Das Rosenritual

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Die drei "Bruderrosen" - von Jens Rusch
Und drei ganz reale Rosen, die in einem Tempel auf ihren Einsatz im freimaurerischen Rosenritual warten.

Das Rosenritual

Einführung von Rudi Rabe

Das Rosenritual ist eine Verabschiedungszeremonie, mit der Freimaurer eines verstorbenen Bruders gedenken: Drei Brüder legen drei verschiedenfarbige Rosen feierlich auf den Sarg oder auf eine andere zeremonielle Unterlage. Dabei rezitieren sie Verse, die dem Gedicht "Nachruf" von Ludwig Uhland entlehnt sind. Das Ritual findet entweder logenintern in einer freimaurerischen Tempelarbeit statt oder öffentlich bei der Verabschiedung des Toten vor seiner Beisetzung oder Einäscherung.

In manchen Großlogen ist das Rosenritual darüber hinaus auch ein Element großer repräsentativer Tempelarbeiten, etwa am Jahresende, bei Jubiläen oder bei der Neuaufnahme von Brüdern. In diesen Fällen gilt das Gedenken nicht einem einzelnen Bruder, sondern allen verstorbenen Brüdern.

Der österreichische Freimaurer und Ritualforscher Franz Ernst hat sich systematisch mit dem Rosenritual und seiner Entwicklung auseinandergesetzt und dabei festgestellt, das Rosenritual (manchmal fälschlicherweise auch Rosenopfer genannt) ist viel jünger als andere freimaurerische Ritualelemente. In seiner heutigen Form ist es ein Kind der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und es scheint nur im deutschen Sprachraum üblich zu sein. Zwar gibt es auch in anderen Ländern feierliche Verabschiedungen bei Begräbnissen, doch das Rosenritual ist offenbar ein mitteleuropäischer Sonderbrauch.

Im Folgenden Text lässt uns Franz Ernst einen Blick in seine Forschungsergebnisse werfen. Wir danken ihm sehr herzlich dafür.

Gender-Hinweis: Wenn hier von Freimaurern und Brüdern die Rede ist, sind immer auch Freimaurerinnen und Schwestern gemeint. Wir bitten um Verständnis, dass wir die Lesbarkeit des Textes nicht durch ständiges Gendern beeinträchtigen wollen.


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Franz Ernst: Die Entstehung des Rosenrituals

◼️ Masonische Trauerfeiern gab es schon lange vor dem Rosenritual

1744: Erste Erwähnung freimaurerischer Trauerzeremonien in Frankreich

Die Schrift „Secret des Francs-Maçons“ äußert 1744 eine gerechte Empfindlichkeit darüber, dass die Freimaurer zu Paris nicht die Aufmerksamkeit gehabt hätten, ihrem heimgegangenen Großmeister einen Trauer-Gottesdienst zu widmen, gleich den Freimaurern in der Normandie:

“Diese haben in der Kirche der Jacobiner zu Rouen ein Traueramt angeordnet, und dasselbe nach ausgesendeter feierlicher Einladung geleitet. Die Brüder der sieben Logen zu Rouen erschienen in Trauerkleidern und beachteten dabei, so weit es die Umstände gestatteten, die Zeremonien des Ordens, indem sie bei dem Trauerzuge zu Dreien ging. Dieses wurde zur Ehre der Maurerei und zur Erbauung aller gläubigen Christen in der Normandie vollzogen.“

In den „Statuts dressés par la Resp. L. St. Jean de Jérusalem de l’Orient de Paris gouvernée par le très haut et très puissant Seigneur Louis de Bourbon Comte de Clermont, Prince du Sang, Grand Maître de toutes les Loges régulières de France, pour servir de Règlement à toutes celles du Royaume“ vom 24. Juni 1745 findet sich Folgendes:
:::Am Tage nach St. Johannis lässt der neue Meister einen Trauergottesdienst zur Ruhe der verstorbenen Freunde der Maurer abhalten, welchem alle Brüder in schwarzen Kleidern beiwohnen sollen. Die Loge trägt die Kosten für das Amt. … Wenn ein Bruder verstorben ist, begleiten alle andern seinen Leichenzug, mit einer Kerze in der Hand; die Loge soll ihm einen Trauergottesdienst halten, welcher von dem Schatzmeister bezahlt wird; letzterer trägt Sorge, den maurerischen Schmuck des Verstorbenen bei dessen Familie in Empfang zu nehmen.“

1757: Erste Erwähnung in Deutschland

Die erste in Deutschland gehaltene freimaurerische Trauerarbeit, von der wir Kenntnis haben, fand am 28. November 1757 in Hamburg statt. Die dabei gehaltene Rede ist gedruckt erhalten: „Elegie über das Absterben der Gemahlin des M. v. St. der schottischen Loge Judica, verlesen in der Trauerversammlung am 28. Nov. 1757 vom Br. Secr. und Redner Matth. Arn. Wodarch.“

In den „Allgemeinen Gesetzen der Loge Zur glücklichen Eintracht“ in St. Petersburg, einer Tochterloge der „Großen Königlichen Mutterloge zu den drei Weltkugeln“ in Berlin, aus dem Jahre 1763 findet sich folgende Bestimmung:

Beim Absterben eines Bruders sollen die Brüder drei Trauerlogen halten, nämlich in einem Monat zwei und im Folgenden eine. Jeder Bruder trägt alsdann entweder einen schwarzen Flor um den Arm oder ein schwarzes Band im Knopfloch. Die Unterlassung dieses wird mit fünf Kopeken bestraft. Einen höheren Grad der Liebe gegen den Verstorbenen wird es aber beweisen, wenn die Brüder beide Trauerzeichen in der Loge tragen.

Ab dieser Zeit wurden rituelle Trauerarbeiten in Deutschland besonders gepflegt. Georg Burkhard Kloß führt in seiner Bibliographie bis 1848 allein 218 an, und Reinhold Taute in seiner Bücherkunde 211 Reden und Arbeiten, die im Druck erschienen sind.

1817 erschienen die Schröder-Rituale in der Fassung von 1816 erstmals im Druck. Das darin enthaltene Ritual für die Trauer-Loge scheint der Vorläufer für die meisten heutigen Trauerrituale in Deutschland zu sein.

1778: Eine große „Trauerpracht“ bei Voltaires Tod in Paris

Die 1776 in Paris konstituierte „Loge des Neuf Soeurs“ erlebte am 7. Februar 1778 die Auszeichnung, Voltaire aufnehmen zu können. Benjamin Franklin, der damals die junge amerikanische Nation in Paris vertrat, hatte den großen Philosophen davon überzeugt.

Voltaire starb kurz darauf am 30. Mai 1778, und die Loge beging am 28. November sein Ehrengedächtnis. Lalande führte den Hammer (= der Vorsitzende), Franklin und Stroganoff waren die Aufseher (= die Unterstützer des Vorsitzenden), Lechangeux war der Redner (= der Hüter der Konstitution).

Zweihundert Trauergäste traten paarweise in tiefster Stille ein; die ersten Künstler der Hauptstadt übernahmen den musikalischen Anteil der Feier. Außerdem Madame Denis, die Nichte und Partnerin Voltaires, und die Marquise de Villette („la Belle et Bonne de Voltaire“).

Der Saal war durchgehend schwarz ausgeschlagen und nur durch wenige Lampen sparsam erhellt; an den Wänden waren ausgewählte Textstellen in Prosa und Versen aus den Schriften Voltaires.

Im Hintergrund des Saals stand ein (Schein-)Sarkophag. Nach dem einleitenden Vortrag des Vorsitzenden sprach zuerst der Redner der Loge und bald danach der Literat Nicolas Bricaire de La Dixmerie: Er trug eine Eloge auf Voltaire vor. Während der Verlesung verschwand auf ein Zeichen der „Sarkophag“, und man erblickte ein Bild, das Voltaires „Apotheose“ (göttliche Verherrlichung) darstellte. Danach trug der Poet Jean-Antoine Roucher ein Gedicht vor, in welchem der Vers „où repose un grand homme, un dieu doit habiter“ (wo ein großer Mann ruht, muss ein Gott leben), eine solche Bewegung hervorrief, dass er das Gedicht nochmals vorlesen musste. Schließlich legte Franklin den ihm von der Marquise de Villette überreichten Kranz im Namen der Loge zum Zeichen ihres brüderlichen Schmerzes auf das Cenotaphium (ein „Scheingrab“) nieder. Eine Agape schloss die Feierlichkeit.

◼️ 19. Jahrhundert: Zum ersten Mal Rosen

In den Ritualen aus dem 18. Jahrhundert habe ich keine Erwähnung von Rosen gefunden.

Hingegen spielten Rosen Anfang des 19. Jahrhunderts dann im Schröderschen Ritual für das Johannisfest zur Sommersonnenwende eine zentrale Rolle: Der Tempel ist strahlend erleuchtet und reich mit Rosen geschmückt. Der Zeremonienmeister hält eine Schale mit Rosenblütenblättern und für jeden Bruder einen Ansteckstrauß bereit mit drei Rosen in drei roten Tönungen.

In der Zusammenstellung dieser drei Johannisrosen werden die drei Farben nach Johann Gottfried Herder als Licht, Liebe und Leben gedeutet. Diese drei Worte stehen auch auf der Grabplatte Herders, umrahmt vom Ouroboros, einem alten Bildsymbol mit einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt und so mit ihrem Körper einen geschlossenen Kreis bildet. Das ist eine erste, wenn auch sehr vage Verbindung der Rosen mit dem Tod.

In Deutschland und Österreich gab und gibt es auch mehrere Logen, welche die drei Rosen in ihrem Namen tragen.

  • Die Loge „Zu den drei Rosen“ in Jena wurde um das Jahr 1762 gestiftet.
  • Die Loge „Anna Amalia zu den drei Rosen“ in Weimar wurde 1764 gegründet.
  • Die Freimaurerloge „Zu den drey goldenen Rosen“ wurde in Hamburg im Jahr 1768 gegründet und 1770 zur Loge „Zu den drei Rosen“.
  • Ebenso gab es eine Loge „Zu den drei Rosen“ in Rostock, ab 1820 eine Loge „Zu den drei Rosen im Walde“ in Sorau (heute Polen) und eine Loge „Zu den drei Rosen im Remstal“ in Schwäbisch Gmünd.
  • Schließlich in Österreich die Loge "Zu den drei Rosen" in Wien, gegründet 1970.

Mit Rosen als Ausdruck der Trauer haben diese Logenbezeichnungen aber nichts zu tun. Die Logen leiten ihre Namen sehr wahrscheinlich von den bereits damals üblichen drei Rosen oder Rosetten auf den Meisterschurzen ab.

◼️ 1831: Ludwig Uhland und die Rosen auf dem Grab seiner Mutter

Ludwig Uhland fotografiert in Frankfurt am Main, Talbotypie von Fritz und Julie Vogel, 1846

Jetzt nähern wir uns dem Rosenritual, wie wir es heute verstehen. Von Ludwig Uhland (1787 - 1862) stammt das Gedicht „Nachruf“, in dem fünf Rosen in den Farben rosa, dunkelrot und weiß auf das Grab seiner Mutter gepflanzt werden.

Nach den sehr gründlichen Bemühungen des Philologen und Germanisten Wilhelm Ludwig Holland kennt man die Entstehungszeiten fast aller Gedichte Uhlands bis auf den Tag genau. Die ersten fünf Teile dieses Gedichtes sind im Jahre 1831 entstanden, dem Todesjahr seiner Mutter Elisabeth; der sechste Teil im Jahre 1834.

Es handelt sich also um den Nachruf auf seine Mutter aus einer Zeit, in der Uhland nur mehr selten Gedichte schrieb. 1831 war er bereits Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Tübingen und 44 Jahre alt. Den größten Teil seiner Gedichte, etwa zwei Drittel, hat er vor 1815 verfasst. Später hatte er nicht immer Lust aufs Dichten, er unterzog sich dem nur, wenn er sehr bewegt war.

Und nun zu den Rosen in Uhlands „Nachruf“. Im vierten Teil des Gedichtes heißt es:

„Du warst mit Erde kaum bedeckt,
Da kam ein Freund heraus,
Mit Rosen hat er ausgesteckt
Dein stilles Schlummerhaus.
Zu Haupt zwei sanfterglühende,
Zwei dunkle niederwärts;
Die weiße, ewig blühende,
Die pflanzt’ er auf dein Herz.“

Am Grab der Mutter werden also fünf Rosen gepflanzt, zwei sanfterglühende am Kopfende, zwei dunkle am Fußende und eine weiße dort, wo das Herz schlug.

Die drei liturgischen Farben von Uhlands Rosen

Was bedeuten die drei Farben der Rosen? Es handelt sich um liturgische Farben. Ludwig Uhlands Großvater war Diakon und schließlich Professor für Theologie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen, und sein Vater war dort Universitätssekretär. Er stammte also aus einer evangelischen „altwürttembergischen Familie von bürgerlich-gelehrtem Zuschnitt“. Die Liturgie war ihm wohlvertraut.

  • Die sanft erglühenden Rosen: In einigen lutherischen Gemeinden wird zu den Sonntagen Gaudete (dritter Adventssonntag) und Laetare (dritter Sonntag vor Ostern) die Farbe Rosa aufgelegt. Der Sonntag Laetare steht in der Mitte der Fastenzeit und hat einen fröhlicheren, tröstlichen Charakter. Dies wird in der Tradition durch eine abweichende liturgische Farbe der Paramente ausgedrückt. Das Violett der Fastenzeit kann an diesem Tage zu Rosa aufgehellt werden, das österliche Weiß strahlt gewissermaßen schon hindurch. Für den Gaudete-Sonntag gilt das analog.
  • Die dunklen Rosen: Gemeint ist mit großer Wahrscheinlichkeit die liturgische Farbe violett. Das ist die Farbe für die Vorbereitungszeit auf hohe Christusfeste wie der Advent oder die Passionszeit vor Ostern. Da es aber keine violetten Rosen gibt, wurde diese Rose im Rosenritual dunkelrot.

Die weiße, ewig blühende Rose: Weiß ist die Farbe des Lichtes und wird zu den Hochfesten wie Ostern getragen. Es ist also die Farbe der Auferstehung und des ewigen Lebens. Weiß wird deswegen auch bei Bestattungen aufgelegt.


Die drei Farben stehen also in engem Zusammenhang mit Tod und Auferstehung. Und die Zahl Fünf, die sich aus den vier Ecken des Grabes und der Stelle des Herzens ergibt, entspricht auch den fünf Wundmalen Christi bei seinem Tod am Kreuz.

◼️ Langsam wandern die Rosen in das freimaurerische Trauerritual ein

Im Archiv der „Großloge von Österreich“ befinden sich Kopien einiger deutscher Rituale für Trauerlogen, in denen das Rosenritual in der heute üblichen Form enthalten ist. Diese Rituale sind jedoch keine genauen Abschriften von Ritualen aus der Mitte oder der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie es zunächst den Anschein hat, sondern neu bearbeitete Kollagen aus verschiedenen alten Vorlagen, die erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg neu geschrieben wurden.

In den originalen Texten dieser Rituale sind Rosen eingebaut, aber anders als heute. Im Trauerlogenritual der Großen Mutterloge des Eklektischen Bundes von 1851, neu aufgelegt 1871, werden drei nicht näher bezeichnete Rosen niedergelegt, aber mit einem sehr langatmigen und nicht sehr inspirierten Text. Im Meisterritual aus dem Jahr 1911 der Loge „Constantia zur Zuversicht“ in Konstanz, die unter dem Schutz der Großloge Zur Sonne in Bayreuth arbeitete, wird des verstorbenen Meisters mit der Niederlegung von drei Rosen gedacht, allerdings in den Farben rot, weiß und gelb, und das mit einem ungewöhnlich heroischen Text.

◼️ Und so entstand in Deutschland schließlich das Rosenritual, wie wir es heute kennen

Zu Haupt zwei sanfterglühende,
Zwei dunkle niederwärts;
Die weiße, ewig blühende,
Die pflanzt’ er auf dein Herz.

Das ist der schon oben zitierte zweite Teil der vierten Strophe aus dem Uhland-Gedicht. Diese poetischen Worte sind das Vorbild für die beim heutigen Rosenritual rezitierten Verse - nicht mit fünf Rosen, sondern nur mit dreien. Wirklich durchgesetzt hat sich dieses Ritual aber erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Und das auch nur im deutschen Sprachraum, was angesichts der Herkunft der Verse aus der deutschen Literatur auf der Hand liegt: In der deutschen Freimaurerei gibt es zwar viele englischen Einflüsse, umgekehrt aber kaum.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es fast keine schriftlich niedergelegten deutschsprachigen Rituale, die Nazis hatten alle beschlagnahmt oder vernichtet. Daher begann man in den Großlogen, die verlorenen Rituale aus der Erinnerung zu rekonstruieren.

Treibende Kraft der früher in zahlreiche Großlogen zersplitterten deutschen Freimaurerei war Theodor Vogel. Er war 1926 in die Schweinfurter Loge Brudertreue am Main aufgenommen worden, einer Loge der Großloge „Zur Sonne“.

Nach der Gründung der Vereinigten Großloge der Freimaurer von Deutschland (ab 1958 AFAM) im Jahre 1949 wurden unter Vogels Leitung ein Ritual für die Festlogenarbeiten geschrieben, das weitgehend auf den rekonstruierten Ritualen der Großloge „Zur Sonne“ in Bayreuth beruht, daneben aber auch Elemente aus dem Schröder-Ritual und dem Ritual der Großen National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln enthält.

In diesem Ritual folgen nach dem Abschnitt Eröffnung der Festarbeit Ritualbausteine für verschiedene Anlässe, darunter ein Baustein zum Totengedenken mit einer Rosen-„Niederlegung“, die der heute in Deutschland üblichen Form des Rosenrituals weitgehend entspricht.

Als Vorlage wurde ein Trauerritual aus den zwanziger Jahren verwendet. Damals war Alfred Seeberger mitverantwortlich für die letzte Revision der Rituale der Bayreuther Großloge „Zur Sonne“ vor dem Beginn des Naziterrors 1933. Diese Großloge war in Ritualfragen sehr liberal. Sie hatte bis dahin kein eigenes Ritual für Trauerarbeiten, und so verfasste Seeberger im Jahre 1927 ein neues, recht schauriges Trauerritual. Wahrscheinlich diente ihm ein älteres Ritual, in dem Rosen niedergelegt wurden, als Vorlage. Jedenfalls verband er die Rosenniederlegung mit dem Zitat aus Uhlands „Nachruf“, auch was die Farben der drei Rosen betrifft. Dieses Ritual aus den zwanziger Jahren benutzte dann Theodor Vogel als Basis für das Rosenritual zum Totengedenken.

Da die liturgische Bedeutung der Rosenfarben offenbar nicht bekannt war oder nicht verstanden wurde, finden sich in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts folgende Erläuterungen zur symbolischen Bedeutung der drei Rosen:

  • Die rote Rose sei das Sinnbild der Stärke und fordere uns auf Edles und sittlich Gutes nicht nur zu erkennen, sondern es auch zu tun.
  • Die rosa Rose versinnbildliche die Schönheit der Schöpfung, Wachsen und Hoffen.
  • Die weiße Rose weise auf das höchste Ziel menschlicher Vervollkommnung hin - die Weisheit.

Diese Erläuterungen sind ziemlich sicher ein nachträglicher Versuch, die unverstandenen liturgischen Farben aus Uhlands Rosengedicht mit freimaurerischen Begriffen zu verbinden.

1960 erschien die Rekonstruktion der damals noch verschollenen Schröder-Rituale durch Brüder der Hamburger Loge Absalom zu den drei Nesseln. Hier ist die Rosenniederlegung mit dem wortgetreuen Uhland-Zitat erstmals Teil des Rituals der Trauerloge in einem Schröder-Ritual. In Schröder Ritual von 1816 gibt es nichts Ähnliches.

◼️ Analog in Österreich und in der Schweiz

In der Schweiz haben die Logen der „Großloge Alpina“ große Ritualfreiheit. Es gibt also sehr unterschiedliche Freimaurerrituale. Das Rosenritual ist bei Trauerarbeiten ("Abdankungssfeiern") aber auch dort präsent, oft mit anderen Farben: so wird bei der Zürcher Loge "Catena Humanitatis" statt einer rosafarbenen Rose eine gelbe verwendet.

In Österreich ist das Rosenritual zum ersten Mal 1959 nachweisbar. In den Ritualen ersten Grades der “Großloge von Österreich“, die der damalige Großmeister Bernhard Scheichelbauer überarbeitet hat, ist ein Rosenritual, das dem deutschen von 1951 weitgehend ähnelt, Bestandteil des Totengedenkens bei der Johannisfeier.

1973 verfasste dann eine österreichische Ritualkommission unter Leitung des stellvertretenden Großmeisters Kurt Baresch ein neues Ritual für die Trauerarbeit mit der heute in Österreich üblichen Form des Rosenrituals. Dieses wurde etwas abgewandelt dann auch Teil des Rituals für die Rezeption neuer Brüder als besonders stimmungsvolles und eindrückliches Gedenken an die Brüder, die vor uns am Rauen Stein gearbeitet haben und die uns - wie wir Freimaurer sagen - „in den ewigen Osten“ vorausgegangen sind.

Österreichischer Text:

Zu Haupt die sanft Erglühende,
Die Dunkle niederwärts;
Die Weiße, hold erblühende, die leg ich Dir aufs Herz.



Das Gedicht „Nachruf“ von Ludwig Uhland mit allen sechs Strophen


Auch wenn die drei Rosen in den drei Farben Teil des freimaurerischen Rituals sind, eignen sie sich als letztes diskretes Zeichen der Zugehörigkeit und der Brüderlichkeit auch gut für öffentliche Begräbnisse von Freimaurern, so wie hier im Jahr 2020 beim Begräbnis des früheren österreichischen Großmeisters
Heinz Scheiderbauer in Wien.
Im Buch Ketten- und andere Sprüche der Freimaurerloge Akazia Winterthur 1826 bis 1930 wird ein altes Rosenritual wiedergegeben, das aber offenbar nicht aus dem Uhland-Gedicht abgeleitet wurde. Daraus könnte man schließen, dass Verabschiedungsrituale mit drei Rosen in früheren Zeiten durchaus üblich gewesen sind.
1.

Du, Mutter, sahst mein Auge trinken
Des ird’schen Tages erstes Licht;
Auf dein erblassend Angesicht
Sah ich den Strahl des Himmels sinken.
2.
Ein Grab, o Mutter, ist gegraben dir
An einer stillen, dir bekannten Stelle,
Ein heimatlicher Schatten wehet hier,
Auch fehlen Blumen nicht an seiner Schwelle.
Drin liegst du, wie du starbest, unversehrt,
Mit jedem Zug des Friedens und der Schmerzen;
Auch aufzuleben ist dir nicht verwehrt:
Ich grub dir dieses Grab in meinem Herzen.
3.
Verwehn, verhallen ließen sie
Den frommen Grabgesang;
In meiner Brust verstummet nie
Von dir ein sanfter Klang.
4.
„Du warst mit Erde kaum bedeckt,
Da kam ein Freund heraus,
Mit Rosen hat er ausgesteckt
Dein stilles Schlummerhaus.
Zu Haupt zwei sanfterglühende,
Zwei dunkle niederwärts;
Die weiße, ewig blühende,
Die pflanzt’ er auf dein Herz.“
5.
Zu meinen Füßen sinkt ein Blatt,
Der Sonne müd, des Regens satt;
Als dieses Blatt war grün und neu,
Hatt ich noch Eltern, lieb und treu.
O wie vergänglich ist ein Laub,
Des Frühlings Kind, des Herbstes Raub!
Doch hat dies Laub, das niederbebt,
Mir so viel Liebes überlebt.
6.
Die Todtenglocke tönte mir
So traurig sonst, so bang;
Seit euch geläutet ward von ihr,
Ist sie mir Heimathklang.


Siehe auch

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