Rauher Stein

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"Rauher Stein" (Rough Ashlar) mit freundlicher Genehmigung von Cantonviadukt


Die Freimaurer verwenden viele Symbole in ihrem Brauchtum. Der 'rauhe Stein' steht für den Menschen, wie er ist, solange er nicht beginnt, an sich zu arbeiten. In der symbolhaften Sprache des überkommenen freimaurerischen Rituals ist der 'rauhe, also unbehauene, unbearbeitete Stein' damit auch das Symbol für den Freimaurer-Lehrling. In dieser Sprache ist der 'Stein' der einzelne Mensch, der sich zum Kubus zu wandeln hat, damit er beim symbolischen Tempelbau (die freimaurerische Utopie einer harmonischen Vereinigung aller Menschen als Brüder) als passender Teil in das Gesamtkunstwerk eingefügt werden kann. Der selbstkritische Freimaurer wird sich sein Leben lang als 'rauher Stein' begreifen, denn Vollkommenheit ist uns Menschen nun mal nicht unbedingt gegeben.

Stein, Rauher

Quelle: Lennhoff, Posner, Binder

(auch roher), (frz. Pierre brute, engl. Rough Ashlar), gilt in manchen freimaurerischen Systemen neben dem Kubischen Stein und dem Reißbrett als "Unbewegliches Kleinod" (s. d.). Er ist das Sinnbild der Unvollkommenheit und des Verstandes, vor allem aber des Lehrlings, des neu in den Bund Aufgenommenen, der, wie der Stein, der eben aus dem Steinbruch kommt, noch voll Unebenheiten ist; diese müssen verschwinden, wenn der Stein tauglich zum Bau werden soll. Wer nicht nur rein äußerlich Freimaurer sein will, muß darum bemüht sein, die Kanten und Ecken zu beseitigen, die seine Schwächen und Leidenschaften und üblen Gewohnheiten darstellen. Wer zur Freimaurerei kommt, ist noch keineswegs ein vollkommener Mensch. Die Erziehung in der Loge soll dazu dienen, den rauhen zum behauenen, zum kubischen Stein (s. d.) zu gestalten, an den erst das Winkelmaß gelegt werden kann.

Der rauhe Stein kommt schon in Prichards "Masonry Dissected" (1730) vor. Dort heißt es in den Fragen 46 und 47:

"Welches sind die unbeweglichen Kleinodien?"
Antwort: "Zeichenbrett, rauher Stein (rough ashlar) und Broached Thurnel" (s. d.).
"Wozu dienen sie?"
"... der rauhe Stein für die Gesellen, damit sie ihre Kleinodien darauf prüfen." (Rough ashlar for the Fellowcraft to try their Jewels upon.)

Seltsamen Deutungen des rauhen Steines begegnen wir in manchen Systemen des 18. Jahrhunderts: Melissino (s. d.) in Rußland war ganz im Banne der Alchimie, wenn er bei Erklärung des Teppichs im geistlichen (VII.) Grade sagte (etwa 1765):

"Der rauhe Stein ist das mineralische Elektrum, mit welchem wir die vollkommenen Metalle und Edelsteine kochen. Er enthält jenes Luftfeuer, von dem die Propheten reden.
Dieses war die Feuerwolke und die Feuersäule der Israeliten, das heilige Feuer der Hohenpriester, die Feuerwagen des Ezechiel und der, der Rauch und der Dunst, wovon der heilige Johannes in der ,Offenbarung' redet."

Die Stelle ist besonders darum interessant, weil sie einmal in dem Steine eine Kraftbegabung im Sinne des frühesten Steinkults annimmt, dann aber das im Steine schlummernde Feuer mystisch deutet. Die Tatsache weiter, daß, aus dem "chaotischen oder ersten Wasser, dem Ursprunge aller Wunder der Natur", das graue Salz entsteht, das mineralisches Elektrum genannt wird, umreist die Stellung des Steinsymbols bei Melissino noch deutlicher, denn damit wird der rauhe Stein zum ersten Schöpfungsprodukt, in welchem alles zu Schaffende im Keime verborgen liegt.

Bode (s. d.), einer der Hauptvertreter der "Jesuitentheorie", schrieb 1791:

"Die Steine sind zwar erst durch das Tempelherrensystem auf den Teppich gekommen, aber auf die Fortpflanzung dieses Ordens haben sie nur höchst gezwungenerweise Bezug.
Nehmen Sie aber den rauhen Stein für den Felsen, worauf nach der Lehre der Katholiken die allein seligmachende Kirche gebauet ist, den behauenen für den Schlußstein der Hierarchie oder die Kirche selbst, und den gespaltenen Stein für die Spaltungen in derselben, so haben Sie die wahre Deutung dieser Figur und einen Beweis mehr, daß die Strikte Observanz von unsichtbaren Händen geleitet wurde und geleitet werden sollte."

In der Strikten Observanz wurde, als zum II. Grad gehörig, ein roher, ein behauener und ein zertrümmerter Stein verwendet; man deutete sie als den unvollkommenen Anfang der Dinge wie auch des Ordens, als des letzteren glücklichen Zustand und endlich als die verschiedenen Änderungen, die der Orden erlitten hat im Laufe der Zeiten. (Vergl. E. Leonhardt, "Das Steinsymbol" in "Zirkelkorrespondenz" 1930.)


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