterreich: vier GLvÖ-Logen verteilt im Land.
- Salzburg: drei Logen der GLvÖ und eine des DH.
- Tirol: drei Logen des GLvÖ und eine des DH in Innsbruck.
- Burgenland: seit 1971 nach langer Pause eine GLvÖ-Loge.
- Vorarlberg: seit 2005 zum ersten Mal eine Loge.
Siehe auch
- Österreich
- Das Ritual: Arbeiten – Feiern – Trauern :
Ein Artikel von Gerhard Forsthuber aus Linz über das freimaurerische Ritual. - Kurt Baresch: Ein Friedensstifter zwischen Freimaurerei und Katholischer Kirche.
Links
- Jahrbuch der Stadt Linz 1998:
http://www.ooegeschichte.at/datenbanken/literaturdatenbank-historische-bibliografie/?tx_iafbibliografiedb_pi1%5Bsearch%5D%5BsearchfieldValue%5D=Fischer-Colbrie%2C%20Gerald%20-%20Gerhard%20Forsthuber%20-%20Kurt%20Baresch
Dieser Link führt zu zehn Pdf-Dateien mit mehreren Abhandlungen über die Geschichte der Freimaurerei unter besonderer Berücksichtigung von Linz. Titel: "Das Erbe der Aufklärung - Die Freimaurerloge 'Zu den sieben Weisen' in Linz 1783 - 1999."
Die Texte sind von drei Autoren:
Gerald Fischer-Colbrie: "Die Revolution von oben - Das kaiserliche Handbillet und die Linzer Freimaurerloge"; "Der nonkonforme Name - Zur Namensgebung der Linzer Freimaurerloge 'Zu den sieben Weisen"; "Der Linzer Schillerbund".
Gerhard Forsthuber: "Innenansicht einer Loge - Die Linzer Freimaurerloge 'Zu den sieben Weisen' 1949 bis 1999".
Kurt Baresch: "Katholische Kirche und Freimaurerei - 1983 bis 1999".