Freimaurer-Ausstellung Wien 2017: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 25. Januar 2018, 09:14 Uhr

ONB-FM-Ausstellung-2017.jpg
Altbundespräsident Heinz Fischer bei der Eröffnung der Ausstellung am 22. Juni 2017. Er ist kein Freimaurer.

Freimaurer-Ausstellung Wien 2017

Die österreichische Freimaurerei floriert, in der Öffentlichkeit ist sie aber kaum präsent. Anders 2017: In diesem Jahr organisierte die Österreichische Nationalbibliothek mit Unterstützung der Großloge von Österreich eine Ausstellung. Titel: "300 Jahre Freimaurer: Das wahre Geheimnis."
Von Rudi Rabe.

Eröffnet wurde die Ausstellung am 22. Juni 2017 vom österreichischen Bundespräsidenten a. D. Heinz Fischer.

Aus der Ansprache des Altbundespräsidenten:

„Dass sich die Freimaurer mit der Aura des Geheimnisses umgeben wollen, steigert die Unsicherheit in ihrer Einordnung oder Beurteilung. Tatsache ist, dass die Freimaurerei in Österreichs Politik seit langer Zeit kaum in Erscheinung tritt. Sie ist auch kein Faktor des öffentlichen Lebens und selbst wenn den Freimaurern bisweilen vorgeworfen wird, dass sie im Hintergrund Macht ausüben, so weiß ich aus langjähriger Erfahrung, dass die Meinungsbildung im Bereich der Politik viel zu komplex ist, als dass ein diskreter Männerbund mit sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten und Interessen geheim aber effektiv die Fäden ziehen und überdurchschnittlich Macht ausüben kann."

"Was ich mir schon eher vorstellen kann, ist, dass zwar nicht die Freimaurer als solche Macht ausüben, aber einzelne Mitglieder einer Freimaurerloge Einfluss haben. Aber das trifft für viele Organisationen und Vereinigungen zu."

"Ich bin überzeugt, dass eine Ausstellung unter dem Titel ‚300 Jahre Freimaurer – das wahre Geheimnis’ dazu beiträgt, zum Thema der Freimaurerei sachliche Informationen zu geben, Fakten auf den Tisch zu legen, Mythen zu entmythologisieren und Wahres von Erfundenem nach besten Kräften zu trennen.“


Vor der feierlichen Eröffnung eine Pressekonferenz im Prunksaal der Nationalbibliothek, in dem die Ausstellung aufgebaut ist. Der Saal ist aus dem frühen 18. Jahrhundert und damit gleich alt wie die moderne Freimaurerei. 80 Meter ist er lang und 20 Meter hoch mit einer Kuppel in der Mitte. Auf meterhohen Regalen stehen 200.000 kostbare Bücher.
Auf dem Foto mit der Pressekonferenz sind zu sehen: in der Mitte Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Nationalbibliothek; rechts Ausstellungs-Kurator Christian Rapp; links Georg Semler, Großmeister der Großloge von Österreich.
(1) Zwei Freimaurer: Porzellangruppe nach einem Entwurf von Johann Joachim Kaendler, um 1740; aus den Beständen der Großloge von Österreich.
(2) Tempel mit einem Medaillon des Kaisers Franz Stephan von Lothringen; Kupferstich von Jac. Mercorus, um 1780.
(3) Szenenbild aus Mozarts ‚Zauberflöte’, 1. Akt, 18. Auftritt: „Es lebe Sarastro“. Kolorierter Kupferstich von Joseph Schaffer; um 1794.
(4) Angelo Solimann.
(5) Julius Tandler, Wiener Gesundheitsstadtrat, 1931 beim rituellen Ankick zur Eröffnung des großen Fussballstadions. Foto: Lothar Rübelt
(6) Josef Bick, Generaldirektor der Nationalbibliothek (4.v.l.), u.a. mit Bundeskanzler Johann Schober (3.v.l.) 1931 bei der Gründung des Esperantomuseums.
(7) Untertitel: Eine Untersuchung über Ursprung und Endziele des Weltkriegs. Ausgabe 1919. - Auf dem Titelbild sind unter anderem zu sehen: der britische Premier Lloyd George (links), der tschechoslowakische Ministerpräsident Karel Kramár (Mitte), US-Präsident Woodrow Wilson, der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau und der deutsche Reichskanzler Gustav Stresemann (zweite Reihe).
(8) Der Mordprozess gegen den „Juden Bauer“; 1931
(9) Clown Habakuk (Arminio Rothstein) mit Kasperl und Mimi; 1985. Foto: ORR/Andreas Friess
(10) Alexander Giese als Großmeister, Gemälde von Herbert Stepan, 1988; Foto: Großloge von Österreich.
FM-Ausstellung-Wien-1992.jpg

Ein Blick von außen:
Ausstellungskurator Christian Rapp

Dr. Christian Rapp ist Kulturwissenschaftler und Berater zahlreicher Kultureinrichtungen; er ist kein Freimaurer.

Wir danken ihm für den folgenden Text, in dem er seine Vorstellungen von der Freimaurerei und ihrer Geschichte darlegt. Ebenso für das daran anschließende Interview, das wir mit Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek ihrem Publikums-Magazin Nr. 1/2017 entnommen haben.

Bilder rechts:
Eine kleine Auswahl dessen, was in der Ausstellung zu sehen ist.

1717

In diesem Jahr wurde der Überlieferung nach die Großloge von England gegründet: Damit beginnt die Geschichte der modernen Freimaurerei, die seitdem aus der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte nicht mehr wegzudenken ist. In der Ausstellung „300 Jahre Freimaurer: Das wahre Geheimnis“ präsentiert die Österreichische Nationalbibliothek einen Blick hinter die Kulissen dieser ebenso bekannten wie geheimnisvollen Bruderschaft. Über 150 einzigartige Objekte und zahlreiche Installationen und Medienstationen lassen im Prunksaal ihre Geschichte, ihre oft kontroverse öffentliche Wahrnehmung und so bekannte Freimaurer wie Wolfgang Amadeus Mozart oder den früheren Wiener Bürgermeister Helmut Zilk Revue passieren.

Die Exponate der Ausstellung stammen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek, den Archiven der Großloge von Österreich, dem Museum der Großloge von England sowie weiteren in- und ausländischen Sammlungen.

Die Anfänge in England

England hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine lange Zeit der Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten und Machtkämpfe zwischen König und Parlament hinter sich. Zum Abbau der Feindseligkeiten trug eine neue Geselligkeitskultur bei, an der Bürger und liberale Adelige gleichermaßen teilhatten. Einer der neuen Begegnungsorte war durch besonders strenge Aufnahmeregeln gekennzeichnet: die Loge der Freimaurer. Diese Abgrenzung nach außen ermöglichte es ihnen, sich innerhalb der Loge trotz aller Standesunterschiede auf Augenhöhe zu begegnen – für die damalige Zeit eine Sensation (Bild 1).

Der Überlieferung nach gründeten vier dieser Logen am 24. Juni 1717 ihre erste Dachorganisation: die Großloge von England. Damit begann die Geschichte der modernen Freimaurerei, einer Bewegung, die schon seit ihrer Frühzeit die Fantasie ihrer Gegner durch ihre strengen Aufnahmebedingungen sowie durch ihre Rituale und Symbole beflügelte.

Eine Bewegung, die aber auch nicht frei von Widersprüchen war und ist: Freimaurer verstehen sich als Vorkämpfer für Freiheit und Gleichheit und doch „zelebrieren“ den Großlogen angegliederte Gruppen in sogenannten Hochgradsystemen geradezu die Ungleichheit ihrer Mitglieder. Auch schließt die weltweit dominierende Spielart der Freimaurerei englischer Tradition bis heute Frauen von ihrer rituellen Arbeit aus. Die Freimaurerei zieht politisch engagierte Menschen an, ist aber keine politische Bewegung. Ihre Mitglieder haben oft aufgrund ihrer bürgerlichen Berufe Einfluss, aber als Freimaurer üben sie – allen Verschwörungstheorien zum Trotz – keine politische Macht aus.

Sie befassen sich mit spirituellen Inhalten, sind aber keine Religionsgemeinschaft. Vernunft und Redlichkeit sind ihnen wichtig, gleichzeitig haben sie eine große Vorliebe für Symbole und pflegen mitunter ein esoterisches Geschichtsbewusstsein: Die Logenbrüder sehen sich symbolisch als Nachfolger der mittelalterlichen Steinmetze (Masons) und ihre Logen als neue Form jener alten Bauhütten (Lodges), die einst die Kathedralen errichtet hatten; sie zählen aber auch die Priester im alten Ägypten, die Anhänger des Pythagoras, die Tempelritter der Kreuzzüge und die ersten wissenschaftlichen Gesellschaften wie die Royal Society zu ihren Vorläufern.

Eine Idee breitet sich aus

In den 1730er-Jahren breitete sich die Freimaurerei auf dem europäischen Kontinent aus. Auch Franz Stephan von Lothringen, der zukünftige Gemahl von Maria Theresia und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, gehörte den Freimaurern an. Er wurde 1731 in Den Haag aufgenommen und bald darauf in England zum Meister erhoben. Mehr weiß man nicht von seiner Laufbahn als Freimaurer, aber die Engländer konnten nun einen mächtigen Thronanwärter zu ihren „Brüdern“ zählen (Bild 2).

Im Lauf des 18. Jahrhunderts erweiterte sich das soziale Spektrum. Immer häufiger bestimmten Beamte, Offiziere, Unternehmer und Künstler das Logengeschehen. Manche von ihnen sahen in den Logen einen Ersatz für wissenschaftliche Akademien, für andere zählten Geselligkeit oder spirituelle Erfahrungen in einem Zeitalter, das sich so explizit der Vernunft verschrieben hatte.

Mit der Gründung der Loge „Zur wahren Eintracht“ im Jahr 1781 begann in Österreich eine Blütezeit der Freimaurerei, deren Ideen unter Kaiser Joseph II. so etwas wie allerhöchste politische Anerkennung erlangten. Zu den prominentesten politischen Vertretern in dieser Zeit zählten die Reformer Ignaz von Born und Joseph von Sonnenfels, der die treibende Kraft hinter der Abschaffung von Folter und Todesstrafe war. Der prominenteste Freimaurer der Loge war aber mit Sicherheit Wolfgang Amadeus Mozart.

Mozart, Soliman und die „wahre Eintracht“

Wolfgang Amadeus Mozart trat 1784 der Loge „Zur Wohltätigkeit“ bei, besuchte aber auch regelmäßig die Loge „Zur wahren Eintracht“. Er war von den Freimaurern derart überzeugt, dass er seinen Vater Leopold und Joseph Haydn zum Eintritt in den Bund veranlasste. Mozart widmete den Freimaurern sogar eine Reihe seiner Werke: etwa „Die Maurerfreude“ zu Ehren Ignaz von Borns und die„Gesellenreise“, komponiert wahrscheinlich aus Anlass der eigenen Beförderung.

Mozarts wohl berühmteste Oper, „Die Zauberflöte“, gehörte nicht dazu, wurde aber gerne im Zusammenhang mit der Freimaurerei interpretiert. Die in der Ausstellung gezeigten Kupferstiche aus dem Jahr 1794 sind die ältesten Szenenbilder der „Zauberflöte“, die sich erhalten haben. Sie geben vermutlich eine Inszenierung in Brünn wieder. Im 18. Auftritt des ersten Aktes fährt Sarastro auf einem von Löwen gezogenen Triumphwagen auf die Bühne und wird von einem Chor feierlich begrüßt (Bild 3). Im 19. Jahrhundert entstand die Legende, dass Mozart in der Gestalt des Sarastro dem von ihm tief verehrten Ignaz von Born ein Denkmal setzen wollte.

Ein weiterer prominenter Freimaurer dieser Zeit war Angelo Soliman (Bild 4). Nachdem Soliman im 18. Jahrhundert als Kind in Afrika versklavt und nach Europa verschleppt wurde, hatte er in mehreren Fürstenfamilien die Funktion des Dieners inne. Aufgrund seiner umfangreichen Sprachkenntnisse stieg er sogar zum Prinzenerzieher auf. Im Alter von 60 Jahren fand Soliman Aufnahme in die Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“ und wurde innerhalb von nur vier Wochen in den Meistergrad erhoben. Seinem Dienstgeber Fürst Wenzel von Liechtenstein konnte er innerhalb der Loge als Bruder im Sinne zeremonieller Gleichheit begegnen, außerhalb der Loge galten jedoch weiterhin die strengen Standesunterschiede: Soliman ging stets zu Fuß hinter jener Kutsche, die den Fürsten zurück zum Palast brachte, in dem beide wohnten.

Arbeit im Verborgenen

Das rasche Wachstum der Freimaurerei endete 1785 durch eine Verordnung des Kaisers Joseph II.: Um den Wildwuchs an Alchemisten und Mystikern einzubremsen, wurden Freimaurer-Logen unter staatliche Kontrolle gestellt, andere „Geheimgruppen“ grundsätzlich verboten.

Die Französische Revolution 1789 machte ihre Lage nicht besser, denn manche hielten die Freimaurer für die Drahtzieher hinter der Revolution. In den 1790er Jahren wird die Freimaurerei in Österreich unter Kaiser Franz II. de facto eingestellt. In Folge wurden rituelle Objekte versteckt und viele Brüder wendeten sich von der Freimaurerei ab. Manche wirkten im Verborgenen, gründeten harmlos anmutende Rittervereine oder legten in Gartenanlagen freimaurerische Tempel und Grotten an.

In der Euphorie des Revolutionsjahres 1848 wurde zwar für kurze Zeit wieder eine Loge gegründet, doch die Hoffnung auf eine neue Ära der Toleranz erfüllte sich nicht: Nach der Niederschlagung der bürgerlichen Revolution blieb die Freimaurerei in den österreichischen Kronländern verboten. Ungarn aber erhielt nach dem „Ausgleich“ von 1867 ein liberaleres Vereinsrecht, wodurch die Behörde keine Kontrollorgane zu Vereinssitzungen entsenden durfte. Deshalb gründeten österreichische Freimaurer jenseits der Grenze, in Sopron und Bratislava, sogenannte Grenzlogen, während sie in Wien weiterhin nur „unpolitische Vereine“ betrieben.

Neuer Aufbruch in der Zwischenkriegszeit

Als mit dem Untergang des Habsburgerreiches in Österreich wieder Logen gegründet werden durften, vervielfachte sich die Zahl der Mitglieder. Obwohl die Sozialdemokratie den Freimaurern durchaus skeptisch gegenüber stand, schlossen sich nach 1918 einige Vertreter des „Roten Wien“ der Bewegung an. Julius Tandler etwa sah in den Projekten der Sozialdemokratie die Umsetzung alter Ideen des Freimaurerbundes. Ferdinand Hanusch war Bruder und Meister vom Stuhl der Loge „Lessing zu den Drei Ringen“ und ab 1922 Großbeamter der Großloge von Österreich (Bild 5).

Auch unter den Konservativen gab es bedeutende Freimaurer wie etwa den langjährigen Generaldirektor der Nationalbibliothek, Josef Bick (Bild 6). In seiner Person vereinigten sich jedoch zahlreiche Widersprüche jener Zeit: So machte er sich in den 1920er-Jahren zwar um die internationale Ausrichtung der Bibliothek verdient (unter ihm wurde etwa das Esperantomuseum eröffnet), er war aber auch Mitglied in der antimasonischen und antisemitischen „Deutschen Gemeinschaft“. 1921 wurde er in die Wiener Loge „Fortschritt“ aufgenommen, angeblich, um einigen Brüdern zu helfen, diese „judenrein“ zu machen.

Die Gegner werden stärker

Gegner der Freimaurer machten die „jüdisch unterwanderten“ Logen für alle möglichen Katastrophen verantwortlich – von der Oktoberrevolution über den Zusammenbruch der Monarchien bis zur Wirtschaftskrise.

Auch am Ausbruch des Ersten Weltkrieges sollen die Freimaurer Schuld tragen, zumindest sah das Friedrich Wichtl so, ein Jurist und Abgeordneter der österreichischen Nationalversammlung. In seinem Pamphlet „Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublik“ (1919), das auch in der Schau zu besichtigen ist, bezichtigte er die französische Freimaurerei, Schuld am Ausbruch des Kriegs zu tragen (Bild 7). Sie sollen hinter der Ermordung von Franz Ferdinand in Sarajevo stecken und auch davor beim Selbstmord von Kronprinz Rudolf ihre Hand im Spiel gehabt haben.

„Der Mordprozeß gegen den Juden Bauer“

In der Zwischenkriegszeit kam es zu einem aufsehenerregenden Prozess gegen den „Juden Bauer“, wie der Kaufmann Gustav Bauer am ausgestellen Plakat genannt wird. Im Frühjahr 1931 wurde ihm vorgeworfen, einige Jahre zuvor seine Geliebte im Lainzer Tiergarten ermordet zu haben. Trotz zahlreicher Indizien für seine Schuld konnte kein endgültiger Beweis erbracht werden, weshalb er freigesprochen wurde.

In klerikalen und völkischen Zeitungen wurde nun behauptet, der Freispruch habe vor allem damit zu tun, dass es unter den Geschworenen Verbindungen zu Freimaurern gebe. Der ebenfalls auf dem Plakat als Redner genannte Walter Riehl war eine Schlüsselfigur des frühen österreichischen Nationalsozialismus: Beim Schattendorf-Prozess war er Verteidiger jener Angeklagten, die bei einer Demonstration des sozialdemokratischen Schutzbundes 1927 zwei Menschen erschossen hatten (Bild 8).

Alle diese politischen Spannungen mündeten schließlich im „Anschluss“ 1938: Die Nationalsozialisten verfolgten ab nun alle Freimaurer, deportiert und ermordet wurden jüdische und deklariert regimekritische Mitglieder.

Freimaurerei nach 1945

Das Kulturleben Österreichs war in der Nachkriegszeit von den Folgen des Nationalsozialismus und einem konservativen Katholizismus geprägt. In diesem schwierigen Umfeld erlebte die Freimaurerei eine neue Blütephase. Viele Kreative schlossen sich dem Bund an, um einander in den Logen jenseits von Parteiendünkel und Ideologien begegnen zu können.

Besonders viele waren im neuen Medium Fernsehen tätig, beispielsweise Ernst Hagen (Erfinder des „Seniorenclubs“), Kuno Knöbl (Erfinder des „Club 2“), Herbert Prikopa (Moderator der Kindersendung „Auch Spaß muss sein“) und Arminio Rothstein, besser bekannt als Clown Habakuk (Bild 9). Für ihn, der während des Krieges gezwungen war, sich mit seinem jüdischen Vater in einem Keller vor den Nationalsozialisten zu verstecken, bot die Freimaurerei einen wichtigen sozialen und spirituellen Anker.

Ein weiterer bekannter Freimaurer war Helmut Zilk, Mitglied der Wiener Loge „Libertas“, ab 1967 Fernsehdirektor des ORF, danach Unterrichtsminister und schließlich bis 1994 Bürgermeister von Wien. Alexander Giese, der am ausgestellten Bild durch Schärpe, Bijoux, Schurz, weiße Handschuhe und den zweiköpfigen Hammer als Freimaurer erkennbar ist, war von 1975 bis 1987 Großmeister der Großloge von Österreich und stand bis zu seiner Pensionierung 1983 der Wissenschafts- und Bildungsabteilung des ORF-Fernsehens vor, wo er u. a. die Kulturberichterstattung forcierte (Bild 10).

Freimaurerei heute

Heute ist die Bruderschaft fast weltweit vertreten, aber in verschiedene Systeme und Gruppierungen gespalten. In Österreich gibt es aktuell 78 Logen der "Großloge von Österreich" mit etwa 3.600 Mitgliedern. So wie die Logen steht auch ihre Dachorganisation, die Großloge, im Vereinsregister, letztere kann über ihre Website www.freimaurerei.at kontaktiert werden.

Zu ihren bekanntesten Symbolen gehören Zirkel und Winkelmaß. Der Zirkel steht für den Kreislauf des Lebens und zugleich für die Unendlichkeit, da ein Kreis weder Anfang noch Ende hat. Der rechte Winkel steht für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, für eine redliche und vernünftige Handlungsweise, die in der österreichischen Freimaurerei ihre spezifische Ausformung im „Baustück“, einem kurzen Vortrag, in jeder Logenarbeit findet.

Freimaurer zählen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität zu ihren Grundsätzen. Mit dem Beitritt zu einer Loge verpflichtet sich jeder Bruder, diese Werte nach bestem Wissen und Gewissen zu leben. Freimaurer streben außerdem nach Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung und Selbstveredelung, denn in ihren Augen kann die Welt nur dann menschlicher werden, wenn jeder an seiner eigenen Humanität arbeitet und das wahre Geheimnis zu ergründen versucht: den Menschen.



Interview mit Christian Rapp
aus dem ÖNB-Magazin Nr. 1/2017

Herr Dr. Rapp, sind Sie Freimaurer?

Nein, bin ich nicht. Aber ich gebe gern zu, dass ich mich für die Bewegung schon lange interessiere. Weil sie seit 300 Jahren zur Geschichte Europas dazugehört und weil sie seit einigen Jahren wieder in den Fokus von Weltverschwörern gerückt ist.

Was mich fasziniert, sind die Vielfalt der Freimaurerei, aber auch ihre inneren Widersprüche: Einerseits verstehen sie sich als Vorkämpfer für Freiheit und Gleichheit, andererseits zelebrieren sie in ihren verschiedenen Hochgradsystemen die Ungleichheit ihrer Mitglieder. Sie möchten als Bewegung für alle Menschen wirksam sein, schließen aber die Frauen ganz grundsätzlich von ihrer rituellen Arbeit aus – zumindest in der weltweit dominierenden Spielart der Freimaurerei englischer Tradition.

Wie wird man eigentlich Freimaurer?

Indem man von einem Freimaurer eingeladen wird, sich dem Aufnahmeritual zu unterziehen, oder indem man selbst z. B. über die Website der Großloge von Österreich einen Antrag auf Mitgliedschaft stellt. In beiden Fällen dauern die Gespräche, Abstimmungen und Rituale einen längeren Zeitraum. Insofern sind die Freimaurer eindeutig kein Geheimbund – die Großloge von Österreich ist ein eingetragener Verein, die Statuten können von allen Interessierten über das Vereinsregister eingesehen werden, der Großmeister ist namentlich bekannt und für jeden erreichbar. Aber die Freimaurer sind ein „diskreter Bund“: Da der Fokus auf der persönlichen „Vervollkommnung“ liegt, wollen sie, dass jedes Mitglied selbst entscheidet, ob es sich öffentlich zur Freimaurerei bekennt oder nicht – und die meisten tun es nicht.

Geheimnisumwittert sind die Freimaurer vor allem auch wegen ihrer Vorliebe für Symbole und Rituale!?

Die strengen Aufnahmerituale rühren aus ihren Anfängen in England und dienten damals auch zum persönlichen Schutz ihrer Mitglieder im konfessionell und politisch zerstrittenen England. Außerdem steht die Freimaurerei für eine Modernisierung des gesellschaftlichen Verhaltens. Durch die Rituale können Männer aus unterschiedlicher sozialer Herkunft leichter einander begegnen, als das außerhalb der Logen möglich gewesen wäre.

Die Vorliebe für Symbole hat aber auch eine esoterische Dimension. Freimaurer sehen sich als Nachfolger der mittelalterlichen Steinmetze und ihre Logen als neue Form der alten Bauhütten, die einst die Kathedralen errichtet haben. Gleichzeitig nennen sie auch andere Vorläufer der Freimaurerei: Priestervereinigungen im alten Ägypten, die Anhänger des Pythagoras in Griechenland, die Tempelritter der Kreuzzüge und die ersten wissenschaftlichen Gesellschaften wie die Royal Society werden von ihnen als Wegbereiter ins Spiel gebracht. Zudem entstanden im 17. und 18. Jahrhundert parallel zu den Logen weitere Gruppierungen wie die Mystiker der Rosenkreuzer und die Radikalaufklärer der Illuminaten, die in manchen Details Ähnlichkeiten aufweisen – eine weites Spielfeld für finstere Weltverschwörer ebenso wie für großartige Romane, denken Sie nur an Umberto Ecos „Foucaultsches Pendel“.

In der Ausstellung liegt der Schwerpunkt aber auf Österreich. Gibt es Besonderheiten der österreichischen Freimaurerei?

Die Besonderheiten liegen einerseits an den handelnden Personen: Mozart war Mitglied in einer Loge ebenso der Freimaurer, Pazifist und Nobelpreisträger Alfred Hermann Fried. Andererseits gibt es gewisse typische, regional oder zeitlich gefärbte Tendenzen: Die pazifistischen und europäisch gesinnten österreichischen Freimaurer unterschieden sich etwa in der Zwischenkriegszeit deutlich von den national ausgerichteten deutschen Brüdern.




Zum Plakat rechts:
Die letzte große Freimaurer-Ausstellung war in Wien genau ein Vierteljahrhundert vor dieser: 1992 im Historischen Museum der Stadt Wien - heute: Wien Museum - das Museum, in dessen Besitz auch das berühmte Logenbild aus dem späten 18. Jahrhundert ist.


Eine Installation in der Ausstellung: Freimaurer reichen einander die Hände. Mit dieser sogenannten Kette vergewissern sie sich ihrer Brüderlichkeit.


Ö1 ist das Kultur- und Informationsprogramm des ORF-Radios

Christian Rapp über die Freimaurer in Radio Ö1

Christian Rapp hat Mitte November 2017 im Radioprogramm Ö1 des Österreichischen Rundfunks (ORF) in der Serie "Betrifft Geschichte" über die Freimaurerei gesprochen: fünfmal fünf Minuten (Montag bis Freitag 17.55 Uhr). Wir danken dem ORF und Christian Rapp, dass wir die fünf Folgen hier zum Nachhören anbieten dürfen.

Radio Ö1: Die erste Großloge

Radio Ö1: Die Rolle der Freimaurer bei politischen Umbrüchen

Radio Ö1: Die Blütezeit der Freimaurer in Österreich

Radio Ö1: Von Grenzlogen bis zum Nationalismus - Freimaurer im 19. und 20. Jahrhundert

Radio Ö1: Freimaurer in der Gegenwart


Hier eine Nachlese zur Ausstellung sechs Monate nach der Eröffnung

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Siehe auch

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