Tschechien
Inhaltsverzeichnis
- 1 Vor 1918 in der Habsburgermonarchie
- 2 1918 bis 1932 in der Tschechoslowakischen Republik
- 3 1918 bis 1951: Die Republik, die Naziokkupation und die wenigen guten Jahre danach
- 4 Tschechischer Antimasonismus 1918-1945: Zuerst fast Null, aber dann doch ein wenig und schließlich kamen die Nazis
- 5 Nach der Wende 1989: Der masonischen Wiederaufbau und das Ringen um Stabilität
Vor 1918 in der Habsburgermonarchie
Ein Artikel aus: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner aus dem Jahr 1932. Er behandelt die rudimentäre tschechische Freimaurerei in Böhmen und Mähren, nicht aber deutsche Freimaurer, die damals in Böhmen oder Mähren gelebt haben. Um diese geht es etwa beim Stichwort Prag.
Von einer tschechischen Freimaurerei kann erst vom Jahre 1918 an gesprochen werden, als wenige Tage vor dem Zusammenbruch des österreichischen Staates einzelne tschechische Freimaurer in Prag die Loge "Jan Amos Komensky" errichteten. Die Mehrzahl der Gründer hatte bis dahin der in deutscher Sprache arbeitenden der symbolischen Großloge von Ungarn unterstehenden Loge "Hiram zu den drei Sternen" in Preßburg (Prag) angehört. Ein lückenloses Verzeichnis jener Tschechen, die vor dem [Ersten] Weltkriege dem Freimaurerbunde angehörten ist deswegen schwer zu geben, weil die Mehrzahl in ausländischen Logen verstreut war, und nur einige wenige zu den damals in Böhmen bestehenden deutschen Freimaurervereinigungen Beziehungen unterhielten. Bemerkt sei hier, daß ein Tscheche, der Rechtelehrer Professor Jaromir Hanel (s. d.), aufgenommen in der Loge "Archimedes" in Altenburg, durch viele Jahre der geistige Führer der deutschsprachigen Freimaurerei in Böhmen war. Von Persönlichkeiten tschechischer Nationalitat aus der österreichischen Ära seien genannt:
- Gerstner, Franz J., * 1756, † 1832,
- Ingenieur, Mathematiker und Astronom, Mitbegründer des ersten polytechnischen Instituts in Prag (Loge "Wahrheit und Einigkeit zu den drei gekrönten Säulen" in Prag).
- Hurdalek, Josef Fr., * 1747, † 1833,
- bedeutender katholischer Gesinnungsgenosse und Freund Bolzanos. mußte deshalb sein Bistum in Leitmeritz aufgeben.
- Nàprstek, Vojta (Fingerhut), *1826 † 1894,
- eine in der tschechischen Kulturbewegung führende Persönlichkeit, Vorkämpfer für die Frauenrechte. Er hatte lange Jahre in Amerika gelebt, wo er auch in den Bund eintrat. Er ist der Begründer des nach ihm benannten Gewerbemuseums in Prag.
- Pelcl, Frant. M., * 1734, † 1801,
- Erzieher im gräflichen Hause Sternberg, dann Bibliothekar bei Graf Nostiz, einer der Wiedererowecker des tschechischen Schrifttums, Mitarbeiter Dobrovskys.
- Prochàzka, Georg, Dr., * 1749, † 1820,
- Proffesor der Anatomie, Physiologie und Augenheilkunde an der Prager Universität (Loge "Wahrheit und Einigkeit").
- Purkyne, Jan Ev., * 1787, † 1869,
- berühmter Physiologe der Prager Universitat, stand mit Goethe in Verkehr. Aufgenommen in eine Breslauer Loge, wurde er unter der Ministerpräsidentschaft des Grafen Leo Thun mehrfach wegen seines Freimaurertums in Untersuchung gezogen und blieb erst unbehelligt, als er versprach, an freimaurerischen Arbeiten nicht mehr teilzunehmen
- Riha, Bernard, nobilis de Lauro, * 1740, † 1794,
- Magister der Philosophie und Arzt, Verfasser einer Schrift "Armenbesorgungsanstalten in der kgl. Kreisstadt Pilsen".
- Royko, Kaspar, * 1744, † 1819,
- Dr. theol. et phil., Verfasser eines vierbändigen Werkes "Geschichte der Großen allgemeinen Kirchenversammlung zu Kostnitz", war Mitglied der Loge "Wahrheit und Einigkeit" in Prag.
- Strnad, Anton, * 1749, † 1799,
- Mathematiker und Astronom an der Sternwarte des Prager Klementinums, Mittlied der Loge "Wahrheit und Einigkeit" in Prag.
Die lange strittige Frage, ob der Slavist Josef Dobrovski ("der blaue Abbé") dem Bunde angehört hat, ist nach den gründlichen Untersuchungen von Dr. Josef Volf, Prag, im negativen Sinne erledigt. Ebenso ist die Zugehörigkeit des Slavisten Jungmann zweifelhaft.
Der Dichter Neruda kam durch eine Schilderung einer Pariser "Tenue blanche", die im Jahre 1866 erschienen ist, in den Ruf, Freimaurer gewesen zu sein. Zu Unrecht, wie heute bekannt ist. Auch Smetana, der Komponist der "verkauften Braut", wird mitunter als Freimaurer genannt. Er gehörte in Zweden zu einer Art schlaraffischer Tafelrunde und nahm an Orchesterkonzerten teil, die in den Rahmen einer Loge stattfanden. Freimaurer war er aber nicht. Dagegen gehörte der Komponist Oskar Nedbal (s. d.) der Wiener Loge "Goethe" an. In der gegnerischen Literatur wird seit Wichtl die Unabhängigkeitsbewegung der Tschechen als rein freimaurerische Aktion bezeichnet. Dem sei entgegengestellt, daß in der großen deutschnationalen Publikation von 1918 "Das Verhalten der Tschechen im Weltkriege" ebenso in den Protokollen des Prozesses und im Urteil gegen Dr. Kramar, der nie dem Bunde angehört hat, usw., das Wort Freimaurerei überhaupt nicht vorkommt. Eine national-tschechische Freimaurerei entwickelte sich erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1918. Von den führenden Persönlichkeiten der tschechischen Auslandsmission war nur Stefanik (s. d.) Mitglied einer (französischen) Loge. Masaryk (s. d.) war nie Freimaurer. Dr. Benes (s. d.) ist erst nach dem Weitkriege Mitglied einer tschechischen Loge in Prag geworden.
1918 bis 1932 in der Tschechoslowakischen Republik
Ein Artikel aus: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner aus dem Jahr 1932. Dieser Artikel behandelt beide Volksgruppen: die deutsche und die tschechische. Er endet aber 1932, also noch in den guten Jahren. Wie es weiter geht: siehe unten.
I. Großloge "Lessing zu den drei Ringen"
Durch den Zerfall der österreichischungarischen Monarchie (Oktober 1918) wurde auch die Freimaurerei in Böhmen und Mähren vor neue Verhaltnisse gestellt. Seit dem Jahre 1870 waren in Böhmen und Mähren in Karlsbad, Saaz, Reichenberg, Haida, Pilsen, Bodenbach-Tetschen, Eger und Asch, Teplitz-Schönau und in den Landeshauptstädten Prag und Brünn Brudervereinigungen entstanden, die untereinander in loser Verbindung standen. In Prag war 1908 die Loge "Hiram zu den drei Sternen" unter der Symbolischen Großloge von Ungarn gegründet worden, die ihre ritualistischen Arbeiten auf ungarischem Gebiete in Preßburg abhielt. Die Gesamtzahl der Freimaurer, die in nichtpolitischen Vereinen unter behördlicher Genehmigung arbeiteten, betrug nicht ganz 300.
Die Freimaurer in Böhmen gehörten mehrheitlich reichsdeutschen Logen an, ein Teil auch Wiener Grenzlogen (vor allem der "Humanitas") und ungarischen Bauhütten. Nach der Ausrufung der Tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober 1918 verhielten sich die deutschen Freimaurer abwartend, erhielten jedoch in Kürze die Zusage, daß der Errichtung von Logen keinerlei Schwierigkeiten würden bereitet werden. Daher wandelten die Brr. der Karlsbader Gruppe bereits am 28. November 1918 ihr Kränzchen unter einem Patente der Großloge "Zur Sonne" in Bayreuth in eine Loge um. Die Große Landesloge von Sachsen gab neu errichteten Logen in Sazz, Prag und Reichenberg die Gründungsurkunden.
Da nunmehr fünf Logen regelrecht eingesetzt waren, wurde an die Gründung einer eigenen Großloge geschritten die unter dem Namen "Freimaurergroßloge Lessing zu den drei Ringen in der tschechoslowakischen Republik" am 23. Oktober 1920 in Arbeit gesetzt wurde. Erster Großmeister wurde der seit 40 Jahren um die Samnlung der freimaurerischen Kräfte in Böhmen besonders verdiente Saazer Stuhlmeister Adolf Girschick (s. d.). Dieser neu gegründeten Großloge schlossen sich nunmehr vier Logen an, die in der Slowakei, dem ehemals ungarischen Gebietsteil (Preßburg (Bratislava), Banska Bystrica und Kaschau (Kosice)) arbeiteten. Ein in Böhmen bestehender bereits in einer Großloge "Bohemia" organisierter Seitenzweig deg irregularen "Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne" in Nürnberg suchte ebenfalls Anschluß und wurde regularisiert, worauf sich die Großloge "Bohemia" auflöste.
Im Laufe der ersten zehn Jahre ihres Bestandes wuchs die neue Großloge teils durch Gründung neuer Logen in Teplitz, Brüx, Gablonz, Prag, Pilsen, Brünn, Marienbad, Olmutz, Mahr.-Ostrau, Aussig a. d. E., teils durch Wiederbelebung ehemals ungarischer Logen in Presov, Lucence und Eesmark auf 23 Logen mit gegen 1200 Mitgliedern an. Die junge Großloge, die ein sehr reges, geistiges Leben an den Tag legt, hat sich durch zahlreiche publizistische Leistungen, sowie durch eine in ihrem Auftrage von der Reichenberger Loge "Latomia" herausgegebene Zeitschrift "Die drei Ringe" in der internationalen Freimaurerei gut eingeführt. Aus ihr hervorgegangen ist die wissenschaftliche Vereinigung Academia Masonica (s. d.), sowie eine historische Quatuor-coronati-Vereinigung in Prag, die durch die Herausgabe von Neudrucken und durch die Inangriffnahme der Vorarbeiten für die Fortsetzung der Bibliographie von Wolfstieg über den engeren Rahmen hinaus Bedeutung erlangt hat. In den letzten Krisenjahren haben die charitativen Leistungen der einzelnen Logen, besonders in der Arbeitslosenfürsorge, auch öffentliche Anerkennung gefunden.
II. Narodni Velika Loze Ceskoslovenska
In der deutschen Loge "Hiram" in Prag hatten in den letzten Jahren vor dem Kriege auch mehrere Angehörige der tschechischen Intelligenzkreise Aufnahme gefunden. Zwei Tage vor dem Umsturz, am 26. Oktober 1918, traten 15 tschechische Brr. zur Gründung einer eigenen nationalen tschechischen Loge zusammen, der sie den Namen "Jan Amos Komensky" gaben. Diese Loge unterstellte sich dem Grand Orient de France. Kurze Zeit nachher entsendete die Großloge von Italien einen Delegierten nach Prag, der in der zweiten Hälfte 1920 dort drei Logen nach dem A. u. A. Schottischen Ritus einsetzte. 1922 wurde ein Oberster Rat dieses Ritus errichtet, dessen Rechtmäßigkeit vom Kongreß der Obersten Rate in Lausanne am 8. Juni 1922 anerkannt wurde. Nachdem auch im Juni 1922 in Pilsen eine Loge errichtet worden war, traten die französische und italienische Gruppe zusammen und begründeten am 27. Oktober 1923 eine National-Großloge, die von einer Delegation der Großloge von Jugoslawien eingesetzt wurde. Diese neue Großloge, die "Narodni Velika Loge (Ceskoslovenska", konnte weitere Logen in Preßburg, Paschau, Prag und Brünn einsetzen, so daß sie 1930 zehn Logen mit gegen 500 Mitgliedern zählte.
Diese beiden, in der Tschechoslowakischen Republik bestehenden Großlogen betrachten es als ihre vornehmste Aufgabe, zur Abschwächung der bestehenden nationalen Gegensätze nach Kräften beizutragen. Der gegenseitige Verkehr wird daher besonders gepflegt, gemeinsame Interessen, wie beispielsweise Studien auch auf dem Gebiet der freimaurerischen Landesgeschichte, sowie die Angelegenheiten der Allgemeinen Freimaurerliga werden im besten Einverständnis gemeinsam verhandelt. Es hat in der Öffentlichkeit nicht geringes Aufsehen erregt, daß der tschechische Außenminister Dr. Eduard Benes im Februar 1928 in einer deutschen Prager Loge einen viel beachteten Vortrag hielt. Die Freimaurerei vollzieht in der Tschechoslowakischen Republik die ihr in den "Alten Pflichten" gesetzte Aufgabe, indem sie Menschen, die das Leben ansonst getrennt hatte einander näher bringt. Diese vielversprechenden Anfange einer nationalen Verständigungstätigkeit werden von den Freimaurern beider Gruppen mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt und haben um so größere Bedeutung, als diese Beziehungen im Gegensätze zu bestehen den internationalen Berufsgruppen von rein ideellen Beweggründen geleitet werden.
1918 bis 1951: Die Republik, die Naziokkupation
und die wenigen guten Jahre danach
Von Jaap Sadilek: Gestalter der Freimaurerwebsite PragaMasonica.
Bearbeitung und Übersetzung aus dem Englischen von Peter Back-Vega,
Direktor des Österreichischen Freimaurermuseums Rosenau.
Der folgende Text steht auch in seinem Buch Das Märchen von der Weltherrschaft
Vor der Ausrufung der Republik 1918 waren Böhmen, Mähren und Schlesien Teile des Habsburgerreiches und die Freimaurerei war hier ‚in Cisleithanien’ verboten. Dennoch gab es in Tschechien etwa 350 Freimaurer, davon circa 80 in Prag. Sie gehörten zu Logen in Ungarn oder Deutschland, wo die Freimaurerei legal war. Für die meisten Tschechen war die Freimaurerei nur eine Legende der Vergangenheit oder etwas, das es nur im Ausland gab. Da die Freimaurerei nicht existierte, gab es auch nichts Antifreimaurerisches!
Nach dem Ersten Weltkrieg ging die Tschechoslowakei als einer der neuen zentraleuropäischen Staaten aus dem Kaiserreich Österreich-Ungarn hervor. Da in die Neuordnung Europas am Ende des Ersten Weltkrieges eine Reihe von Freimaurern involviert waren, hat sich speziell bei den Kriegsverlierern Deutschland und Österreich eine vehemente Aggression gegen die Freimaurer entwickelt. Das neue Tschechien war sozusagen auf der Gewinnerseite – also konnte man nicht wirklich der Freimaurerei etwas vorwerfen. Die politische und gesellschaftliche Elite baute den neuen Staat auf den Prinzipien der französischen Republik und der angloamerikanischen Demokratien auf. Parlamentarismus, Maurerei, Rotarier, Christlicher Verein junger Männer und vieles ähnliches bildete sich aus. Die Vision war ein Staat, der auf den freimaurerischen Werten aufbaute. Seine moderne, demokratische Verfassung garantierte Freiheit für alle politischen Parteien, Religionen und zivilen Gesellschaften, wie die Freimaurerei.
Bedeutende Persönlichkeiten wurden Freimaurer
Die Gründer der jungen Republik betrachteten die Logen als eine vernünftige Möglichkeit, die Widerstandsarbeit aus dem Weltkrieg nun im Frieden fortzuführen, und die Logen beeilten sich, bedeutende Persönlichkeiten des neuen Staates aufzunehmen. 1922 waren sie gefestigt und auch vom Ausland anerkannt, 1923 folgte die Gründung der nationalen Großloge der Tschechoslowakei. Bereits 1920 war die Loge ‚Lessing zu den drei Ringen’ als deutschsprachige Loge in der Tschechoslowakei etabliert worden.
Ganz wichtig war, dass die Rolle der katholischen Kirche – zahlenmäßig zwar bei weitem die stärkste Kraft – keineswegs so dominant war wie in Österreich, Polen oder Ungarn: Die böhmischen Protestanten haben immer auch eine sehr anerkannte Rolle im tschechischen Nationalbewusstsein gespielt. Es mag daher nicht erstaunen, dass viele Köpfe in der Regierung, in den Universitäten, Künsten, Wissenschaften oder in der Armee Logenmitglieder waren. Besonders im Auswärtigen Amt bekleideten viele Freimaurer führende Positionen.
Auch wenn die Freimaurerei in der Zwischenkriegszeit keine namhaften Feinde hatte, wurde sie natürlich trotzdem gelegentlich in Karikaturen oder Presseartikeln angegriffen, von faschistisch-ultranationalistischer Seite wegen Offenheit gegenüber dem Judentum und dem Internationalismus, von der klerikal-katholischen Presse mit wilden Vorwürfen, gemischt aus Weltherrschaftsverschwörung, Antisemitismus, Antikapitalismus und Antikommunismus. Die Freimaurerei hütete sich, auf solche Angriffe direkt zu antworten, die meisten verliefen sich von selbst, und viele Publikationen stellten den maurerischen Einfluss eher positiv dar. Der einzige Wermutstropfen war die Trennung in eine deutsche und eine tschechische Großloge, die jedoch immer in einem engen Konkordat miteinander standen und sich nie gegeneinander ausspielen ließen.
1938/1939: Das Ende der Freimaurerei in der CSR
Nach der Unterzeichnung des Münchener Abkommens, wodurch die Sudetengebiete und die Slowakei halbautonom wurden, trat Präsident Benes ab und ging ins Londoner Exil. Alle maurerischen Einrichtungen schlossen freiwillig mit Oktober 1938. Dennoch blieben einige Freimaurer in der Rumpfregierung, um das Schlimmste zu verhindern. Das seltsame daran ist, dass in der Regierung der Zweiten Republik (wie diese nun hieß) mehr Freimaurer Ministerposten bekleideten als je zuvor! Während zur gleichen Zeit die Angriffe vor allem der Faschisten immer heftiger wurden. Details hier.
Während der Exilregierung in London 1940-1945 nahm ‚The Czechoslovak National Grand Lodge’ ihre Arbeit unter dem Protektorat der UGLE in London wieder auf.
1945 bis 1948: Ein kurzes Aufflackern vor dem neuerlichen Aus
In dieser kurzen ‚hellrote’ Zeit vor dem Kommunismus gab es keine antisemitischen und keine antimasonischen Aktivitäten. Alles war um demokratischen Wiederaufbau bewegt, wenn auch unter stark kommunistischen Einfluss. Edvard Benes, Präsident 1945-1948, und Jan Masaryk, Außenminister, sowie mehrere andere wurde auch in der neuen Republik in ihren Funktionen bestätigt.
Mit Ende dieser Phase und der Übernahme durch die Kommunisten ging der totalitäre Staat daran, alles ‚Bürgerliche’ auszumerzen, so auch die Freimaurerei. Die Logen gaben freiwillig auf, 1951 wurde die letzte und damit auch die Großloge der Tschechoslowakei geschlossen.
Tschechischer Antimasonismus 1918-1945: Zuerst fast Null,
aber dann doch ein wenig und schließlich kamen die Nazis
Von Jaap Sadilek: Gestalter der Freimaurerwebsite PragaMasonica.
Vom Englischen ins Deutsche übertragen von Rudi Rabe.
Wie schon erwähnt, hatte die Freimaurerei in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in der Tschechoslowakei kaum starke Gegner, und so konnte sie sich ungehindert entwickeln. Das soll nicht heißen, es hätte keine Angriffe auf Freimaurer gegeben. Doch diese spielten sich hauptsächlich in ein paar Zeitungen ab, und sie hatten keine große Bedeutung.
Vereinzelte Angriffe aus zwei Richtungen
Angriffe kamen vom konservativ-katholischen Klerus und aus faschistischen oder ultra-nationalistischen Kreisen. Beide bezogen ihre Informationen aus heimischen und aus internationalen Quellen. Die Kleriker beschuldigten die Freimaurer des Modernismus, der Beschädigung traditioneller Werte und des Antiklerikalismus. Die Faschisten wiederum behaupteten, die Freimaurerei fördere einen gefährlichen Internationalismus, der die nationale Identität beschädige, die Politik nach links verschiebe und Verbindungen zum Weltjudentum aufbaue. Beide Argumentationslinien unterstellten einen masonischen Willen zur Weltherrschaft; sie sahen rund um den Globus ein Netz, das die Welt erstickte. Angeblich geschah dies im Dienste des Antichristen oder des jüdischen Kapitals oder des Marxismus.
Außerdem behaupteten die Gegner, dass die Freimaurer die Mächtigen und Einflussreichen unterwanderten, wodurch sie die tschechische Gesellschaft kontrollieren und schließlich moralisch zerstörten. Schließlich würden dunkle und böse Kräfte aus dem Ausland immer mehr Einfluss auf und Kontrolle über die tschechische Freimaurerei gewinnen, was zu einem Verlust von Souveränität und Unabhängigkeit führte.
Wie reagierten die Freimaurer?
Im Allgemeinen gab es keine öffentliche oder direkten Abwehr gegen diese Anschuldigungen. Die Logen verhielten sich lieber still, und meistens versickerten die Attacken ohne Konsequenzen. Dabei war auch hilfreich, dass die wichtigen Zeitungen und Magazine nicht negativ schrieben. Manchmal wurden im Gegenteil positive Berichte gedruckt.
Die Ex-Freimaurer Brüder Čapek
Eine sehr spezielle Sicht auf die Freimaurerei verbreiteten Karel Čapek (1890 bis 1938; Schriftsteller) und Josef Čapek (1887 bis 1945; Maler). Die beiden Brüder gehörten zur einflussreichen Künstlerelite der neuen tchechoslowakischen Republik in der Zeit zwischen 1918 bis 1938. Sie waren Freunde von Präsident Thomas Masaryk und vehemente Unterstützer einer modernen, demokratischen und westorientierten tschechoslowakischen Republik.
1919 wurden beide Brüder Mitglieder der Loge ‚Národ’, allerdings ohne ein gültiges Rezeptionsritual durchlaufen zu haben. In jener Zeit war das üblich, um rasch eine große masonische Mitgliederzahl zu erreichen. Die Čapeks fühlten sich in der Loge aber unwohl und traten schließlich 1927 aus.
1922 veröffentlichte Karel ein Buch unter dem Titel ‚Továrna na absolutno’ (die Fabrik für das Absolute): ein Science-Fiction-Roman. Er deutet die fundamentalen Veränderungen in der Gesellschaft als Ergebnis einer neuen geheimnisvollen virtuellen Energie. Der Plot kann interpretiert werden als die Vision einer Konsumgesellschaft. Der Roman enthält Szenen aus einer Loge und macht das freimaurerische Ritual ein wenig lächerlich. Der Autor hegte jedoch Sympathien für die masonischen Werte. Sein Bruder Josef illustrierte den Roman mit zwei gezeichneten Karikaturen.
Felix de la Camara: Vom Okkultisten zum Kollaborateur
Felix de la Camara (1897 bis 1945), tschechischer Schriftsteller, Journalist und Filmemacher. In den zwanziger Jahren lebte er ein wildes Künstlerleben; er war auch am Okkulten interessiert. Seine Bücher ‚Egyptští zednáři’ (Ägyptische Freimaurer; 1921) und ‚Hrabě Cagliostro’ (Graf Cagliostro; 1922) waren für den Verkauf sensationell aufgemachte Titel. In den dreißiger Jahren wurde er ein Franco-Anhänger und Mitglied der tschechischen faschistischen Vereinigung Vlajka, und während der deutschen Besetzung ein Nazi-Kollaborateur. Mit Jan Rys-Rozsévač und Václav Binovec versuchte er, den „ersten tschechischen Film mit antimasonischem Inhalt“ zu drehen; der Plan wurde nie umgesetzt. Bei der Befreiung Prags wurde er von einer Menschenmenge auf der Straße ermordet.
Der tschechische Nazi Karel Rélink
Karel Rélink (1880 bis 1945) war ein tschechischer Maler, Schriftsteller und Publizist. Er illustrierte populäre Geschichten, schrieb über das Künstlerleben in Prag, und er produzierte Portraits berühmter Persönlichkeiten wie Masaryk und Mucha. Die Kunstkritik jener Zeit ignorierte aber sein Talent; es wurde als schwach bewertet.
Später wurde Rélink jedoch berühmt als der am meisten antisemitische Karikaturist der Ersten Tschechischen Republik. Seine Kurzgeschichten und einer Karikaturensammlung mit dem Titel ,Zrcadlo židů-žid podle Talmudu’ (Der Judenspiegel nach dem Talmud) im Jahr 1925 enthalten ausschließlich antisemitische Zeichnungen, in denen Juden mit dem Bolschewismus in Zusammenhang gebracht werden. Im Büchlein ‚Spása světa’ (Rettung der Welt) kommt 1926 die Freimaurerei dazu mit der anrüchigen Verbindung Juden-Bolschewisten-Freimaurer.
1935 bekam Rélink eine Ausstellung in Nürnberg unter dem Titel ‚Spása Světa –Svobodné Zednářstvi-Rudý terror’ (Rettung vor dem weltfreimaurerisch-roten Terror). Denselben Slogan verwendete er 1938 für sein Buch ‚Vývin židomarxisty’ (Die Entwicklung eines Juden-Marxisten). Ein Jahr später folgte in Prag die Ausstellung ‚Žid – nepřítel lidstva’ (Der Jude als Feind der Menschheit). Die Öffentlichkeit ignorierte Rélink jedoch weiter als einen Künstler, dessen Zeichnungen extrem vulgär und primitiv sind.
Rélinks große Zeit kam mit der deutschen Okkupation von Prag. Jetzt wurde er von den Nazis und ihren Kollaborateuren als positives Vorbild eines Künstlers im neuen (Nazi-)Europa bejubelt. Die Ausstellung seiner Arbeiten unter dem Titel ‚Židobolševismus – nepřítel lidstva’ (Der jüdisch-bolschewistische Feind der Menschheit) wurde 1942 von vielen besucht und von den Behörden breit beworben. In Rélinks Arbeiten wird die Freimaurerei durchgehend als ein Instrument der Juden dargestellt.
Rélink hielt engen Kontakt mit deutschen Antisemiten, und er bewunderte Hitler sehr. Er malte ein Portrait von ihm, das er als sein Hauptwerk verstand. Schließlich malte er den tschechischen Naionalheiligen Sankt Wenzel mit einem Hakenkreuz im Heiligenschein. Dieses Bild war das einzige, das Hitler von tschechischen Künstlern für seine eigene Sammlung akzeptierte. Im Mai 1945 setzte Rélink seinem Leben ein Ende.
Neben diesen persönlichen antisemitischen und antimasonischen Angriffen gab es noch das Magazin ‚Vlajka’ (Fahne) der tschechisch-faschistischen und nationalistischen Bewegung, die 1928 gegründet wurde, und später die Zeitung ‚Árijský boj’ (Arischer Kampf), die eine der schlimmsten politischen Boulevarderzeugnisse faschistischer Prägung war: Karikatur rechts.
Die folgenden antisemitisch-antimasonischen Karikaturen sind von Karel Rélink:
Nach der Wende 1989:
Der masonischen Wiederaufbau und das Ringen um Stabilität
Text folgt