Frankreich

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Frankreich

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

Das erste Land, wo die Freimaurerei nach 1717 auf breiterer Basis festen Fuß faßte, war Frankreich. Über die ersten Gründungen gehen die Angaben der freimaurerischen Historiker auseinander. 1725 bestand angeblich in Paris eine Loge beim englischen Speisewirt Hure, der in der rue de la Boucherie die Schenke "Au Louis d'Argent" unterhielt. Am 17. Mai 1729 wurde der Überlieferung zufolge eine zweite Bauhütte in der rue des Boucheries eröffnet diesmal in einem anderen Gasthaus. War die erste Loge angeblich von den Engländern Lord Derwentwater (s. d.) und "Lord Harnouester" gegründet worden, stand diesmal ein Franzose an der Spitze, der Philantrop André-Francois Lebreton. Im gleichen Jahr stiftete ein englischer Steinschneider, Goustaud, die Loge "Sainte Marguerite". 1732 erscheint die "Loge de Bussy" als erste unter englischer Konstitution in der Londoner Matrikel, und zwar als "Nr. 90 King's Head at Paris" verzeichnet. Sie ist mutmaßlich mit "Louis d'Argent" identisch. Ihr gehörte als erster französischer Hocharistokrat der Herzog d'Aumontan, nach dem die Loge später benannt wurde.

1733 wurde "Nr. 127 Valencienne in French Flanders" ("La Parfaite Union in Valenciennes") in die Londoner Stammrolle eingetragen, zwei Jahre später installierten der Herzog von Richmond und Desaguliers, letzterer in besonderer Mission, eine weitere Bauhütte, gleichfalls an der rue de Bussy, in einem sehr vornehmen Kreis, der sich schon kurze Zeit vorher im Chateau d'Aubigny bei der Herzogin von Porthsmouth versammelt hatte, in der Hauptsache englische Lords, unter ihnen der Gesandte Waldegrave, dessen Sohn Lord Chewton bei diesem Anlaß das Licht erhielt. Unter den Franzosen, die an der Logengründung teilnahmen, ragte, einer Meldung der Londoner "St. James Evening Post" vom 20. September 1735 zufolge, der "Sehr ehrenwerte Präsident" Montesquieu (s. d.) hervor, der mutmaßlich dem Neophyten, Grafen Saint-Florentin (s. d.), "Staatesekretär Seiner sehr christlichen Majestät", dem später so berühmt gewordenen Minister, das Geleite gab. Im übrigen ist man bezüglich der ersten Periode auf Angaben des Astronomen Lalande(s. d.) angewiesen, niedergelegt in einem "Memoire", das sich Großteils im Artikel "Freimaurer" des dritten Ergänzungsbandes zur Großen Enzyklopädie wiederfindet. In neuester Zeit unternahm es Albert Lantoine (s. d.), das spärliche Material zu ergänzen. Als die freimaurerische Idee nach Frankreich gebracht wurde, regierte dort das Kind Ludwig XV.

Die Vorbedingungen für das Gedeihen eines humanitär eingestellten Bundes schienen denkbar ungünstig. Nach wie vor herrschten unumschränktester Absolutismus und wüsteste Sittenlosigkeit. Die Kirche war nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes mächtiger denn je, das ausgesogene Land, unter einer ungeheuren Schuldenlast zusammenbrechend, verelendet, die geistigen Interessen der höheren Stände erschreckend gering. Es gab keine Versammlungsfreiheit. Von den Freiheiten, die sich die Engländer erkämpft hatten, hörte man mit ungläubigem Staunen. Zunächst war es der Adel, der sich in den Bauhütten zusammenfand. Daneben gab es etwelche Bürger und Künstler. Bald tat man sich zur ersten Großloge zusammen.

"Lord Harnouester" wird als erster Großmeister bezeichnet. Über die Persönlichkeit dieses Mannes wurde aber niemals Positives bekannt. Ein königlicher Erlaß verbot den Adeligen, die es wagen sollten, Freimaurer zu werden, den Hof. Der König erklärte auch, wohl auf Veranlassung seines Premierministers, des Kardinals Fleury, daß ein Franzose, der sich unterstehe, die Großmeisterschaft anzunehmen, ohne weiteres verhaftet werden würde. Am 14. September 1737 erließ der Generalleutnant der Polizei, René Herault, ein "Verbot an alle" sich zu versammeln, Vereinigungen von "FreysMaçons" zu bilden oder Freimaurersitzungen zuzulassen. Der Weinhändler Chapelot rue de la Rapée, bei dem eine Loge ausgehoben wurde, wurde zu 1000 Livres Buße und zur Schließung seiner Schenke auf die Dauer von sechs Monaten verurteilt. Er mußte den Eingang seiner Kneipe in dieser Zeit vermauern lassen. 1738 ließ Herault eine Übersetzung der Prichardschen Verräterschrift "Masonry Dissected" drucken und veröffentlichen. Die Tänzerin Carton hatte sie einem Freimaurer abgelistet. Der Erzbischof von Marseille ließ im Jesuitenkollegium in Caën als Einlage eines komischen Balletts eine Tanzszene aufführen, die die Feimaurerischen Gebräuche verhöhnte.

Der "Discours" von Ramsay

Von den Leuten, die in den Anfängen der französischen Freimaurerei die Logen zusammensetzten, waren nicht alle vom Verständnis für die Tragweite der Idee erfüllt. Davon zeugt die bedeutsame Rede, die 1737 von dem schottischen Edelmann, Freund des Erzbischofs Fénélon und gewesenen Erzieher Karl Eduard Stuarts, Andreas Michael Ramsay, dem Redner der Großloge, gehalten wurde. Es war ihm darum zu tun, diese von Leuten zu befreien, die die Logen als Vorspann für ihre Geschäfte benutzen wollten. Sein Discours" enthielt Vorschläge zur Reform im wahren maurerischen Sinne.

Er bezeichnete als die zum Eintritt in den Orden nötigen Eigenschaften "weise Menschenliebe" und "reine Sitten" und erklärte, es gelte

"...eine Einrichtung zu stützen, deren einziger Zweck die Einigung der Geister und Herzen ist, um sie zu bessern und in der Folge eine ganz geistige Nation zu bilden, worin man, ohne daß den Pflichten Abbruch geschieht, welche die verschiedenen Staaten fordern, ein neues Volk schaffen wird, welches, aus verschiedenen Nationen zusammengesetzt, sie alle bis zu einem gewissen Punkt durch das Band der Tugend und der Wissenschaft verknüpfen wird".

Ramsay beging dabei einen historischen Fehler, indem er die Entstehung der Freimaurerei auf die Johannisritter zurückführte und daraus den Namen "Johannisloge" ableitete. Das trug ihm später den ungerechtfertigten Vorwurf ein, daß auf ihn jene bald hernach einsetzenden freimaurerischen Verirrungen zurückzuführen seien, die aus der schlichten Bruderschaft ein Chaos von Ritterorden machten; Ramsay habe die Freimaurerei der katholischen Kirche untertan machen wollen; der Wunsch habe ihn beseelt, das freimaurerische Ritual mit Bräuchen des Katholischen Kults aus religiösen und politischen Gründen zu verquicken. Um Karl Eduard Stuart eine Phalanx für die Bemühungen zu schaffen, den verlorenen britischen Thron zurückzuerobern, eine "Jakobitische Maurerei", im Gegensatz zur "ketzerischen" englischen zu schaffen.

Die Richtigkeit dieser Erzählungen hat sich nie erweisen lassen, und die Forschung nimmt heute mit Recht an, daß Ramsay nichts Neues in die Welt setzen, sondern im Gegenteil zur Einfachheit mahnen wollte. Man hat aber vielfach übersehen, daß in der Ramsayschen Rede, die später seinem Großmeister zugeschrieben wurde - es war dies ein Urenkel der Marquise von Montespan, Louis de Pardaillan de Gondrin, Herzog von Antin (s. d.), der allen Anfeindungen zum Trotz, 1738 die Leitung der Großloge übernommen hatte andere, sehr viel wesentlichere Stellen enthalten waren. Folgendes wurde von Ramsay ausgeführt, der dabei teilweise Fénélon folgte:

"Die Welt ist eine Große Republik, in der jede Nation eine Familie und jeder Einwohner eines ihrer Kinder ist. Wir wollen alle Menschen von aufgeklärtem Geiste und guten Sitten vereinigen ... durch die erhabenen Grundsätze der Tugend, der Wissenschaft, der Religion, in welchen das Interesse der Brüderschaft zum Interesse des ganzen menschlichen Geschlechts wird ...
Wir haben unter uns drei Arten von Brr.: Novizen oder Lehrlinge, Gesellen oder Professoren, Meister oder Vollkommene. Den ersten erklärt man die sittlichen Tugenden, den zweiten die Tugenden der Heiden und den letzten die christlichen Tugenden, in der Art daß unsere Einrichtung die ganze Philosophie der Gefühle und die ganze Theologie des Herzens in sich schließt ...
Der Orden verlangt von jedem von uns eine rege Arbeit, die keine Akademie leisten kann...
Die Großmeister anderer Länder vereinigen alle dem Bunde angehörenden Weisen und Künstler, um Material zu einem universellen Handbuch zu sammeln, das alle freien Künste und Wissenschaften umfassen soll, Theologie und Politik ausgenommen. Man hat ein solches Werk in England bereits begonnen.
Durch Zusammenwirken unserer geeigneten Brr. könnte da in wenigen Jahren etwas Ausgezeichnetes zustande kommen... Man wird so schließlich die Weisheit aller Nationen in einem einzigen Werk vereinigen, einer Universalbibliothek alles dessen, was an Gutem, Großem, Leuchtendem und Nützlichem in Kunst und Wissenschaft existiert..."

Der Erfolg dieser Rede blieb nicht aus. Freimaurer warben für die Idee, die hier geboren war: eine Enzyklopädie zu schaffen, die geeignet sein müsse, die Welt mit einem neuen Geist zu erfüllen. Schon 1741, fünfzig Jahre vor der französischen Revolution, wurde in der Rede aber auch der rein geistig gemeinte Gedanke einer universellen demokratischen Republik und der Vereinbarkeit kosmopolitischen Denkens mit patriotischem Empfinden ausgesprochen. Ein heftiger Gegner der Freimaurerei, Larudan, Verfasser der"Franc Maçons écrasés" (irrtümlich Abbé Perau zugeschrieben), kommentierte die Rede als deren Prinzipien er neben der Brüderlichkeit: "Gleichheit und Freiheit" bezeichnete. Das war vielleicht das erstemal, daß und dazu von einem Gegner der Königlichen Kunst die Devise ausgesprochen wurde, die bald wirklich die der französischen Freimaurerei werden sollte: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit".

Das Chaos der Hochgrade

Als der Herzog von Antin starb, gab es in Frankreich mehr als 200 Logen. 1743 wurde ein neuer Großmeister gewählt: Louis de Bourbon, Graf von Clermont. Dieser stand aber lange als Feldherr in Flandern und anderwärts, konnte sich um die Vorgänge in den Logen wenig kümmern und überließ bald alles seinem Stellvertreter, dem Finanzier Baure, dem aber Autorität mangelte. Mittlerweile hatte sich die Zahl der bürgerlichen Elemente vermehrt. Der Gebrauch von Degen, der in das Ritual eingeführt wurde, sollte die Gleichheit symbolisieren, wie diese schwächlichen Jünger eines großen Werkes sie auffaßten. Dem gleichen Zweck diente die Übung, die Aufzunehmenden in Anlehnung an das englische "Gentleman" als "Gentilhommes" zu bezeichnen. Aber ein Großteil der adligen Freimaurer war für diese Gleichheit nicht eingenommen. Ungesunde Sucht, in der Loge ebenso wie im profanen Leben mehr gelten zu wollen, machte sich breit. Bei manchen spielte allerdings auch das Streben eine Rolle, sich gewisser Elemente zu entledigen, die auf irreguläre Weise in die Logen gekommen waren, die eine der wie Pilze aus dem Boden schießenden "Verräterschriften" gelesen hatten und sich auf Grund der so erlangten Kenntnisse als Freimaurer ausgaben. So entstand jene Periode, in der aus "Gentilhommes" alle möglichen "Chevaliers", Ritter, wurden, indem man auf die drei ursprünglichen Grade höhere Grade aufsetzte und eine bunte Fülle neuer freimaurerischer Systeme in der Weise schuf, daß man die Ritterorden des Mittelalters zu Vorfahren der Freimaurer werden ließ und die schlichte Bausymbolik gewaltsam ummodelte.

Als erster höherer Grad entstand der "Schottische Meister", der "Maitre Ecossais", der schon 1742 erwähnt wird. Zahlreiche andere Grade folgten, die alle unter dem Sammelbegriff "Schottische Maurerei" segelten, ohne mit Schottland etwas zu tun zu haben, Grade, in denen bald die Hiramlegende weitergesponnen wurde, bald an Stelle des getöteten Baumeisters der hingerichtete letzte Templer Großmeister Jacques de Molay trat, bald Karl I. (Stuart) geisterte, Systeme auch, die mit des letzteren Nachfolgern und ihren Anhängern, den Stuartisten, Jakobiten in Zusammenhang gebracht wurden, in denen "Unbekannte Obere" umgingen. Dazu kamen Riten, die auf den in breiten Schichten herrschenden mystischen Neigungen, auf katholischer Ideologie, auf Rosenkreuzertum aufgebaut waren, die die Logen zu Sanktuarien okkultistischer Bestrebungen machten, geheimes Wissen um letzte Dinge, Offenbarungen, "die Wahrheit zu besitzen vorgaben, hermetische Wissenschaft betrieben (s. Okkultistische Maurerei).

Da waren, um Ragon folgend nur einige dieser Systeme aufzuzählen: die "Elus" (Auserwählten) von Lyon, die "Perfektionslogen", Bordeaux, das "Kapitel von Arras", das, einer lange aufrechterhaltenen Legende zufolge, von Karl Eduard Stuart gegründet sein sollte, die "Ecossais fidéles de la Vieille-Bru", Toulouse, die "Schottische Mutterloge", Marseille, die "Mutterloge des großen französischen Globus" und das "Kapitel von Clermont", beide in Paris die "Souverainen Kommandeure des Tempels", Carcassonne, die "Kaiser von Osten und Westen", die "Noachiten", der "Contrakt Social", der "Schottische Philosophische Ritus", die "Philaleten", die "Auserwählten Cöens", die "Martinisten" usw.

Zahlreiche Systeme führten auf Abwege, die mit dem eigentlichen Inhalt der Freimaurerei nichts zu tun und die betrüblichsten Spaltungen im Gefolge hatten. Man täte aber der französischen Freimaurerei des 18. Jahrhunderts Unrecht, wenn man sie nur auf Grund dieser Erscheinungen und der daraus resultierenden Schismen werten wollte. Man muß vielmehr anerkennen, daß, wenn sich auch stets zwei Lager gegenüberstanden, die aus äußerlichen Gründen nicht zusammenfanden, doch mit der Zeit sehr fruchtbare Arbeit geleistet wurde. 1756 gab sich die "Grande Loge Anglaise de France" eine neue Verfassung und wurde zur "Grande Loge de France".

In der folgenden Zeit gesellte der Großmeister Graf Clermont seinem Stellvertreter Baure einen zweiten Substituten in der Person des Tanzmeisters Lacorne Stuhlmeisters der Loge "Trinité", an dem manche wegen seiner bürgerlichen Herkunft Anstoß nahmen. Zwischen den "Lacornards" und ihren Gegnern gab es bald heftigen Streit. Lacorne wurde 1762 durch Chaillon de Jonville ersetzt; 1765 kam es zu Ausschlüssen einer Palastrevolution, die im folgenden Jahr ihre Fortsetzung fand. 1767 wurde die Tätigkeit der Großloge nicht die der Logen auf Veranlassung des Königs vorübergehend eingestellt. Vier Jahre später 1771 starb der Großmeister Graf Clermont.

Die Gründung des Grand Orient

Unter den Männern, die nun die Führung in die Hände nahmen, begann der Aufschwung. Nicht durch das Verdienst des neuen Großmeisters, den Clermont vor seinem Tode designiert hatte. Dieser, Herzog Louis Philipp von Chartres, später von Orléans (s. d.), bekümmerte sich im Grunde nicht mehr als sein Vorgänger um das ihm von den vor seiner Wahl auf kurze Zeit versöhnten Gruppen einhellig anvertraute Kleinod. Um so eifriger war sein Stellvertreter um die Freimaurerei bemüht, der zum Generaladministrator des Ordens bestellte Herzog von Montmoreney Luxembourg. Faktisch an die Spitze der französischen Freimaurerei gestellt, suchte er nach Kräften zu reformieren, die widerhaarigen Parteien zu einigen. Am 24. Mai 1773 wurde als Ergebnis dieser Bemühungen feierlich die Errichtung der "Grande Loge Nationale" (Grand Orient) proklamiert. Da aber viele nicht mittun wollten und die "Grande Loge" aufrechterhielten, war die Spaltung nicht zu beseitigen. Der Grand Orient freilich dominierte. 1774 bezog er das Novizenhaus der ausgewiesenen Jesuiten am Faubourg Saint-Germain. In den nächsten Jahren schlossen sich ihm eine Reihe der Schottischen Systeme an.

Hatten sich die bisherigen Konflikte und Unzukömmlichkeiten zu einem großen Teil daraus ergeben, daß der einmal gewählte Stuhlmeister unabsetzbar war, so führte man nun demokratische Grundsätze ein. Man schuf für den Großorient eine treffliche Verfassung, deren Prinzipien dann später in größerem Rahmen im positiven Werk der Revolution sich wiederfanden. Schon in einem Rundschreiben des Großorients vom Jahre 1775 wurde ein Gedanke ausgesprochen, der 16 Jahre später, in der "Deklaration der Menschenrechte", in dem Satze zum Ausdruck kam: "Das Gesetz ist der Ausdruck des Willens der Allgemeinheit!" Stolz sprach man von den "Bürgern der Freimaurer-Demokratie".

Freiheit und Gleichheit als Hauptpfeiler der französischen Freimaurerarbeit, als "köstliche Mitgift" der Freimaurer, als "Fundament des Ordens", wurden mehr und mehr betont. Daß das nicht nur Metaphern waren, zeigt sich in der Zusammensetzung der Logen, im Hereinströmen der großen Geister. Die Enzyklopädisten und andere Große fanden sich ein. Nach Montesquieu (s. d.) und Helvetius (s. d.) kamen Lalande (s d.), der große Erforscher der Gestirne, Condorcet (s. d.), der berühmte Mathematiker, und Lacépede (s. d.), der Musiker und Naturforscher, nach der Revolution Präsident des Senats und Großkanzler der Ehrenlegion. Sie gehörten der 1769 gestifteten Loge " Les Neuf Soeurs" (s. d.) an, die bald der Mittelpunkt der erleuchtetsten Köpfe war. Lalande war ihr erster Meister. Ihm folgte Benjamin Franklin (s. d.), damals Gesandter der dreizehn Vereinigten Staaten von Nordamerika in Paris. In dieser Musterwerkstätte des maurerischen Gedankens traf man den Grafen La Rochefoucauld (s. d.), der die amerikanischen Verfassungen in die französische Sprache übersetzte, den Grafen Milly von der Akademie der Wissenschaften, den berühmten Advokaten Elie de Beaumont (s. d.), der Voltaire im Kampf ums Recht zur Seite stand, Dupaty (s. d.), den dieser seinen "jungen Sokrates von Bordeaux" nannte, Deséze (s. d.), den glänzendsten Redner des Pariser Barreaus und Verteidiger Ludwigs XVI, vor dem Konvent, den Präsidenten der Provinzialkammer Dr. Guillotin (s. d.), den Marquis Lafayette (s. d.), den Seehelden des amerikanischen Befreiungskrieges Paul Jones (s. d.).

Da arbeiteten einträchtig zusammen Pastoret (s. d.), nach Franklins Ausspruch der größte Gelehrte seiner Zeit, Verfasser der "Geschichte der Gesetzgebung der alten Völker", Schöpfer des Pantheons und letzter Kanzler Frankreichs, der "französische Plutarch" Turpin, der Enzyklopädist d'Alembert (s. d.), die Maler Claude-Joseph Vernet und Greuze (s. d.), der Große Bildhauer Houdon (s. d.) und die Dichter Andre Chenier (s. d.) und Roucher. Neben Ihnen der Abbé Sieyes (s. d.), der Anwalt des dritten Standes und "Denker der Revolution", Camille Desmoulins, der Journalist Brissot, der berühmte Chemiker Foureroy (s. d.), einer der tatkräftigsten Organisatoren des öffentlichen Unterrichtswesens, u.v.a. Am bekanntesten neben dieser "Werkstätte der Philosophen" war die Loge "des grands Seigneurs", mit ihrer wirklichen Bezeichnung "Loge de la rue du Coq Héron". Aber auch in anderen französischen Logen leisteten bedeutende Männer freimaurerische Arbeit: Mirabeau (s.d.), Beauharnais (s.d.), Beaumarehais (s.d.),Joseph de Maistre (s. d.) der Marquis de Fénélon, die Herzoge von Choiseul (s. d.), Chamfort (s.d.), Masséna (s. d.), Beurnonville (s. d.), Abbé de Chaligny, Talleyrand. Gleich den " Neufs Soeurs" waren die Logen "Les Amis réunis", "Loge des 22", "Les chevaliers bienfaisants", "Candeur", "Rue de la Sourdiere", um nur diese zu nennen, Bauhütten der geistigen Elite.

Die höchsten Gedanken der Zeit waren diesen Brüdern geläufig. Die Freimaurerei wurde so zu einem Hauptorgan aller Geistesströmungen des 18. Jahrhunderts und verbreitete diese unter den Spitzen der Bourgeoisie des ganzen Landes, in einem Teil des Adels, aber auch unter den vielen Klerikern, die trotz der römischen Bannflüche im freimaurerischen Streben nichts sahen was dem christlichen Dogma zuwiderlief. Manchem dieser Freimaurer im Priestergewande bemerkenswerterweise mehr Ordensgeistliche als Weltpriester schien die freimaurerische Lehre von Gleichheit und Freiheit dem wahren Christentum sehr verwandt. Auch Voltaire (s. d.) wurde in den Bund aufgenommen. Am 17. Februar 1778 gab die Loge "Les Neufs Soeurs" in Gegenwart von 250 Brüdern dem Vierundachtzigjährigen das Licht.


Bisweilen machte sich in dieser Zeit die Freimaurerei auch im öffentlichen Leben bemerkbar. Freimaurer von Gewicht suchten den ärgsten Ausschreitungen der Justiz Einhalt zu gebieten. Der Advokat Elie de Beaumont trat zweimal vor die Richter, als Voltaire den Ruf nach Gerechtigkeit hatte ertönen lassen.

Vor allem im Falle des Protestanten Jean Calas, der in Toulouse unter der falschen Beschuldigung hingerichtet worden war, einen seiner Söhne ermordet zu haben, um dessen Übertritt zum Katholizismus zu verhindern. Die Ehre des Gemordeten wurde wieder hergestellt, sein Hab und Gut seinen Erben zurückgegeben.

Größeren Ruhm noch errang sein Logenbruder Dupaty, der alles aufs Spiel setzte, um eine Reform des grausamen Strafrechtes herbeizuführen. Noch war die Folter die Hauptwaffe der Untersuchung, wurde der kleinste Diebstahl eines Bediensteten unnachsichtlich mit dem Tode bestraft. Als im Jahre 1785 drei Bauern aus der Umgebung von Chaumont wegen angeblichen Diebstahls zum Tode verurteilt worden waren, griff Dupaty, unterstützt von einem anderen Freimaurer, Legrand de Laleu, ein. In einer 250 Seiten umfassenden Eingabe an den König stellten die beiden die Ungeheuerlichkeit des Vorgehens dar und verlangten, daß ein Gesetz geschaffen werde das solche Exzesse in Zukunft unmöglich mache. Dupaty brachte die Schrift, unterstützt von seiner Loge, in die Öffentlichkeit, indem er sie zugunsten der drei Unglücklichen verkaufte. Daraufhin wurde auf Betreiben des Generalanwaltes Séguierein Verfahren eröffnet.

Legrand de Laleu wurde wegen Verletzung der Standespflichten von der Advokatenliste gestrichen, die Denkschrift vom Scharfrichter den Flammen übergeben. Die Loge "Les Neufs Soeurs" trat für ihre Mitglieder ein, ließ deren Bilder öffentlich verteilen. Dupaty und Legrand ließen weitere Denkschriften erscheinen. Und schließlich siegten sie. Das dreifache Todesurteil wurde kassiert, der Prozeß an die erste Instanz zurückverwiesen. Dupaty, obwohl nicht Advokat, erhielt durch besondere Ermächtigung die Erlaubnis, die Angelegenheit der unschuldig Verurteilten zu vertreten. Sein Plädoyer, erfüllt von reinstem freimaurerischen Geiste, war eine flammende Anklage gegen das geltende Strafrecht; das Ergebnis: der Freispruch der Bauern. Dupaty und die mit ihm kämpfenden Freimaurer verhalfen in vier weiteren Prozessen der Gerechtigkeit zum Triumph. Dupaty veröffentlichte "Briefe über das Strafverfahren in Frankreich", die noch einmal alle seine Ideen zusammenfaßten. Ein königliches Dekret vom l. Mai 1788 stellte daraufhin eine allgemeine Reform des Strafrechtes in Aussicht. Im gleichen Jahr starb Dupaty. Der Freimaurer Pastoret setzte sein Werk fort.

In eine etwas frühere Zeit, ins Jahr 1773 Ludwig XV. saß noch auf dem Thron — fiel eine Große Rede des späteren Präsidenten des Kassationsgerichtshofes, Henrion de Pensey über die Rolle der Freimaurerei im Leben der Völker:

"Der wahre Freimaurer ist ein Hüter der Moral. Nur wer Sitten hat, ist würdig seines gleichen zu regieren... Die Sitten und die Gesetze sind die Säulen, auf denen das Wohlergehen der Menschheit beruht. Der Besitz der Moral kann Gesetze überflüssig machen, wo aber Sittenlosigkeit herrscht, sind die weisesten Verordnungen wertlos."

Diese Worte wurden in einem Zeitpunkt gesprochen in dem die Unmoral am Hofe und in manchen höchsten Kreisen ihren Gipfelpunkt erreicht hatte. Die Hindernisse, die die freimaurerische Arbeit noch immer erschwerten das Durcheinander der Hochgrade, der okkultistisch-alchimistische Unfug der vielen phantastischen "Systeme", die mit der Freimaurerei im Zusammenhang zu stehen vorgaben, vermochten also den echten Geist der symbolischen Baukunst nicht zurückzudämmen. Ebensowenig Schaden tat die Spielerei der "Adoptionslogen" (s. d.), von Beamten regulärer Bauhütten geleitete Vereinigungen, die ihre besonderen Rituale hatten und mehr mondän als philosophisch inspiriert waren, und in denen die großen Damen des Hofes wie die Prinzessin von Chartres und die Herzogin von Lamballe den Ton angaben.

Die Zeit der französischen Revolution

Es gab damals 629 Logen in Frankreich, davon 65 in Paris. Nicht alle standen auf gleicher Höhe aber viele von ihnen wetteiferten darin, die Grundsätze der Gerechtigkeit und Wahrheit zu vertreten, Gleichheit der Rechte, Freiheit und Bruderlichkeit in einem höheren Sinne zu predigen, die Beseitigung der ungerechten Privilegien und die Emanzipation der Menschheit zu fordern. Aber das heißt nicht, daß die sich vorbereitende Französische Revolution (s. d.) einer freimaurerischen Verschwörung entsprang. Alle Untersuchungen, ob in den Logen ein Komplott geschmiedet wurde, durch das dann die Volksleidenschaften bis zur Siedehitze entfesselt wurden, sind durchaus negativ ausgefallen.

Die Arbeit, die die französischen Freimaurer leisteten, war geistiger Natur. Man dachte daran, neuen schöneren Grundsätzen zum Durchbruch zu verhelfen. Aber es war in den Logen keine Rede davon das Regime beseitigen zu wollen. Die Brüder waren zumeist durchaus nicht republikanisch. 1782 richtete die Loge "La Candeur" ein Rundschreiben an alle Schwesterlogen, in dem sie aufforderte, auf gemeinsame kosten eine Fregatte auszurusten und sie dem König zum Geschenk zu machen, damit dieser das Schiff den amerikanischen Freiheitskämpfern zur Verfugung stellen könne. Nichts ist törichter als zu glauben, daß man an die Tötung des Königs auch nur zu denken gewagt hätte. Ein so bedeutender Katholik wie Joseph de Maistre (s. d.) erklarte 1793 in seinem "Memoire à Vignet des Etoles", daß die Freimaurerei als solche an den blutigen Geschehnissen ganz unschuldig sei. Die revolutionäre Propaganda habe umgekehrt einen zerstörenden Einfluß auf die Freimaurerei ausgeübt. Eine Feststellung, die später auch von dem berühmten Mounier (s. d.) dem Präsidenten der Konstituante vom 6. Oktober 1789, einem Nichtmaurer, vollinhaltlich bestätigt wurde.

Schon die Zusammensetzung der Logen hatte einheitliche Willensbildung ausschließen massen Neben Mannern, die dann die Bänke der Generalstande, der Konstituierenden Nationalversammlung füllten, standen an der Spitze von Bauhütten Geistliche, Aristokraten, hervorragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die durchaus nicht auf Sturz von Thron und Altar sannen und teils emigrierten, teils in den Revolutionsjahren unter das Beil kamen. Ludwig XVI. (s. d.) selbst hatte sich angeblich zum Freimaurer machen lassen. Gemeinsam mit seinen Brüdern, den Grafen Provences(s. d.) und dem Grafen Artois (s. d.). Am 1. August 1775 hatte man für sie in Versailles eigens zu diesem Zwecke "à l'Orient de la Cour" eine Loge "La Militaire des Trois Freres-Unis" gegründet. (Diese Feststellung von Louis Amiable wird neuerdings [1932] von Lantoine als unrichtig hingestellt.) Die Freimaurerei hat nichts unternommen, die Revolution zu organisieren. Sie gab Frankreich die These von der Einheit des Menschengeschlechtes, formulierte, von Franklin und Lafayette unterwiesen die Menschen- und Bürgerrechte. In ihrem Schoße wuchsen die "Ideen von 1789", Ideen die auch Kant, der kein Freimaurer, kein Revolutionär war, ausgesprochen hatte.

Aber was 1791 folgte, stand im denkbar schärfsten Gegensatz zu allen freimaurerischen Idealen, war eine entsetzliche Pervertierung der Absichten, von denen zu Beginn der Revolution die Männer der Generalstände geleitet worden waren. In diesen hatten Freimaurer in großer Zahl Sitz und Stimme. Was nicht verwunderlich erscheint wenn man sich vor Augen hält, daß die Denker, die Reformatoren, die populärsten und geachtetsten Bürger den Logen angehörten. In ihren "Cahiers" war wohl die Rede von aufbauenden Reformen, nicht jedoch von alles zertrümmernden Gewalttaten. Wenn all das entsetzliche Geschehen von den Freimaurern vorher bestimmt und beschlossen war, wer hat dann verfügt, daß auch so viele hunderte Freimaurer in dieser "Freimaurer-Revolution" die Guillotine besteigen mußten? Einer sprach es 1792 klipp und klar aus, daß ihm der freimaurerische Freiheitsbegriff zu wenig Realität war. Der Großmeister Philipp von Orleans (s. d.), jetzt "Philippe-Egalité", der sich mit dieser Begründung vom Orden lossagte und gegen die Freimaurerei im "Journal de Paris" eine öffentliche Erklärung erließ. Wäre der Großorient wirklich das gewesen, was beispielsweise der Abbé Barruel (a d.) von ihm behauptete, so hatten sich seine Pforten nicht 1792 geschlossen.

Die napoleonische Ära

Der Mann aber, der sie nach dem Kataklysmus wieder öffnete, Roëttiers de Monteleau (s. d.), kam geradeswegs aus dem Kerker.

Als der Großorient von Roëttiers reaktiviert wurde, folgten zunächst nur 18 Logen dem Rufe. Nach und nach fanden sich aber wieder die Freimaurer der alten Garde ein: Francois de Neufchateau, der Präsident des Senate Fontanes (s. d.), der Präsident der gesetzgebenden Körperschaft, Lacépede (s. d.), der Großkanzler der Ehrenlegion, auch Lalande und Pastoret kehrten in die "Kolonnen" zurück. Dazu gesellten sich nun die Männer um Napoleon (s. d.), von dem es nicht dokumentarisch feststeht, ob er selbst Freimaurer war, der aber sichtlich bestrebt war, das Freimaurertum vor seinen Wagen zu spannen. Seine Brüder Joseph, Lucien, Louis, Jérome, sein Stiefsohn Beauharnais (s. d.), sein Erzkanzler Cambacéres (s. d.), dessen "projet de code civil" die Grundlage zum Code Napoleon wurde, 22 Marschalle von F., unter ihnen — neben Massena (s. d.) und Beurnonville (s. d.) Kellermann (s. d.), Bernadotte (s. d.), Ney (s. d.), Maedonald (s d.), waren Freimaurer und auf des Kaisers Wunsch zumeist hohe Funktionäre des Ordens. Das Interesse bei Hofe wurde nicht von allen Freimaurern gerne gesehen. Nicht jeder schwärmte dafür, Glied einer "napoleonischen", "kaiserlichen" Freimaurerei zu sein.


Fortsetzung: Frankreich Teil 2


Ein Logenhaus im nordfranzösischen Lille, in der Rue Thiers: in dieser Umgebung ein einzigartiger und zugleich seltsam verschlossener Solitär mit einem Scheinbalkon, immer verschlossenen Fenstern, und oben einem altägyptischen Relief.
Die Menschen hasten vorbei und nehmen das Gebäude und seine Bestimmung praktisch nicht wahr. Foto: Basile.

Siehe auch

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